Umweltaktivist Ernst Paul Dörfler

Ein Leben für den Naturschutz

Ernst Paul Dörfler
Die Elbaue ist Ernst Paul Dörflers Rückzugsort © Deutschlandradio Kultur / Regina Voss
Von Regina Voss |
Kartoffeln, Möhren, Topinambur: Ernst Paul Dörfler lebt allein aus seinem Garten. Hier hat er seinen Frieden gefunden - nachdem er die Politik nicht mehr ertragen konnte. Dörfler zählte 1990 zu den Gründungsmitgliedern der Grünen Partei in der DDR, heute lässt er sich vom Schlauchboot auf dem Fluss tragen.
"Der Garten ist Lebensgrundlage. Der liefert eigentlich rund ums Jahr meine Nahrung. Ich würde sagen 95 Prozent meiner Nahrung hole ich hier von diesen Quadratmetern."
Ernst Paul Dörfler steht in seinem Garten, 700 wild-romantische Quadratmeter, eingebettet zwischen Haus, Stall und einem großen Hoftor.
"Ich habe Kartoffeln, ich habe Möhren, ich habe Kohl, ich habe Rote Beete, Rosenkohl, Grünkohl habe ich dort hinten. Ganz viele Obstbäume. Ganz viel Wein, Wein ist ein Hauptnahrungsmittel für mich. Jetzt im Winter gibt es Topinambur. Wächst in Massen."
Der Garten und ein bescheidener Lebensstil ermöglichen es Ernst Paul Dörfler, seinen Alltag nicht nach einer bezahlten Tätigkeit auszurichten. Ist er ein Aussteiger? Nein, sagt der Mann mit dem kurzem grauen Haar und dem gepflegtem Bart. Die Bezeichnung passt nicht! Viel zu sehr mischt er sich in das gesellschaftliche Leben ein: veröffentlicht Bücher, hält Vorträge und veranstaltet Workshops – alles zum Thema Natur. Er muss damit aber nicht viel Geld verdienen. Er hat ja seinen Garten.

"Die Politik ist ein Sog"

Doch der ist nicht nur Versorgungsquelle. Er ist auch der Ort, an dem Dörfler Ideen entwickelt und sein Leben immer wieder neu justiert.
Hier habe er auch endgültig beschlossen, sagt der 66-Jährige, der Politik den Rücken zu kehren:
"Die Entscheidung habe ich in der Gartenecke rechts hinten getroffen. Dort war mein Möhrenbeet 1990. Die Entscheidung fiel mir nicht leicht aus der Politik auszusteigen, denn es ist ein Sog, es ist schon nach einem Jahr eine gewisse Sucht zu verspüren: Man wird hofiert, man ist wichtig, man ist gefragt, man wird beschenkt, man wird bestochen… Aber ich habe gemerkt: Es macht mich nicht glücklich. Es hat mich dicker gemacht, es hat mich unbeweglicher gemacht. Ja, es hat mich irgendwie krank gemacht."
Schon vor 1989 analysiert der Umweltschützer die ökologische Situation in der DDR, erstellt Studien, die nach Abgabe schnell zur "Vertraulichen Verschlusssache" werden.
1990 gehört Ernst Paul Dörfler zu den Gründungsmitgliedern der Grünen Partei in der DDR. Er wird Abgeordneter der Volkskammer und sitzt nach der Wiedervereinigung für "Bündnis 90/Die Grünen" im Bundestag.
"Nach einem Jahr habe ich gemerkt: Das ist es nicht, was mich glücklich macht."
Dörfler kehrte zurück in das stille Dorf nahe Dessau – sein persönliches Paradies und Symbolort für seine Ausstiegsgeschichte Nummer eins:
Das war 1983, als der promovierte Chemiker seinen sicheren Posten am Institut für Wasserwirtschaft in Berlin kündigte. Er entdeckte das kleine Haus in Elbnähe und machte den Ort in Eigenarbeit bewohnbar: für sich und seine Familie – der damaligen Frau und den zwei gemeinsamen Kindern.

Die Aue ist sein Kampfplatz Nummer eins

Vom Haus sind es nur wenige Schritte bis zu den Elbauen.
"Ja, das ist hier Caspar David Friedrich. Hier beginnt die Aue!"
Ernst Paul Dörfler lächelt, wenn er in die menschenleere Weite schaut. Hier findet er, was ihm im geregelten Berufsalltag immer gefehlt hat: Er streift stundenlang umher und beobachtet vor allem Vögel.
"Ach, eine Sumpfmeise, sie singt schon, da staun' ich… Ist sogar ein Pärchen. Na, die Sumpfmeisen sind ja Außenseiter in den Liebesbeziehungen, die meisten Singvögel trennen sich ja im Sommer. Scheidung wird eingereicht und dann fliegt jeder für sich. Und die Sumpfmeisen, die bleiben als Paar auch im Winter beieinander."
Ernst Paul Dörfler beschreibt die Vögel mit Hilfe von menschlichen Eigenschaften – wissenschaftlich lange verpönt, nahm er damit einen Trend voraus. Nur wenn wir die Natur auch emotional verstehen, sagt er, wenn wir ihr nahe sind, werden wir sie auch schützen.
Kampfplatz Nummer eins, sagt Dörfler plötzlich knapp und meint sein politisches Ringen um die Kulturlandschaft Elbe. Und das hat mir wahrlich nicht nur Freunde gebracht, ergänzt er.
"Ich bin in diesem Land Sachsen-Anhalt eine Persona non grata. Bei der Landesregierung. Eine der ungeliebtesten Personen des Landes."
Zum ersten Mal klingt der Mann bitter. Denn der umweltpolitische Kampf hat ihn an seine Grenzen stoßen lassen, Abhängigkeiten und Verstrickungen offenbart, die er in seinem privaten Leben kaum kennt.
Doch dann deutet Ernst Paul Dörfler über den Schilfgürtel hinweg auf das breite Wasser, lächelt und erzählt, wie er es auch außerhalb seines Gartens schafft, im Einklang mit der Natur zu leben.
Im Schlauchboot!
"Das ist natürlich das Unmittelbarste, dann ist man Teil des Flusses. Der Fluss trägt mich und dann ist man Teil der Natur und man ist auch kein Störfaktor."
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