Umweltaktivist Smits: Biodiesel ist Fluch für die Natur

Moderation: Joachim Scholl |
Der Umweltschützer Willie Smits hat die Rodung von Regenwald in Indonesien für Bio-Kraftstoffe kritisiert. Es gebe eine riesige Fläche Grasland, auf der sich nur der Anbau von Palmölpflanzen lohnen würde. Die indonesische "Palmölmafia" bevorzuge jedoch Flächen im Regenwald, um so auch das Holz verkaufen zu können. Smits kämpft seit Jahrzehnten für den Erhalt des Lebensraumes von Orang-Utans.
Scholl: Die Zerstörung des Regenwaldes in Indonesien nimmt immer dramatischere Ausmaße an. Palmöl wird auf den abgeholzten Flächen angebaut, um Biodiesel zu gewinnen. Dadurch wird auch der Lebensraum der Orang-Utans bedroht, und diesen Tieren widmet sich der gebürtige Holländer Sir Willi Smits. Seit bald 20 Jahren kümmert er sich. Wir erwarten den Ökologen und Tierschützer gleich zum Gespräch.

Den größten Teil des Jahres verbringt er im Dschungel und ist dort sehr schwer zu erreichen. Und wir freuen uns sehr, dass Willi Smits uns nun in einem Studio in Den Haag zugeschaltet ist. Guten Morgen, Meneer Smits.

Sir Willi Smits: Guten Morgen.

Scholl: Was können Sie uns aus Ihrer persönlichen Erfahrung heraus sagen, wie ernst ist die Bedrohung des Regenwaldes in Indonesien?

Smits: Also was ich gesehen habe über die letzten 30 Jahre, ist wirklich erschütternd. So schnell wie der Wald verschwindet, wie das Klima sich ändert, auch vor Ort, dass wir die ganzen Saisonen, alle vier Jahres, dass es Massen von Blüten und Fruchtformen gibt, alles wird wirklich zerstört. Die Anzahl von Tieren, die noch ein Heim finden in richtig gut geschützten Wäldern, die nimmt so schnell ab. Und daneben gibt es die Armut von den Menschen, die in der Nähe von diesen Wäldern leben. Es ist wirklich sehr, sehr traurig.

Scholl: Der Biodiesel als alternative Energie, im Westen wird er sehr gefeiert oder ist euphorisch begrüßt worden. Jetzt kehrt er sich auch gerade in den Schwellenländern wie Indonesien zum Fluch für die Natur.

Smits: Stimmt. Eigentlich ist Palmöl kein schlechtes Produkt, wenn man es auf den richtigen Orten anpflanzt. Aber was jetzt passiert: Wir haben in Indonesien zum Beispiel 28 Millionen Hektar Grasländer, wo der Wald total verschwunden ist und wo man keine Produktion mehr von diesem Land hat. Wenn man da die Ölpalmen anpflanzen würde, würde man etwas Gutes tun. Dann würde man Arbeitsplätze schaffen und irgendwie die Erosion weniger machen. Aber anstatt dessen wählen die meisten großen Händler und diese Palmölmafia dafür, um die noch richtig guten Wälder zu fragen, um dort ihr Palmöl anzubauen. Es geht denen also nicht um das Palmöl, aber um den schnellen Gewinn von dem Holz, was da noch zu bekommen ist. Und indem man ein paar lokale Leute besticht, kann man dann einen Brief bekommen, in dem steht, das ist kaputter Wald und du bekommst sogar noch die Erlaubnis, legal dieses Holz da zu entfernen, damit Platz geschaffen wird für Palmöl. Und das ist das große Problem.

Scholl: Sie, Herr Willi Smits, haben auf der Klimakonferenz in Bali die Delegierten ein wenig herumgeführt, an den Ort des Geschehens, der Rodung auch. Es sind ja auch so genannte Torfmoorböden. Dieses Torfmoor trocknet dann aus, wenn abgeholzt wird, der Boden heizt sich auf, furchtbare Brände sind schon entstanden, was auch tonnenweise Kohlendioxid erzeugt. Haben die Politiker und Klimaexperten des Gipfels eigentlich diesen Zusammenhang erkannt?

Smits: Das wird endlich erkannt. Wir haben schon vor sieben Jahren angefangen, zusammen mit Shell ein Projekt aufzubauen für den Schutz von diesen Sumpfwäldern. Denn in diesen Sumpfwäldern lagert Torf bis 20 Meter dick, und da ist etwa 30 Prozent des gesamten CO2 der Erde festgelegt worden. Und genau diese letzten Wälder, wo es noch Orang-Utans gibt, die sind jetzt das Ziel von den Ölpalmen. Da gibt es noch Holz. Und dieser Torf, wenn der anfängt zu verbrennen, dann kommen gigantische Mengen CO2 frei. Also wenn wir die Torffelder alle verbrennen würden, könnten wir den Ausstoß von Gasen, greenhouse gases, verdoppeln über 30 Jahre. Das ist eine unglaublich wichtige Anzahl. Und diese Wälder sind darum die wichtigsten für den Klimaschutz.

Wenn wir zum Beispiel unseren Wald Mawas, das ist etwa 300.000 Hektar Sumpfwald, verlieren würden, würde dadurch etwa 3,5 Gigatonnen CO2 Ausstoß produziert. Und das würde den Meeresspiegel um etwa einen Zentimeter erhöhen. Rechen Sie mal nach, wie viel Sie die Erhöhung Ihrer Deiche in Deutschland kostet für einen Zentimeter. Das sind Milliarden Euros. Also es ist dann doch viel besser, dass wir diesen Orang-Utans und den armen Menschen um diese Sumpfwälder herum helfen mit ein paar Millionen Euro und dadurch einem großen Problem in der Zukunft für alle Menschen in der Welt zuvorkommen.

Scholl: Seit über 30 Jahren leben Sie in Indonesien, Herr Smits. Die Orang-Utans sind Ihr Lebenswerk geworden. Und das ist, wie wir vorhin gehört haben, eine lebensgefährliche Arbeit. Wer gefährdet die Orang-Utans eigentlich mehr, die Klimakatastrophe oder Gangster, die mit den Tieren Geschäfte machen?

Smits: Es ist eigentlich eine Kombination. Die Entwaldung über die Ölpalmen, über die anderen Gummibaumplantagen, über die Plantagen für Papier, und es gibt auch die Wilderer, die immer tiefer in die Wälder hineingehen und noch immer Tiere ins Ausland schmuggeln, die dann in irgendwelchen Zirkusshows als Boxing-Orang-Utan Shows vorführen müssen. Es gibt aber auch Krankheiten von Menschen, die über die wilden Orang-Utans sich jetzt verbreiten in die restliche Population und da auch zum Aussterben führen. Es ist wirklich eine Kombination.

Daneben, in diesen kleinen Stückchen Wald, in diesen Fragmenten, die noch übrig geblieben sind, ist es immer schwieriger geworden, noch genügend Orang-Utans überleben zu lassen. Wir brauchen mindestens 30.000 Hektar primär, also ungestörten Urwald, um eine Gruppe von 1.000 Orang-Utans langfristig überleben lassen zu können. Und dieses Stückchen Wald gibt es kaum noch.

Scholl: Orang-Utans werden für alle möglichen Zwecke missbraucht. Sie haben das oft angeprangert, und wir waren hier gestern in der Redaktion ganz schockiert, als wir erfuhren, dass - also ein ganz unglaublich widerliches Detail - Orang-Utans sogar zur Prostitution missbraucht werden. Sie haben das selbst erlebt, Willi Smits.

Smits: Ja, ich habe schon fünf mal Orang-Utans aus diesen Bordellen befreit, die dann nackt rasiert, festgekettet an diesen Betten liegen. Das sind abscheuliche Sachen. Aber es werden auch, wenn Sie im Internet nachschauen, sehen Sie da pornografische Produktionen mit Orang-Utans aus Amerika, mit Homos und was weiß ich was alles. Es gibt so abscheuliche Sachen. Es werden auch Orang-Utans ins Ausland geschmuggelt für medizinische Experimente, es wird noch immer das Fleisch gegessen. Es gibt da einige Bevölkerungsgruppen, die glauben, dass man stark davon wird, wenn man dieses Fleisch isst, ihre Schädel werden also als Antiquitäten verkauft und natürlich die Babys als Ersatzkinder oder als Statussymbol.

Scholl: Nun hat die indonesische Regierung auch im Schlusskommuniqué von Bali mannhaft verkündet, die Orang-Utans wirklich zu schützen und natürlich dann auch den Regenwald. Hat sich diese Unterstützung schon bemerkbar gemacht für Sie?

Smits: Nein, noch nicht. Also es wird immer sehr schön und groß geredet, aber die Probleme sind im Feld. Und die armen Leute, die die Orang-Utans jagen und fangen, die kriegen nur ganz wenig, vielleicht zehn bis 15 Euro für so ein Orang-Utan-Baby. Es ist der Handel, der das alles stimuliert. Zum Beispiel, wenn ein Orang-Utan illegal in Europa verkauft wird, kann er bis 50.000 Euro kosten. Und das ist das große Geld, was diese weiteren Wilderer treibt, um weiter zu machen. Da muss angepackt werden. Aber es sind auch sehr mächtige Leute dabei. Es sind auch die Armee und die Polizei, die in dem Tierhandel selbst mitmachen. Und das ist natürlich sehr schwierig.

Scholl: Ich wollte gerade fragen, in wie weit die Politik vielleicht da auch bei solchen Geschäften mit verbandelt ist. Sie haben da ja viel mit zu tun.

Smits: Ja, es gibt fünf Gruppen von Menschen in Indonesien, die die Probleme schaffen. Das sind die höheren Beamten, das sind die Artisten, das ist die Armee und die Polizei und es sind die reichen Geschäftsleute. Also alle fünf von diesen Gruppen mit Geld, und wissen eigentlich, dass die Orang-Utans schon seit 1924 den höchsten Schutzstatus von allen Tieren in Indonesien haben. Aber es geht denen um den Status, und leider ist es so, dass es bei uns in Indonesien ganz viel Korruption gibt und dass man mit Geld sich immer noch Sachen leisten kann, die total unerlaubt sind.

Scholl: Sir Willi Smits, er kämpft für die Orang-Utans und die Erhaltung des Regenwaldes in Indonesien. Herr Smits, alles Gute für Ihre Arbeit. Wir drücken Ihnen die Daumen und freuen uns, dass Sie Zeit für uns gehabt haben. Herzlichen Dank für das Gespräch.

Smits: Gern geschehen, danke.