Umweltbundesamt will Trinkwasser von Antibiotika befreien
Auch wenn teilweise verschmutztes Trinkwasser in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht hat, sieht Michael Angrick, Fachbereichsleiter im Umweltbundesamt, insgesamt eine "sehr hohe Qualität". Nur beim Herausfiltern von Antibiotika gebe es Nachholbedarf.
Katrin Heise: Gerade jetzt in der Urlaubszeit fällt so manchem von uns das Wasser aus der Leitung mal wieder auf. Was wir ansonsten Tag für Tag konsumieren, ohne uns da groß Gedanken drüber zu machen, das schmeckt im Ausland oft ganz anders oder sollte nicht abgekocht dort besser gar nicht getrunken werden. Meldungen wie die vor einigen Wochen aus Rosenheim oder auch neulich aus Berlin-Spandau, nämlich das Trinkwasser sei verunreinigt, würde kurzzeitig gechlort und sollte abgekocht werden, solche Meldungen fallen uns hier auf.
Unser Trinkwasser stammt überwiegend aus dem Grundwasser, also aus versickertem Wasser, auch aus Wasser, welches nach der Reinigung durchs Klärwerk in der Natur weitergereinigt wird. Und mein Gesprächspartner ist im Umweltbundesamt unter anderem für die Abwasserwirtschaft und Wiederaufbereitung zuständig. Ich begrüße Doktor Michael Angrick. Schönen guten Tag, Herr Angrick!
Michael Angrick: Ja, guten Morgen
Heise: Nahezu perfekte Kläranlage kann – habe ich gelesen – 99 Prozent aller Erreger aus dem Wasser filtern, heißt es. Wie viele Kläranlagen gibt es denn in Deutschland, die diesen nahezu perfekten Standard haben?
Angrick: Na, wir haben etwa 10.000 Anlagen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland, und davon haben etwa 9.750, also rund 98 Prozent, die Möglichkeit, dies herauszufiltern.
Heise: Was heißt denn eigentlich, wenn eine Anlage 99 Prozent herausfiltert, dann bleiben ja immer noch eine ganze Menge Keime im Wasser, das sind so 1.000 bis eine Million Keime – das klingt wahnsinnig viel für den Laien. Ist das viel?
Angrick: Das ist jetzt schwierig zu beantworten: Ja, es ist viel. Damit hat das Wasser, in das das Klärwasser entlassen wird, zum Beispiel noch keine Badegewässerqualität. Aber es verdünnt sich natürlich dann, und normalerweise nehmen Sie ja auch aus dem Oberflächenwasser nicht sofort Trinkwasser ab. Insofern ist es ausreichend, wenn man es unter hygienischen Aspekten betrachtet.
Heise: Wäre es eigentlich sinnvoll, das Wasser hundertprozentig gefiltert wäre, also klinisch rein wäre, ist das überhaupt erstrebenswert?
Angrick: Wasser ist ja eins unserer wichtigsten Lebensmittel, und insofern sollte es so rein wie nur irgend möglich sein. Auf der anderen Seite: Ich denke, Sie haben auch so ein wenig im Hinterkopf destilliertes Wasser. Es ist natürlich so, dass Wasser durchaus Mineralien enthalten soll. Aber es sollte keine Keime enthalten. Also wir brauchen ein gutes, gesundes Lebensmittel, und das heißt, ein keimfreies Lebensmittel.
Heise: Aber durchaus eins, was unser Immunsystem auch immer wieder anregt?
Angrick: Ja, sicher!
Heise: Also, das heißt, wenn wir uns ganz und gar von Keimen fernhalten, dann können wir auf anderer Seite wieder überrascht werden?
Angrick: Das stimmt! Es ist auch so, dass sie halt sowieso auch mit anderen Lebensmitteln natürlich Keime zu sich nehmen, das muss auch so sein. Wir brauchen die auch für unsere Verdauung beispielsweise ganz schlicht. Aber unser Wasser sollte natürlich – unser Trinkwasser – einen sehr hohen Standard haben.
Heise: In vielen europäischen Staaten oder ja fast grundsätzlich im Rest der Welt wird ja gechlort. Ich hatte das vorhin schon mal erwähnt, dass man im Urlaub ja oft dann das Trinkwasser nicht trinkt, weil es so chlorig schmeckt, auch. Das wird aber gemacht, um das Trinkwasser eben sauber zu halten. Und von Ihrer Kollegin aus dem Bundesumweltamt Ingrid Chorus las ich neulich folgendes Zitat in der "Süddeutschen Zeitung": "In England und in den USA fragt man sich, wie wir Deutschen uns das trauen können, nicht zu chloren!" Wie können wir uns das den trauen, oder können wir es uns wirklich trauen?
Angrick: Definitiv ja. Wir können es uns trauen. Zunächst einmal ist es so, dass sie wissen müssen: Wir haben etwa 70 Prozent unseres Trinkwassers, bekommen wir aus dem Grundwasser. Und nur etwa 30 Prozent aus Oberflächengewässern. Davon geht wiederum das Meiste, was in den Oberflächengewässern ist, erst mal durch eine Uferfiltration oder durch eine andere natürliche Reinigung, sodass wir eigentlich erst mal schon eine sehr gute Wasserqualität per se haben. Das ist in anderen Ländern schon mal etwas anders. Zweitens ist es so, dass ...
Heise: Weil die ihr Wasser woanders her beziehen?
Angrick: Ja. Zweitens ist es so, dass wir eine sehr gute Überwachung haben. Große Wasserwerke machen mikrobiologische Proben, sodass wir genau wissen, wie gut die Güte jeweils ist. Drittens haben wir ein Wassernetz, ein Trinkwassernetz unter Druck. Das heißt, es kommen keine Keime, sozusagen, normalerweise von außen in das Netz hinein. Im Gegenteil, sie würden sozusagen eigentlich ferngehalten werden.
Das ist in anderen Ländern auch anders. Dort sind häufig Druckabfälle. Sie haben zum Ausgleich auf Dächern meinetwegen irgendwelche Tanks. Da kommen Tiere ran, da können Keime gebildet werden, insofern muss dort gechlort werden. Bei uns wird eigentlich nur dann gechlort, wenn wir Oberflächenwasser zum Beispiel aus Trinkwassertalsperren nehmen. Dann wird regelmäßig auch bei uns gechlort, oder in Ausnahmefällen.
Heise: Weil eben da beispielsweise Tiere oder anderes rankommen würde.
Angrick: Genau! Um das auszuschließen, würde dann gechlort, aber das sind die Ausnahmen bei uns.
Heise: Über die Qualität unseres Trinkwassers gibt Michael Angrick vom Umweltbundesamt Auskunft hier im Deutschlandradio Kultur. Herr Angrick, ein Problem ist ja, dass über Krankenhäuser, aber auch Privathaushalte oder Tiermastbetriebe Antibiotika ins Abwasser gelangen. Wenn die – diese Antibiotika – dann auf Erreger treffen, kann es zum Genaustausch kommen, und das heißt, die Erreger können eine Resistenz gegen Antibiotika entwickeln. Sind diese Erreger dann eigentlich vor dem Reinigungsverfahren im Klärwerk geschützt, das heißt, können die uns gefährlich werden?
Angrick: Da wo ein Genaustausch im Prinzip viel mehr stattfindet, ist in unserem Darm beispielsweise, weil dort ideale Bedingungen dafür herrschen. Das ist eigentlich im Klärwerk nicht der Fall. Von daher muss man sagen, ist das auch keine große Gefahr. Andererseits muss man natürlich sagen, gehören Antibiotika eigentlich auch nicht ins Abwasser, sie sollten halt im Prinzip vermieden werden, vorher abgeschieden werden. Da haben wir sicherlich noch Nachholbedarf.
Heise: In der Schweiz hat man die Klärwerke aufgerüstet, um den Arzneimitteleintrag einzudämmen. Muss man das hier nicht tun?
Angrick: Ja, wir überlegen, ob wir eine vierte Reinigungsstufe einführen sollten, die es an einigen Stellen, nebenbei bemerkt, schon gibt. Eine solche vierte Reinigungsstufe würde dann beispielsweise solche Pharmazeutika oder irgendwelche nachfolgenden Metaboliten durchaus eben auch abhalten, filtern, entfernen und damit die Abwasserbehandlung noch besser gestalten.
Heise: Kritiker sagen ja, das nimmt zu, die Verunreinigung durch Antibiotika oder Erreger. Stimmen Sie dem nicht zu?
Angrick: Es gibt sicherlich dadurch, dass immer mehr Antibiotika eingesetzt werden, auch einen größeren Anfall im Abwasser. Eine andere große Quelle – Sie hatten sie genannt – ist die Landwirtschaft. Und da muss man sich natürlich fragen, ob das unbedingt so sein muss.
Heise: Muss man sich das nur fragen, oder muss man da härter vorgehen?
Angrick: Man sollte versuchen, was dagegen zu unternehmen.
Heise: Und wer ist da gefordert?
Angrick: Ja, das ist jetzt sehr unterschiedlich. Wenn Sie die Landwirtschaft ansehen, dann müssen wir halt eben über das Lebensmittelrecht etwas tun. Bei den Abwasseranlagen, bei den Behandlungen könnten wir uns auch überlegen, zum Beispiel bei dem Krankenhaus selbst, also Krankenhausabwässer schon vorher einer Vorreinigung sozusagen unterziehen
Heise: ... dass die da so getrennt behandelt werden und nicht ins öffentliche Kanalsystem laufen?
Angrick: Genau, beziehungsweise schon in einer dann geklärten Weise sozusagen weiter behandelt werden. Das ist bisher noch nicht bei uns der Fall.
Heise: Wenn wir so Nachrichten hören, auf die ich vorhin Bezug genommen habe, wie aus Rosenheim oder eben wie aus Berlin-Spandau vor einiger Zeit – wenn da von verschmutztem Trinkwasser die Rede ist, dann hatte das mit dem starken Regenfall in manchen Fällen zu tun. Wenn nämlich danach die Rohre praktisch überschwemmt werden, was passiert denn da genau?
Angrick: Ja, Sie müssen sich vorstellen, wir haben eine sogenannte Mischkanalisation überwiegend in Deutschland. Das heißt, bei uns fließen die Abwässer aus den Haushalten, aus Gewerbebetrieben, aber auch halt eben Regenabwasser sozusagen in einen Kanal.
Und wenn es Starkregenereignisse sind, dann ist der Druck relativ hoch, das heißt, Sie haben eine schlechtere Reinigung in der Abwasserreinigung im Klärwerk, im schlimmsten Fall sogar praktisch einen Durchlauf des Wassers, ohne dass es wirklich gereinigt wird. Und dann haben Sie natürlich sowohl Schwebeteilchen, feste Partikel, aber eben auch irgendwelche Keime in erhöhter Zahl durchaus drin.
Heise: Eine andere Gefahrenquelle sind ja durchaus undichte Stellen im Kanalisationssystem – da geht das Wasser dann eben auch ungeklärt ins Grundwasser. Wird da eigentlich genug gegen unternommen?
Angrick: Es ist in der Tat so, dass die Kanalsysteme bei uns zum Teil sanierungsbedürftig sind. Die Kommunen tun sich da natürlich schwer, weil es eine immense Investitionsleistung darstellt und Kommunen sind ja nun mal bekanntlich nicht gerade so flüssig, wie man sich das vielleicht auch wünschen würde. Also, von daher ist sicherlich hier eine gewisse Zurückhaltung manchmal der Kommunen festzustellen.
Aber man muss sagen, es gibt eigentlich gar nicht so groß die Gefahr des in das Kanalsystem Hineinfiltrierens, sondern viel mehr der sogenannten Exfiltration. Das heißt, aus einem Kanalsystem tritt zum Teil Wasser aus, was dann in den Boden versickert und ins Grundwasser gelangen könnte.
Heise: Und was muss dagegen getan werden, oder wird da genug gegen getan?
Angrick: Na ja, wie gesagt, die Kanäle müssten an der Stelle saniert werden. Es gibt Sanierungsprogramme, die sind aber zum Teil sehr langfristig angelegt, und an den einen oder anderen Stellen müsste man wahrscheinlich etwas schneller sanieren.
Heise: Jetzt haben wir gerade in den letzten Wochen immer wieder auch Zeitungsartikel gelesen, die durchaus so klangen, als ob unser Trinkwasser eben nicht so gut wäre, wie immer die Rede davon ist. Was würden Sie denn abschließend sagen, wie gut ist unser Trinkwasser, die Qualität unseres Trinkwassers?
Angrick: Unser Trinkwasser hat eine sehr gute Qualität, es ist für uns eines der wichtigsten Nahrungsmittel, und darauf achten wir sehr, und ich denke, man kann ohne jede Besorgnis unser Wasser wirklich genießen.
Heise: Also, dann können wir es uns weiter schmecken lassen!
Angrick: Genau!
Heise: Michael Angrick vom Umweltbundesamt über die Qualität unseres Trinkwassers. Ich danke Ihnen recht herzlich!
Angrick: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Unser Trinkwasser stammt überwiegend aus dem Grundwasser, also aus versickertem Wasser, auch aus Wasser, welches nach der Reinigung durchs Klärwerk in der Natur weitergereinigt wird. Und mein Gesprächspartner ist im Umweltbundesamt unter anderem für die Abwasserwirtschaft und Wiederaufbereitung zuständig. Ich begrüße Doktor Michael Angrick. Schönen guten Tag, Herr Angrick!
Michael Angrick: Ja, guten Morgen
Heise: Nahezu perfekte Kläranlage kann – habe ich gelesen – 99 Prozent aller Erreger aus dem Wasser filtern, heißt es. Wie viele Kläranlagen gibt es denn in Deutschland, die diesen nahezu perfekten Standard haben?
Angrick: Na, wir haben etwa 10.000 Anlagen insgesamt in der Bundesrepublik Deutschland, und davon haben etwa 9.750, also rund 98 Prozent, die Möglichkeit, dies herauszufiltern.
Heise: Was heißt denn eigentlich, wenn eine Anlage 99 Prozent herausfiltert, dann bleiben ja immer noch eine ganze Menge Keime im Wasser, das sind so 1.000 bis eine Million Keime – das klingt wahnsinnig viel für den Laien. Ist das viel?
Angrick: Das ist jetzt schwierig zu beantworten: Ja, es ist viel. Damit hat das Wasser, in das das Klärwasser entlassen wird, zum Beispiel noch keine Badegewässerqualität. Aber es verdünnt sich natürlich dann, und normalerweise nehmen Sie ja auch aus dem Oberflächenwasser nicht sofort Trinkwasser ab. Insofern ist es ausreichend, wenn man es unter hygienischen Aspekten betrachtet.
Heise: Wäre es eigentlich sinnvoll, das Wasser hundertprozentig gefiltert wäre, also klinisch rein wäre, ist das überhaupt erstrebenswert?
Angrick: Wasser ist ja eins unserer wichtigsten Lebensmittel, und insofern sollte es so rein wie nur irgend möglich sein. Auf der anderen Seite: Ich denke, Sie haben auch so ein wenig im Hinterkopf destilliertes Wasser. Es ist natürlich so, dass Wasser durchaus Mineralien enthalten soll. Aber es sollte keine Keime enthalten. Also wir brauchen ein gutes, gesundes Lebensmittel, und das heißt, ein keimfreies Lebensmittel.
Heise: Aber durchaus eins, was unser Immunsystem auch immer wieder anregt?
Angrick: Ja, sicher!
Heise: Also, das heißt, wenn wir uns ganz und gar von Keimen fernhalten, dann können wir auf anderer Seite wieder überrascht werden?
Angrick: Das stimmt! Es ist auch so, dass sie halt sowieso auch mit anderen Lebensmitteln natürlich Keime zu sich nehmen, das muss auch so sein. Wir brauchen die auch für unsere Verdauung beispielsweise ganz schlicht. Aber unser Wasser sollte natürlich – unser Trinkwasser – einen sehr hohen Standard haben.
Heise: In vielen europäischen Staaten oder ja fast grundsätzlich im Rest der Welt wird ja gechlort. Ich hatte das vorhin schon mal erwähnt, dass man im Urlaub ja oft dann das Trinkwasser nicht trinkt, weil es so chlorig schmeckt, auch. Das wird aber gemacht, um das Trinkwasser eben sauber zu halten. Und von Ihrer Kollegin aus dem Bundesumweltamt Ingrid Chorus las ich neulich folgendes Zitat in der "Süddeutschen Zeitung": "In England und in den USA fragt man sich, wie wir Deutschen uns das trauen können, nicht zu chloren!" Wie können wir uns das den trauen, oder können wir es uns wirklich trauen?
Angrick: Definitiv ja. Wir können es uns trauen. Zunächst einmal ist es so, dass sie wissen müssen: Wir haben etwa 70 Prozent unseres Trinkwassers, bekommen wir aus dem Grundwasser. Und nur etwa 30 Prozent aus Oberflächengewässern. Davon geht wiederum das Meiste, was in den Oberflächengewässern ist, erst mal durch eine Uferfiltration oder durch eine andere natürliche Reinigung, sodass wir eigentlich erst mal schon eine sehr gute Wasserqualität per se haben. Das ist in anderen Ländern schon mal etwas anders. Zweitens ist es so, dass ...
Heise: Weil die ihr Wasser woanders her beziehen?
Angrick: Ja. Zweitens ist es so, dass wir eine sehr gute Überwachung haben. Große Wasserwerke machen mikrobiologische Proben, sodass wir genau wissen, wie gut die Güte jeweils ist. Drittens haben wir ein Wassernetz, ein Trinkwassernetz unter Druck. Das heißt, es kommen keine Keime, sozusagen, normalerweise von außen in das Netz hinein. Im Gegenteil, sie würden sozusagen eigentlich ferngehalten werden.
Das ist in anderen Ländern auch anders. Dort sind häufig Druckabfälle. Sie haben zum Ausgleich auf Dächern meinetwegen irgendwelche Tanks. Da kommen Tiere ran, da können Keime gebildet werden, insofern muss dort gechlort werden. Bei uns wird eigentlich nur dann gechlort, wenn wir Oberflächenwasser zum Beispiel aus Trinkwassertalsperren nehmen. Dann wird regelmäßig auch bei uns gechlort, oder in Ausnahmefällen.
Heise: Weil eben da beispielsweise Tiere oder anderes rankommen würde.
Angrick: Genau! Um das auszuschließen, würde dann gechlort, aber das sind die Ausnahmen bei uns.
Heise: Über die Qualität unseres Trinkwassers gibt Michael Angrick vom Umweltbundesamt Auskunft hier im Deutschlandradio Kultur. Herr Angrick, ein Problem ist ja, dass über Krankenhäuser, aber auch Privathaushalte oder Tiermastbetriebe Antibiotika ins Abwasser gelangen. Wenn die – diese Antibiotika – dann auf Erreger treffen, kann es zum Genaustausch kommen, und das heißt, die Erreger können eine Resistenz gegen Antibiotika entwickeln. Sind diese Erreger dann eigentlich vor dem Reinigungsverfahren im Klärwerk geschützt, das heißt, können die uns gefährlich werden?
Angrick: Da wo ein Genaustausch im Prinzip viel mehr stattfindet, ist in unserem Darm beispielsweise, weil dort ideale Bedingungen dafür herrschen. Das ist eigentlich im Klärwerk nicht der Fall. Von daher muss man sagen, ist das auch keine große Gefahr. Andererseits muss man natürlich sagen, gehören Antibiotika eigentlich auch nicht ins Abwasser, sie sollten halt im Prinzip vermieden werden, vorher abgeschieden werden. Da haben wir sicherlich noch Nachholbedarf.
Heise: In der Schweiz hat man die Klärwerke aufgerüstet, um den Arzneimitteleintrag einzudämmen. Muss man das hier nicht tun?
Angrick: Ja, wir überlegen, ob wir eine vierte Reinigungsstufe einführen sollten, die es an einigen Stellen, nebenbei bemerkt, schon gibt. Eine solche vierte Reinigungsstufe würde dann beispielsweise solche Pharmazeutika oder irgendwelche nachfolgenden Metaboliten durchaus eben auch abhalten, filtern, entfernen und damit die Abwasserbehandlung noch besser gestalten.
Heise: Kritiker sagen ja, das nimmt zu, die Verunreinigung durch Antibiotika oder Erreger. Stimmen Sie dem nicht zu?
Angrick: Es gibt sicherlich dadurch, dass immer mehr Antibiotika eingesetzt werden, auch einen größeren Anfall im Abwasser. Eine andere große Quelle – Sie hatten sie genannt – ist die Landwirtschaft. Und da muss man sich natürlich fragen, ob das unbedingt so sein muss.
Heise: Muss man sich das nur fragen, oder muss man da härter vorgehen?
Angrick: Man sollte versuchen, was dagegen zu unternehmen.
Heise: Und wer ist da gefordert?
Angrick: Ja, das ist jetzt sehr unterschiedlich. Wenn Sie die Landwirtschaft ansehen, dann müssen wir halt eben über das Lebensmittelrecht etwas tun. Bei den Abwasseranlagen, bei den Behandlungen könnten wir uns auch überlegen, zum Beispiel bei dem Krankenhaus selbst, also Krankenhausabwässer schon vorher einer Vorreinigung sozusagen unterziehen
Heise: ... dass die da so getrennt behandelt werden und nicht ins öffentliche Kanalsystem laufen?
Angrick: Genau, beziehungsweise schon in einer dann geklärten Weise sozusagen weiter behandelt werden. Das ist bisher noch nicht bei uns der Fall.
Heise: Wenn wir so Nachrichten hören, auf die ich vorhin Bezug genommen habe, wie aus Rosenheim oder eben wie aus Berlin-Spandau vor einiger Zeit – wenn da von verschmutztem Trinkwasser die Rede ist, dann hatte das mit dem starken Regenfall in manchen Fällen zu tun. Wenn nämlich danach die Rohre praktisch überschwemmt werden, was passiert denn da genau?
Angrick: Ja, Sie müssen sich vorstellen, wir haben eine sogenannte Mischkanalisation überwiegend in Deutschland. Das heißt, bei uns fließen die Abwässer aus den Haushalten, aus Gewerbebetrieben, aber auch halt eben Regenabwasser sozusagen in einen Kanal.
Und wenn es Starkregenereignisse sind, dann ist der Druck relativ hoch, das heißt, Sie haben eine schlechtere Reinigung in der Abwasserreinigung im Klärwerk, im schlimmsten Fall sogar praktisch einen Durchlauf des Wassers, ohne dass es wirklich gereinigt wird. Und dann haben Sie natürlich sowohl Schwebeteilchen, feste Partikel, aber eben auch irgendwelche Keime in erhöhter Zahl durchaus drin.
Heise: Eine andere Gefahrenquelle sind ja durchaus undichte Stellen im Kanalisationssystem – da geht das Wasser dann eben auch ungeklärt ins Grundwasser. Wird da eigentlich genug gegen unternommen?
Angrick: Es ist in der Tat so, dass die Kanalsysteme bei uns zum Teil sanierungsbedürftig sind. Die Kommunen tun sich da natürlich schwer, weil es eine immense Investitionsleistung darstellt und Kommunen sind ja nun mal bekanntlich nicht gerade so flüssig, wie man sich das vielleicht auch wünschen würde. Also, von daher ist sicherlich hier eine gewisse Zurückhaltung manchmal der Kommunen festzustellen.
Aber man muss sagen, es gibt eigentlich gar nicht so groß die Gefahr des in das Kanalsystem Hineinfiltrierens, sondern viel mehr der sogenannten Exfiltration. Das heißt, aus einem Kanalsystem tritt zum Teil Wasser aus, was dann in den Boden versickert und ins Grundwasser gelangen könnte.
Heise: Und was muss dagegen getan werden, oder wird da genug gegen getan?
Angrick: Na ja, wie gesagt, die Kanäle müssten an der Stelle saniert werden. Es gibt Sanierungsprogramme, die sind aber zum Teil sehr langfristig angelegt, und an den einen oder anderen Stellen müsste man wahrscheinlich etwas schneller sanieren.
Heise: Jetzt haben wir gerade in den letzten Wochen immer wieder auch Zeitungsartikel gelesen, die durchaus so klangen, als ob unser Trinkwasser eben nicht so gut wäre, wie immer die Rede davon ist. Was würden Sie denn abschließend sagen, wie gut ist unser Trinkwasser, die Qualität unseres Trinkwassers?
Angrick: Unser Trinkwasser hat eine sehr gute Qualität, es ist für uns eines der wichtigsten Nahrungsmittel, und darauf achten wir sehr, und ich denke, man kann ohne jede Besorgnis unser Wasser wirklich genießen.
Heise: Also, dann können wir es uns weiter schmecken lassen!
Angrick: Genau!
Heise: Michael Angrick vom Umweltbundesamt über die Qualität unseres Trinkwassers. Ich danke Ihnen recht herzlich!
Angrick: Sehr gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.