Umweltfreundliche Ausflugsschiffe

Elektrisch und sauber über die Havel

06:35 Minuten
Fahrgäste auf dem Oberdeck eines Ausflugsschiffes, unterwegs auf einem Fluss.
"So schön ruhig hier" - mögen die Fahrgäste auf der MS Schwielowsee denken. Das liegt am Hybridmotor des Ausflugsschiffes. © Deutschlandradio / Annika Jensen
Von Annika Jensen |
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Mit Dampferfahrt verbindet man tuckernde Schiffe mit stinkenden Motoren und viel Treibstoffverbrauch. Das Hybridschiff MS Schwielowsee in Potsdam beweist, dass das Fahrgastgeschäft auch elektrisch, sehr leise und umweltfreundlich funktionieren kann.
So hört es sich an, wenn die MS Schwielowsee an einem Tag im Juli im Hafen von Potsdam zum Anlegen manövriert: Laut ist die Stadt zu hören, doch kaum der Schiffsmotor.
Das liegt daran, dass das Fahrgastschiff MS Schwielowsee der Potsdamer Reederei Weiße Flotte ein Hybridschiff ist. Im Hafen und in Ufernähe fährt es ausschließlich elektrisch. Von eineinhalb Stunden Fahrt auf der "Schlösserrundfahrt" durch die Havel fährt es im Durchschnitt rund eine Stunde mit elektrischem Strom angetrieben.

Das Schiff läuft fehlerlos

Jan Lehmann, Geschäftsführer der "Weißen Flotte", erläutert: "Ziel war es, im Stadtgebiet von Potsdam keine Schadstoffe, Emissionen zu erzeugen. Deshalb haben wir uns die Batterien eingebaut. Und das funktioniert sehr gut mit der MS Schwielowsee." Seit 2019 hätte es nicht einen Fehltag mit dem Schiff gegeben – es lauft konstant sehr gut.
Im April 2019 wurde das 41 Meter lange Schiff in Dienst gestellt. Bis zu 250 Gäste können mitfahren. Es hat zwei Schrauben, die mit einem Elektromotor am Heck des Schiffes angetrieben werden. Den Strom bekommt der Motor entweder von einem großen Batteriepack mit einer Kapazität von 100 Kilowattstunden oder von zwei Dieselgeneratoren, einem großen und einem kleinen, mit einer Gesamtleistung von 400 PS.
Die MS "Schwielowsee", das neue Hybridschiff der Schifffahrt Potsdam, fährt vom Hafen aus zu seiner Jungfernfahrt. 
Das Hybridschiff MS Schwielowsee ist erst das zweite seiner Art in Deutschland.© picture alliance / dpa / Paul Zinken
"Wir versuchen, so effizient wie möglich mit dem Batteriemanagement umzugehen", betont Lehmann. "Das heißt, wird etwas weniger Batteriestrom gebraucht, wird auch der kleine Generator nur benutzt. Brauchen wir mehr Strom, weil vielleicht die Küche eine große Essenslieferung von 50 Leuten à la carte bekommt, dann müssen wir auch den großen Generator zuschalten, um die Batterie zu laden, aber auch, um die Küche zu versorgen. Das ist sozusagen ein intelligentes System."

Die Schiffsschraube bekommt, was übrig bleibt

Geladen werden die Batterien also entweder vor der Fahrt mittels Kabel vom Land oder während der Fahrt, indem Schiffskapitän Marco Fedler die Diesel-Generatoren dazuschaltet. Seit 30 Jahren ist der 54-Jährige Spreewälder Kapitän bei der "Weißen Flotte". Und seit April 2019 steuert er die MS Schwielowsee.
"Bei den Elektromotoren kommt nur noch der Strom an, den alle anderen Stromverbraucher übriglassen", sagt er. In erster Linie verbrauchten Herd und andere Küchengeräte sowie die Klimaanlage den Strom aus den Batterien.
"Was hinten übrig ist, das geht an die Schiffsschraube. Dann muss du mal gucken: Wie viel habe ich jetzt gerade, wie viel PS? Und dann muss man das selber einschätzen und da muss man halt vorsichtig fahren. Also langsam. Man kann mit Batterie nicht so fahren wie mit Diesel, das ist klar."
Dennoch habe er nicht gedacht, dass er mit 75 PS das Schiff relativ gut fahren könne, so Fedler. "Man muss wissen, was man tut. Viel weiter voraus denken, weil man viel länger braucht für Geschichten. Aber wenn man die gewisse Erfahrung hat, ist man ein halbes Jahr gefahren damit, dann ist das cool, im Hafen zu fahren ohne Geräusche."

Touchpad statt Zündschlüssel

Eine Umstellung für ihn sei vor allem die moderne Ausstattung des Schiffes gewesen, erzählt er. Zum einen müsse er über Spiegel außen am Steuerhaus manövieren. "Das Zweite ist, dass ich auf dem Schiff vorher einen Zündschlüssel hatte und hier starte ich über ein Touchpad." Das ganze Motormanagement – alles Technische – werde über das Touchpad gesteuert.
Sein Job ist fast einmalig in Deutschland. Die Schwielowsee ist das zweite Hybridschiff, das in Deutschland in Dienst gestellt wurde, bestätigt der Bundesverband der Deutschen Binnenschifffahrt. 2018 war bereits die St. Nikolaus auf dem Rursee in der Eifel gestartet.
Auch dieses Hybridschiff fasst bis zu 250 Personen. Seine Batterien haben eine Gesamtleistung von 570 Kilowattstunden. Dass beide Hybrid-Schiffe auf Seen fahren, ist kein Zufall. Die Kraft der elektrischen Schiffsantriebe ist noch nicht groß genug für fließende Gewässer, sagt Achim Schloemer, Vizepräsident des Bundesverbandes.

Auch der Güterverkehr könnte elektrisch werden

Insgesamt gebe es allerdings mehrere Projekte verschiedener Reedereien in Deutschland, die Mut für die Zukunft geben. Wie etwa die Elektra, ein demnächst in Berlin zum Einsatz kommendes Güterschiff, das ausschließlich mit Wasserstoff angetrieben wird.
Auch die Bundesregierung unterstütze, so Schloemer. Am 1. Juli 2021 trat die Förderrichtlinie "Nachhaltige Modernisierung von Binnenschiffen" in Kraft. Sie fördert technologieoffen Schiffsneubauten in der Güterschifffahrt und in der Fahrgastschifffahrt. Das heißt, förderfähig sind Motoren, die mit den Kraftstoffen Methanol, Ethanol, Ammoniak, Wasserstoff oder strombasierten Kraftstoffen betrieben werden.
Das Programm läuft bis Ende 2023 und hat ein Fördervolumen von 131 Millionen Euro. Das reicht nicht, findet der Bundesverband der Deutschen Binnenschiffahrt. Zum Vergleich: Allein der Bau der MS Schwielowsee hat 2,4 Millionen Euro gekostet.

Gäste genießen die dieselfreie Fahrt

Dass es sich durchaus lohnt, mehr zu investieren und noch mehr Reedereien zum Umrüsten zu animieren, davon sind alle Beteiligten überzeugt. Und auch die Fahrgäste auf der MS Schwielowsee genießen es, mal ohne Dieselmotoren unterwegs zu sein. So auch Ralf Hardorp aus Dithmarschen in Schleswig-Holstein. Er macht gemeinsam mit seiner Frau Martina eine Woche Urlaub in der Potsdamer Region.
"Ich find das schon gut, dass das elektrisch angetrieben wird, gerade auch jetzt in Hinsicht auf den ganzen Klimawandel. Und man muss auch schon irgendwo einen Beitrag leisten, und ich finde, das ist schon ein Beitrag in Richtung Umweltbewusstsein."
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