Hendricks: Keine zusätzlichen Vorschriften für die Industrie
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks hat sich für ein stärkeres Bewusstsein bei der Schonung von Ressourcen ausgesprochen. Bei der Entwicklung neuer Technologien und Produkte müssten immer auch die Auswirkungen auf die Ressourcen berücksichtigt werden.
Dieter Kassel: Wasser, Sand, Kalk, Eisen, Öl, Gas, Diesel und viele andere Rohstoffe sind auf der Welt nicht unbegrenzt vorhanden und nicht vermehrbar. Der renommierte Umweltschützer Friedrich Schmidt-Bleek kritisiert deshalb den Umgang mit unseren Ressourcen weltweit, aber auch in Deutschland, und fordert in seinem Buch "Grüne Lügen" ein Umdenken.
Wir nehmen das hier im Deutschlandradio Kultur zum Anlass, um mehrere Gespräche zu diesem Thema zu führen, dem Thema Ressourcen, auch in Deutschland, und wir wollen heute mit der Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau- und Reaktorsicherheit sprechen, der SPD-Politikerin Barbara Hendricks.
Schönen guten Tag, Frau Hendricks!
Barbara Hendricks: Guten Tag!
Kassel: "Grüne Lügen" ist ein sehr provokanter Titel, aber ganz sachlich ist damit ja unter anderem Folgendes gemeint: Moderne, den Ausstoß von Kohlendioxid mindernde Technik, die ist oft besonders ressourcenintensiv - muss man diesen Aspekt bei der Energiewende nicht besonders berücksichtigen?
Umweltprogramm mit der Perspektive 2030
Hendricks: Ja, richtig ist schon, dass man bei der Entwicklung neuer Technologien und Produkte deren Auswirkungen natürlich auf alle Ressourcen und über den ganzen Lebensweg auch berücksichtigen muss. Und die Energieträger sind ja Bestandteil der natürlichen Ressourcen. Und diese effizienter zu nutzen und statt fossiler Energieträger auch erneuerbare zu verwenden, halte ich für einen richtigen und wichtigen Ansatz der Ressourcenschonung.
Die Energiewende ist also auch in diesem Sinn durchaus wichtig, und die ganzheitliche Betrachtungsweise ist im Übrigen ja auch das zentrale Motiv des deutschen Ressourceneffizienzprogramms. Und zudem erarbeiten wir gemäß des Koalitionsvertrags auch ein integriertes Umweltprogramm mit der Perspektive 2030 und wollen eben auf diese Weise auch langfristige Schwerpunkte formulieren.
Ja, das muss man immer beachten, die Lebensweise des Produkts, das ist also die Dauer von der Herstellung bis zur Verwendung, das ist ein ganz wichtiger Punkt auch bezogen auf die Energiewende.
Kassel: Aber wenn man es auch auf Verbraucher bezieht, dann habe ich manchmal das Gefühl, es ist doch alles extrem schwer zu vermitteln. Wenn man zum Beispiel einem Verbraucher sagt, mit einer bestimmten Technik sparst du zwar unglaublich viel Energie, aber du kaufst dir erst mal etwas, womit du dich schuldig machst, was Ressourcenverschwendung angeht. Das traut man sich doch kaum zu sagen, weil man einen Verbraucher damit doch nur verwirren kann.
Keine Vorschriften machen
Hendricks: Ja, das ist ja auch schwierig als Kaufentscheidung. Das ist nicht zu bestreiten. Und es gibt natürlich auch Zielkonflikte, die einfach nicht miteinander auszugleichen sind. Auch unter Umweltgesichtspunkten gibt es Zielkonflikte, die man nicht miteinander ausgleichen kann. Und das muss natürlich im Einzelfall abgewogen werden. Das ist nicht die Hauptverantwortung des jeweiligen Verbrauchers, in der Tat, das ist für einen normalen Konsumenten gar nicht so einfach, und man darf ihm natürlich auch keine Vorschriften machen, aber wichtig ist, dass wir transparent machen, wie eben Kaufentscheidungen auch fällen können und was man beachtet, wenn man etwas erwirbt.
Also, wenn man zum Beispiel ein verbrauchsarmes Tablet sich zulegt, also energieverbrauchsarmes Tablet, was aber gleichzeitig in der Produktion unglaublich viele Ressourcen verbraucht, dann ist das ein Abwägungsprozess, ja.
Kassel: Es ist natürlich etwas, was der Verbraucher nur zum Teil selber mitbestimmen kann. Das ist natürlich, der Ressourcenverbrauch, auch eine Frage der industriellen Herstellung, und da stellt sich wie immer in der Politik die Frage: Appellieren oder Vorschreiben?
Hendricks: Nun, die industrielle Herstellung wird ja gewöhnlich schon so gemacht, dass Ressourcen geschont werden. Es liegt ja im Interesse derjenigen, die eine industrielle Produktion vornehmen, sowohl energieeffizient als auch ressourcenschonend zu arbeiten, weil beides, würde man es nicht tun, unnötige Kosten verursachen würde. Insofern ist es, glaube ich, nicht so entscheidend, ob man industrielle Produktionsweisen beeinflusst, obwohl wir natürlich im Bereich zum Beispiel Gebäude und so durchaus auch Energieeffizienzvorschriften machen.
Aber für die Produktionsweise kann man sich im Prinzip darauf verlassen, dass das schon abgewogen wird, dass man sowohl energieeffizient als auch ressourcenschonend arbeitet, denn, wie gesagt, Kostenvermeidung für die Herstellung eines Produktes liegt im ureigenen Interesse der Produzenten.
Kassel: Das gilt sicherlich für Ressourcen wie bestimmte Edelmetalle, es gilt natürlich auch für den Verbrauch von Strom, Gas, Öl - aber es gibt ja so viele Dinge, von denen wir kaum erahnen, dass sie langsam knapp werden auf der Welt - Sand habe ich als Beispiel genannt. Aber es gibt noch viele andere. Es gibt ja Ressourcen, die sind knapp, aber deshalb bei uns in Europa trotzdem noch nicht unbedingt teuer.
Knapper werdende Rohstoffe
Hendricks: Das stimmt. Sand wird langsam knapp, davon ist die Rede, und es ist auch bis jetzt noch verhältnismäßig preiswert, zum Beispiel Phosphat einzusetzen. Phosphat ist ja eigentlich der Grundstoff für fast alle landwirtschaftlichen Dünger. Phosphat wird knapp, das wissen wir, und deswegen sind wir auch dabei, Recyclingmethoden für Phosphat voranzutreiben. Das ist natürlich auch wieder umweltschonend, das ist ja wichtig. Und wir sind natürlich in der Lage, auch technologische Fortschritte zu machen im Hinblick auf knapper werdende Rohstoffe.
Das Beispiel Phosphat steht gerade dafür: Man kann zum Beispiel mit neuen Technologien in Kläranlagen Phosphat zurückgewinnen und tut damit der Umwelt auch zugleich noch was Gutes, weil das Phosphat dann sich nicht sozusagen über das Wasser in Flüsse begibt, wo es gar nicht reingehört und wo es auch keinen Zweck erfüllt.
Kassel: Wir haben ja gestern mit Bärbel Höhn von den Grünen über dieses Thema gesprochen, und ich habe sie, ehrlich gesagt, am Schluss gefragt, ob ich irgendwas von ihr ausrichten soll, wenn ich mit Ihnen spreche. Und da hat sie, und ich glaube, das war ohne jede Ironie, gesagt: Wünschen Sie Barbara Hendricks Kraft, denn es kostet Kraft, das Thema Ressourcenschonung in der Politik wirklich unterzubringen. Ist das wahr? Haben Sie diesen Eindruck?
Herausforderungen im Sinne der globalen Gerechtigkeit
Hendricks: Ja, da hat natürlich Frau Höhn recht. Und wir kennen uns seit vielen Jahren, und wir schätzen uns auch. Also das ist schon so, natürlich. Sie gehört der grünen Partei an und ich der SPD, aber wir schätzen uns und kennen uns seit vielen Jahren, und, ja, für Umweltpolitik, das weiß Frau Höhn mindestens so gut wie ich, braucht man einen langen Atem und man braucht auch Kraft, und gerade das Thema Ressourcenschonung müssen wir natürlich in einem nationalen Aspekt betrachten, aber nicht zuletzt auch in einem internationalen Aspekt, denn wir sind ja zurzeit, wir Industrieländer sind ja dabei, in überproportionalem Maße Ressourcen zu verbrauchen und letztlich auch nicht Rücksicht zu nehmen auf die Generationen, die nach uns kommen, und auch nicht Rücksicht zu nehmen auf die Länder, deren Entwicklung sozusagen nach uns etwas zeitverzögert einsetzt. Das gibt große Herausforderungen auch im Sinne der globalen Gerechtigkeit, und dafür braucht man immer Kraft.
Kassel: Umweltexperte Friedrich Schmitt-Bleek, dessen Buch ich ja mehrfach erwähnt habe, der wünscht sich eine Erhöhung der Materialeffizienz um den Faktor zehn in relativ absehbarer Zeit. Halten Sie so was für realistisch?
Hendricks: Es ist wahrscheinlich sehr hoch gegriffen, um den Faktor zehn die Materialeffizienz in absehbarer Zeit steigern zu können. Gleichwohl kann ich unter wissenschaftlichen Aspekten gut verstehen, dass Schmidt-Bleek dies fordert. Das ist politisch nicht so leicht, und auch ökonomisch nicht so leicht durchsetzungsfähig, aber die Zielvorgabe halte ich für richtig.
Kassel: Die Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im Gespräch hier im Deutschlandradio Kultur im Rahmen unserer Reihe Ressourcenschutz. Frau Hendricks, ich danke Ihnen sehr für das Gespräch!
Hendricks: Gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.