Friedrich Schmidt-Bleek: Grüne Lügen
Ludwig Verlag, München 2014
302 Seiten, 19.99 Euro
Neue Wege der Nachhaltigkeit
Friedrich Schmidt-Bleek plädiert in seinem neuen Buch für ein Umdenken im Umgang mit unseren Ressourcen. Der Autor fordert die Verminderung des Einsatzes von Rohstoffen, von Wasser und Boden um den Faktor zehn.
Das neue Smartphone wiegt nur 100 Gramm. Eigentlich müssten es 70 Kilogramm sein, denn die Herstellung des Smartphones verschlingt in diesem Umfang Rohstoffe. Dass dieser unverhältnismäßige Ressourcenverbrauch bislang in den Überlegungen von Politik und Wirtschaft kaum eine Rolle spielt, beklagt jetzt der Chemiker Friedrich Schmidt-Bleek in seinem neuen Buch "Grüne Lügen".
Schmidt-Bleek hat das Konzept des "ökologischen Rucksacks" entwickelt. Es basiert auf der Maßeinheit MIPS - Material Input pro Serviceeinheit. Im Schnitt, so haben er und seine Mitarbeiter vom Wuppertal-Institut für Klima, Umwelt, Energie errechnet, stecken in jedem Kilogramm häuslicher Technik rund 30 Kilogramm Ressourcen. So verschlingt ein Hybridauto doppelt so viel Ressourcen wie ein normales Auto. Die erreichte CO2-Einsparung macht die Ressourcenverschleuderung jedoch nicht wett.
Produkte müssen "dematerialisiert" werden
Über den ökologischen Rucksack von E-Mobil, Photovoltaik oder Offshore-Windräder haben die Befürworter der Energiewende bislang nicht nachgedacht - für Friedrich Schmidt-Bleek ein eklatantes Versäumnis, das er als "Grüne Lügen" brandmarkt. Die Fixierung auf das Kohlendioxid, so der Autor, verhindere gar einen nachhaltigen Naturverbrauch. Schmidt-Bleek fordert denn auch eine Ressourcenwende - die Verminderung des Einsatzes von Rohstoffen, von Wasser und Boden um den Faktor zehn. Er fordert: Alle Produkte müssen "dematerialisiert" werden. Als Beispiel nennt der Wissenschaftler ein Motorradschloss. Statt mit einer zehn Kilogramm schweren Sicherungskette könne man einen Diebstahl durch eine kleine Klemme in der Scheibenbremse verhindern. Sie wiegt weniger als ein Kilogramm.
Friedrich Schmidt-Bleek schreibt gut verständlich, seine Argumente sind überzeugend, seine Beispiele einleuchtend und konstruktiv. Ihm ist klar, dass Unternehmen und Techniker sich keine besondere Mühe geben werden, den Ressourcenverbrauch zu minimieren, solange der Verbrauch von Natur nichts kostet. Deshalb plädiert er für ein grundsätzliches Umdenken: Wer private Mobilität will, könne ein Auto leasen, mit anderen teilen, es ausleihen. Die einfachste Variante aber, Ressourcen einzusparen, sei eine deutlich verlängerte Lebensdauer der Produkte, so der Autor.
Ressourcen besteuern
Hält ein Automotor über eine Million Kilometer statt nur über zweihunderttausend, verbraucht er viermal weniger Ressourcen. Zwar benötige man nun reparaturfreundlichere Produkte, auch koste verminderte Produktion Arbeitsplätze, aber die bei Service und Reparatur neu geschaffen wären zahlreicher. Zudem, schlägt der Autor vor, sollten Ressourcen besteuert und die Arbeitslohnkosten gesenkt werden.
Es sieht derzeit nicht so aus, als ob die gut begründeten Vorschläge des Umweltexperten von Wirtschaft und Politik ernst genommen werden.
Schade, denn sie verdienen wirklich das Label Nachhaltigkeit.