Umweltschutz ohne Verzicht
Kleidung aus Abfall, Designer-Möbel aus Sperrmüll: Beim "Upcycling" werden recycelte Materialien aufgewertet. Die Erfinder der Idee spinnen den Ansatz in einem neuen Buch weiter. Ihre Vision: Umweltschutz muss nicht Verzicht bedeuten sondern kann ein Leben im Überfluss bescheren.
Für den Optimisten ist das Glas halb voll, für den Pessimisten bekanntlich halb leer. Doch vielleicht haben sie beide unrecht? Denn wechselt man die Perspektive, zeigt sich das Glas stets gut gefüllt - zum Beispiel mit kostbarer Luft.
Das schöne Bonmot hat niemand Geringeres als Bill Clinton in das Vorwort des neuen Buches "Intelligente Verschwendung" geschrieben. Dessen Autoren Michael Braungart und William McDonough stehen für den Wechsel der Perspektive. Schon vor einigen Jahren machten die beiden mit der Idee einer Warenproduktion von "Wiege zu Wiege" auf sich aufmerksam, auf Englisch Cradle to Cradle, kurz C2C. Tatkräftig etablierten sie ein Zertifikat für Produkte, deren Ausgangsmaterialien sich mühelos und auf hohem Niveau immer wieder verwenden lassen, ohne Müll hervorzubringen.
In ihrem neuen Buch lassen die Autoren den Erfolg der Idee Revue passieren und spinnen ihre Utopien fort. Viele Unternehmen weltweit bis hin nach China, wenn auch längst nicht genug, fertigen nach dem Prinzip Cradle to Cradle. Das große Vorbild dabei ist Mutter Natur: Verschwenderisch geht sie mit ihren Ressourcen um und arbeitet gleichzeitig hoch effizient. Abfälle? Gibt es nicht. Die Ausscheidungen des einen Organismus dienen dem anderen als hoch geschätzte Werk- und Nährstoffe. Darum reichert sich auch keine Substanz jemals in toxischen Dimensionen an.
Was die Biosphäre vormacht - das "Upcyclen" von Materialien - kann der Mensch auch in der Technosphäre umsetzen, erklären die Autoren. Ein Beispiel: Ein normaler Fernseher wird aus über 4.000 ineinander verschmolzenen Materialien gefertigt. Nach seinem Fernseherleben ist das ein Haufen Schrott. Dass es besser geht, zeigte die Firma Philips im Jahr 2010 und stellte den komplett zerlegbaren, so gut wie giftfreien Fernseher "Econova" vor.
Ökologischer Fußabdruck, Ökobilanzen - selbstverständlich kursieren in der Umweltdebatte verwandte Ideen. Ungewohnt und neu aber ist der erfrischende Wille zum positiven Denken, mit dem Michael Braungart und William McDonough ihre Stimme erheben. Ein schönes Design, rufen die Autoren leidenschaftlich, bedenke immer auch die ethischen Dimensionen eines Produktes mit. Umweltschutz solle sich nicht länger lustfeindlich mit Verzicht und Vermeidung befassen. Wer sich in der Matrix von Cradle to Cradle bewege, erlebe einen permanenten Überfluss der Materialien. Unternehmen und Behörden könnten, anstatt auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu starren, zuerst ihre positiven Werte und ihre Lust auf Engagement an die Öffentlichkeit tragen. Das schaffe Synergieeffekte, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, spendable Investoren und Börsianer.
Leider präsentieren die Autoren ihre Überlegungen ohne jede sinnvolle Gliederung als zügelloses Textkonvolut. Dieser Mangel fällt umso schmerzhafter ins Gewicht, als man gleichermaßen leidenschaftliche wie klug durchdachte Utopien, wie die von Michael Braungart und William McDonough, nicht an jeder Straßenecke findet.
Besprochen von Susanne Billig
Das schöne Bonmot hat niemand Geringeres als Bill Clinton in das Vorwort des neuen Buches "Intelligente Verschwendung" geschrieben. Dessen Autoren Michael Braungart und William McDonough stehen für den Wechsel der Perspektive. Schon vor einigen Jahren machten die beiden mit der Idee einer Warenproduktion von "Wiege zu Wiege" auf sich aufmerksam, auf Englisch Cradle to Cradle, kurz C2C. Tatkräftig etablierten sie ein Zertifikat für Produkte, deren Ausgangsmaterialien sich mühelos und auf hohem Niveau immer wieder verwenden lassen, ohne Müll hervorzubringen.
In ihrem neuen Buch lassen die Autoren den Erfolg der Idee Revue passieren und spinnen ihre Utopien fort. Viele Unternehmen weltweit bis hin nach China, wenn auch längst nicht genug, fertigen nach dem Prinzip Cradle to Cradle. Das große Vorbild dabei ist Mutter Natur: Verschwenderisch geht sie mit ihren Ressourcen um und arbeitet gleichzeitig hoch effizient. Abfälle? Gibt es nicht. Die Ausscheidungen des einen Organismus dienen dem anderen als hoch geschätzte Werk- und Nährstoffe. Darum reichert sich auch keine Substanz jemals in toxischen Dimensionen an.
Was die Biosphäre vormacht - das "Upcyclen" von Materialien - kann der Mensch auch in der Technosphäre umsetzen, erklären die Autoren. Ein Beispiel: Ein normaler Fernseher wird aus über 4.000 ineinander verschmolzenen Materialien gefertigt. Nach seinem Fernseherleben ist das ein Haufen Schrott. Dass es besser geht, zeigte die Firma Philips im Jahr 2010 und stellte den komplett zerlegbaren, so gut wie giftfreien Fernseher "Econova" vor.
Ökologischer Fußabdruck, Ökobilanzen - selbstverständlich kursieren in der Umweltdebatte verwandte Ideen. Ungewohnt und neu aber ist der erfrischende Wille zum positiven Denken, mit dem Michael Braungart und William McDonough ihre Stimme erheben. Ein schönes Design, rufen die Autoren leidenschaftlich, bedenke immer auch die ethischen Dimensionen eines Produktes mit. Umweltschutz solle sich nicht länger lustfeindlich mit Verzicht und Vermeidung befassen. Wer sich in der Matrix von Cradle to Cradle bewege, erlebe einen permanenten Überfluss der Materialien. Unternehmen und Behörden könnten, anstatt auf Effizienz und Wirtschaftlichkeit zu starren, zuerst ihre positiven Werte und ihre Lust auf Engagement an die Öffentlichkeit tragen. Das schaffe Synergieeffekte, motivierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, spendable Investoren und Börsianer.
Leider präsentieren die Autoren ihre Überlegungen ohne jede sinnvolle Gliederung als zügelloses Textkonvolut. Dieser Mangel fällt umso schmerzhafter ins Gewicht, als man gleichermaßen leidenschaftliche wie klug durchdachte Utopien, wie die von Michael Braungart und William McDonough, nicht an jeder Straßenecke findet.
Besprochen von Susanne Billig
Michael Braungart und William McDonough: Intelligente Verschwendung. The Upcycle: Auf dem Weg in eine neue Überflussgesellschaft
Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel und Thomas Pampuch
oekom verlag, München 2013
208 Seiten, 17,95 Euro
Aus dem Amerikanischen von Gabriele Gockel und Thomas Pampuch
oekom verlag, München 2013
208 Seiten, 17,95 Euro