Plastikfischen in Amsterdam
In Amsterdams weltberühmten Grachten schwimmen unzählige Flaschen, Tüten und Verpackungen. Doch inzwischen gibt es ein junges Unternehmen, das gegen den Plastikmüll etwas unternimmt – mit Bootstouren, auf denen man selbst Hand anlegen kann.
Mit einem großen Schritt steigt ein Besucher nach dem anderen über die Reling. Sachte schaukelt das kleine Boot dabei in der Nachmittagssonne – und für einen Moment sieht es aus, als ob hier gleich eine malerische Tour durch Amsterdams Grachten beginnt.
Doch dann tritt Marius Smit an den Steg, lächelt – und wirft noch einige Kescher und einen Sack voller Gummihandschuhe ins Boot. Grachten bewundern? Von wegen. Putzen ist angesagt!
"Die Stadtreinigung hier tut natürlich ihr Bestes. Aber wir haben hunderte Kilometer Wasserwege in Amsterdam und das können die von der Stadt einfach nicht schaffen. Ich will nicht deren Job machen - ich biete den Bürgern nur an, die Stadt bei der Säuberung der Grachten zu unterstützen."
Marius wirft den Motor an und steuert das Boot langsam auf einen der Kanäle. Seit vier schippert der Niederländer gebuchte Gruppen durch Amsterdam und fischt mit ihnen zusammen Plastikmüll aus dem Wasser – Verpackungen, Tüten und Flaschen.
"Aus der Ferne betrachtet sehen die Grachten ja recht sauber aus – aber wenn man genau hinschaut, sieht man, dass da jede Menge Plastik drin herumschwimmt."
In Mauernischen oder Ecken bündelt sich der Abfall oft zu schwimmenden Müllnestern zusammen. An genau die will Marius mit seiner Truppe ran.
"Es macht Spaß und wir tun etwas für die Umwelt"
Die sieben Plastikfischer werfen sofort ihre Kescher ins Wasser und angeln, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. In Wahrheit ist die Gruppe eine Abteilung auf Betriebsausflug. Plastikfischen in den Grachten – das hielten die Kollegen für eine gute Idee.
"Ein tolle Sache, es macht Spaß und wir tun dabei etwas für die Umwelt."
"Wenn jeder nur ein bisschen mithilft und etwas Plastik wegräumt, dann hilft das bereits. Und ich tue hier mein Bisschen."
Vorsichtig navigiert Marius das Boot weiter. Letztes Jahr hat er mit seinen Helfern 11.000 Plastikflaschen aus den Grachten geholt. Die hat er nicht etwa entsorgt, sondern – mit Unterstützung von Fachleuten – weiter verwertet.
"Wir fischen das Plastik aus den Kanälen und lassen aus dem Kunststoff Boote herstellen. Wir wollen aus dem, was andere wegschmeißen, etwas erschaffen und damit zeigen: Das ist kein Müll, sondern Rohmaterial! Wenn die Leute das begreifen, werden sie auch anders damit umgehen."
Kein Ökofreak, sondern ein Macher
Wer dem smarten Niederländer mit dem Vollbart eine Weile zuhört, der erkennt schnell: Hier ist kein Ökofreak am Werk, sondern ein Macher. Über die sozialen Netzwerke hat er seine Idee verbreitet – die Unterstützung ist riesig. Weil er aus dem gesammelten Müll neue Produkte herstellen will, hat er außerdem ein Unternehmen gegründet.
Im Boot hat sich endgültig Goldgräberstimmung breit gemacht. Bewaffnet mit ihren Keschern lehnen sich die Insassen bisweilen riskant weit ins Wasser, um an ein Stück Plastik zu kommen. Wem etwas ins Netz geht, der wird ausgiebig bejubelt.
Stolz hält eine Dame in Jeans eine zerbeulte Sirupflasche in die Höhe - die danach in einen großen blauen Abfallsack wandert. Auch ihr Mitfischer nebenan hat auch ein schon wieder eine Flasche rausgefischt.
"Das hier ist auch eine Art Bewusstseinstraining für die Bürger von Amsterdam!"
Skateboards aus Plastikmüll
"Unsere Stadt ist berühmt für ihre schönen Grachten – hoffentlich macht das hier allen bewusst, dass man sie sauber halten muss!"
Als Marius seinen Putztrupp zwei Stunden später am Steg absetzt, blickt er in sieben hochzufriedene Gesichter. Und auf fünf prall gefüllte Säcke mit Plastikmüll.
"Wenn man die Leute einbezieht, dann vergessen sie das auch nicht so schnell. Es gibt ihnen ein gutes Gefühl. Genau das will ich: dass sie sich gut fühlen, weil sie etwas Sinvolles gemacht haben. Hier können sie teilnehmen - denn Menschen wollen teilnehmen."
Den eingetüteten Abfall bringt Marius nach der Tour zu einem Lagerhaus. Was daraus werden soll, weiß er auch schon. Aus dem Plastik aus Amsterdams Grachten will er neben Booten künftig auch Skateboards herstellen lassen.