"Der Aufwand ist gerechtfertigt, die Ergebnisse sind zu klein"
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In Madrid findet seit zwei Wochen der Klimagipfel statt. Ein wegweisendes Ergebnis wird ausbleiben, glaubt unser Korrespondent Georg Ehring. Zumindest aber lenke der Gipfel die Aufmerksamkeit der Welt verstärkt auf die Klima-Thematik.
Dieter Kassel: Es ist noch nicht vorbei mit dem Klimagipfel in Madrid. Heute, vielleicht sogar noch morgen wird man noch brauchen, um irgendein Endergebnis zu schaffen. Es geht im Streit im Moment noch – im Disput – um die CO2-Verschmutzungsrechte, es geht um Zahlungen an Entwicklungs- und Schwellenländer aus den reichen Ländern, aber klar ist: Ein tolles Ergebnis wird voraussichtlich nicht mehr rauskommen, bei diesem Riesengipfel. Wir wollen deshalb mit Georg Ehring, der in den letzten zwei Wochen aus Madrid für uns berichtet hat, darüber reden, ob so ein Ergebnis wirklich diesen Aufwand rechtfertigt.
Spüren Sie eigentlich bei den teilnehmenden Politikern eine gewisse Scham, weil trotz des Protests von Fridays for Future und anderer Organisationen wieder so wenig erreicht wird?
Georg Ehring: Ja, gerade bei den Vertretern aus Entwicklungsländern und auch bei der Europäischen Union ist schon der Frust vorhanden, dass einige Länder nicht bereit sind, zum Beispiel einen klaren Aufruf zu starten, die Klimaziele zu erhöhen – das ist ja das große Thema im nächsten Jahr, wo man dann turnusgemäß über die Klimaziele reden will. Da gibt es Widerstand angesichts der Lage, wie die Wissenschaft auch die Verschlimmerung der Klimakrise beurteilt, da ist schon einiges an Frust zu spüren.
2020 müssen Klimaziele aktualisiert werden
Kassel: Aber wenn Sie auch wieder sagen, turnusmäßig nächstes Jahr Klimaziele erreichen, Klimaziele verschärfen, das klingt ja wirklich so, wie Svenja Schulze, Bundesumweltministerin, es gesagt hat, also ob jeder Gipfel im Wesentlichen schon ein Erfolg ist, wenn er nur den nächsten ordentlich vorbereitet. Das ist eigentlich ein bisschen wenig, oder?
Ehring: Ja, aber so ist es auch nicht. Nehmen wir zum Beispiel die Aktualisierung im nächsten Jahr. Im Jahr 2015 hat man das Pariser Abkommen beschlossen, und da gab es im Vorfeld oder während dieser Debatte über das Pariser Abkommen die Frage, wie oft sollen die Klimaziele aktualisiert werden, weil ganz klar ist, dass die aktuellen Ziele nicht reichen, um die Erderwärmung deutlich unter zwei Grad zu halten. Und da gab es die Optionen, alle zehn Jahre oder alle fünf Jahre. Erfreulicher hat sich alle fünf Jahre durchgesetzt, weil das mehr Ehrgeiz ermöglicht, und diese fünf Jahre, die sind nächstes Jahr rum. Das heißt, dann ist eine turnusgemäße Aktualisierung, die auch mit einem großen Aufwand verbunden ist, weil es ja in allen Ländern durch die Parlamente oder durch die sonstigen Institutionen gehen muss, genau vorbereitet werden muss. Das ist auch die Funktion eines Aufrufs hier, dass alle Länder dann wissen: Andere Länder meinen es auch ernst, also muss ich auch was vorlegen. Die Europäische Union hat jetzt ihren Green Deal vorgestellt, und das ist auch so eine Art Aufschlag, der zu einer Zeit kommt, wo andere dann darauf reagieren können, die es leider bisher noch nicht getan haben.
Kassel: Sie haben jetzt seit Kopenhagen jede Klimakonferenz, jeden Klimagipfel beobachtet für uns. Haben Sie nicht doch das Gefühl angesichts dieser Ergebnisse, auch dem, was wir jetzt erwarten können an diesem Wochenende: Ist der Aufwand – 26.000 Teilnehmer, zwei Wochen –, ist der nicht ein bisschen zu groß?
"Wenn die Gipfel kleiner wären, wäre der Druck auch kleiner"
Ehring: Nein, das teile ich nicht. Ich finde, die Ergebnisse sind zu klein. Der Aufwand ist meiner Meinung nach schon gerechtfertigt, nämlich bei diesen Klimagipfeln ist zwei Wochen das Klima auch in den Weltmedien und in der weltweiten Aufmerksamkeit. Es werden Veröffentlichungen gemacht aus der Wissenschaft, wie es um das Klima steht. Zum Beispiel Staaten, Inselstaaten im Pazifik, die sonst nie zu Wort kommen, von denen man sonst nie was hört, können der Weltöffentlichkeit sagen, wie es bei ihnen steht, es gibt große Demonstrationen, das heißt, die Größe der Gipfel übt Druck aus auf die Unterhändler. Dieser Druck reicht nicht aus, aber ich glaube, wenn die Gipfel kleiner wären, dann wäre der Druck auch kleiner, und dann würde noch weniger rauskommen.
Kassel: Wo Sie gerade die Entwicklungsländer erwähnen: Die Elfenbeinküste hat Schlagzeilen gemacht in diesem Jahr mit der mit Abstand größten Delegation, weit über 300 Leute. Finden Sie denn zumindest die Größe der Delegationen, auch je nach Land, angemessen?
Inselstaaten schicken zu kleine Delegationen
Ehring: Es stellt sich die Frage, wer da alles mitfährt. Man hört immer wieder, dass manche Länder Delegierte mitnehmen, die mit dem Land eigentlich gar nichts zu tun haben, möglicherweise ist es bei der Elfenbeinküste so. Es gibt hier Länder, die haben viel zu kleine Delegationen, gerade diese Inselstaaten, die nur drei bis vier Leute teilweise schicken, damit ist man gar nicht in der Lage, allen wichtigen Verhandlungssträngen zu folgen.
Und es gibt Länder, die Riesendelegationen haben, wo man sich fragt, was machen die alle und sind die alle wirklich für die Elfenbeinküste tätig. Und dazwischen sind reiche Länder, die eine große Delegation haben, mit der man gut die eigenen Interessen durchsetzen kann. Ich glaube, das Problem ist, reiche Länder bekommen viele Leute zusammen, die für sie dann auch tatsächlich arbeiten, während arme Länder mit kleinen Delegationen dann unterrepräsentiert sind und Schwierigkeiten haben, ihre Interessen durchzusetzen.
Kassel: Unabhängig vom Ergebnis: Frage zum Schluss: Endet der Weltklimagipfel in Madrid heute oder morgen?
Ehring: Ich glaube, dass er heute enden wird. Es ist um neun Uhr die nächste Sitzung angesetzt, die ist nur um eine Stunde verschoben worden von der ursprünglichen Planung für heute Morgen um acht, und so kurzfristige Verschiebungen macht man, wenn es noch letzte Klärungen gibt und irgendwas im Busch ist. Aber da kann ich mich auch irren, das ist ein Indiz und keine sichere Vorhersage.
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