Unbekannte Heimat

Von Antje Diekhans |
Eine halbe Million Menschen leben im kenianischen Lager Dadaab an der Grenze zu Somalia. Viele Flüchtlinge kamen als Kleinkinder nach Dadaab - nach Somalia wollen sie nicht zurück.
Stände mit Obst und Getreide, vor denen sich die Menschen drängeln. Kleine Läden, die Telefonkarten, Batterien und sogar Elektrogeräte verkaufen. Das weltgrößte Flüchtlingslager Dadaab an der Grenze zwischen Kenia und Somalia gleicht in weiten Teilen einer Stadt. Das Camp entstand vor mehr als 20 Jahren. Inzwischen leben in den einfachen Hütten und Zelten etwa eine halbe Million Menschen. Viele sind hier aufgewachsen.

"Ich war ein Jahr alt, als ich ins Camp kam, erzählt ein junger Mann. Jetzt bin ich 23."

Besonders viele Menschen strömten vor rund zwei Jahren ins Lager, auf der Flucht vor Dürre und Hunger in Somalia. Seitdem platzt Dadaab aus allen Nähten. Der kenianischen Regierung ist das Camp schon lange ein Dorn im Auge. Anfang des Monats traf sich Präsident Uhuru Kenyatta mit seinem somalischen Amtskollegen, um über eine Rückführung der Flüchtlinge zu beraten. Statt das Lager zu beherbergen, will Kenia lieber den Friedensprozess in Somalia unterstützen.

"Wir rufen andere Regierungen auf, mit uns dabei zusammenzuarbeiten, sagte Kenyatta. Wir sollten die Informationen unserer Sicherheitsbehörden austauschen. So kann es uns gelingen, Al Shabaab zu schlagen."

Die radikal-islamische Miliz hatte lange Zeit weite Teile Somalias unter ihrer Kontrolle. Vor fast zwei Jahren wurde sie von Truppen der Afrikanischen Union aus der Hauptstadt Mogadischu vertrieben. Zuletzt verübt sie aber wieder vermehrt Anschläge aus dem Untergrund. Erst gestern griff Shabaab ein Büro der Vereinten Nationen an.

Trotzdem schätzen Internationale Organisationen die Situation in Somalia nicht mehr als völlig aussichtslos ein. Hoffnung gibt vor allem die neue Regierung, die seit vergangenem Jahr im Amt ist. Präsident Hassan Sheikh Mohamud wird zugetraut, Somalia zu mehr Frieden zu führen. Er selbst hält das Land schon für weit genug, um die Menschen aus Dadaab zurückzuholen.

"Wir müssen sicherstellen, dass die Flüchtlinge wieder in ihre Dörfer gehen. Somalia ist ihr Land, dort haben sie ihr Zuhause."

Die meisten Bewohner des Lagers sehen das allerdings anders. Somalia ist gerade für die jungen Menschen in Dadaab nicht mehr ihre Heimat. Viele waren noch nie dort oder haben keine Erinnerung mehr an das Land.

"Ich war sehr jung, als ich hier angekommen bin, sagt eine Frau. Meine Mutter hat mich auf dem Rücken getragen. Wir wollen nicht zurückgehen. Gerade für Frauen ist es in Somalia gefährlich. Wir könnten vergewaltigt oder sogar getötet werden."

"Ich habe Somalia noch nie gesehen", ergänzt ihr Bekannter. "Wenn ich jetzt dorthin gehe, wäre ich völlig fremd."

Es scheint allerdings, als wollten die Regierungen auf diese Gefühle nicht viel Rücksicht nehmen. Für August ist in Nairobi eine Konferenz zu Somalia angesetzt. Dort soll über Einzelheiten der Rückführung beraten werden. Wenn es nach der kenianischen Regierung geht, sollen viele noch vor Jahresende umsiedeln.
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