"… und dann schauen wir mal"

Von Jörg Taszman |
Steven Soderbergh hört auf. Er ist 50 und will nun etwas anderes machen. 27 Spielfilme hat er gedreht in 24 Jahren. Er hat seine Gründe für seinen Abschied, sagt er. Vor diesem Ausstieg aber kommt noch einmal einer seiner letzten Filme in die deutschen Kinos: "Side Effects".
Eine labile, schöne junge Ehefrau, ihr wegen Insidergeschäften inhaftierter Mann und ein Psychiater, der für die Pharmaindustrie arbeitet stellen das Personal für Steven Soderberghs eleganten Thriller "Side Effects". Die junge Frau steht unter legal verschriebenen Drogen. Man glaubt in einem politisch korrekten Aufklärungsfilm zu sitzen als Steven Soderbergh nach 35 Filmminuten plötzlich das Genre wechselt. Für das Publikum sind seine Filme ein Glücksfall, aber es gibt auch immer wieder Kritiker, die seine Filme angeblich nicht verstehen. Wie diesen hier. Darüber macht sich Steven Soderbergh dann auch schon einmal lustig.

"Genau das mochte ich ja so an dem Drehbuch. Diese Ausgangssituation: Oh, eine junge Frau hat ein Problem. Das fand ich schlau, denn der Autor Scott Burns verfügt, wie schon in 'Contagion', über diese Gabe, die Dinge aus einem düsteren Blickwinkel zu betrachten. Dabei versucht er nicht, allgemeine Erwartungen zu bedienen. Ich hielt das für eine großartige Idee. Aber es gibt echt Leute in den Staaten, - ich finde das ja schon wieder komisch - die meinten: 'Ich hätte mir gewünscht, der ganze Film hätte nur von dieser Frau und ihrer Depression gehandelt.' Und ich denke mir: Bist du High? Das ist doch blöd. Das will ich nicht sehen. Das will doch keiner sehen. Das können wir auf jeder Straße beobachten. Mir gefiel ja gerade, wie aus diesem gesellschaftlichen Problem eine Art trojanisches Pferd wird, das einen Thriller versteckt. Das fand ich wirklich intelligent."

Im Januar ist Soderbergh 50 Jahre alt geworden. Er wirkt ungeheuer entspannt, als er im Februar im Berliner Adlon Hotel noch einmal eine Handvoll Journalisten empfängt. Fast 50 Minuten lang redet er mit ihnen über seine Karriere und seine neuesten Pläne. Er bestätigt seinen Rückzug aus dem Filmgeschäft.

"Nun, ich höre auf und dann schauen wir mal, wie lange das andauert. Ich muss neu beginnen. Es ist als hätte ich eine Wand erreicht. Ich muss das alles jetzt mal aus einem anderen Blickwinkel betrachten. Alle Brücken abbrechen. Letztlich haben viele Faktoren zu dieser Entscheidung geführt, die ich gar nicht alle im Einzelnen kennen muss.. Ich muss nur merken, wann es Zeit ist, sich zu häuten und sich eine neue Haut wachsen zu lassen. Das war jetzt ein von mir geplanter fünf Jahre langer Prozess."

Begonnen hat die eindrucksvolle Karriere von Steven Soderbergh 1989 beim Filmfestival in Cannes. Der damalige Jurypräsident Wim Wenders zeichnet den 26 jährigen, unbekannten Amerikaner für sein Erstlingswerk "Sex Lügen und Video". aus: Es ist die originelle Geschichte um eine neurotische Frau mit Putzfimmel, ihren smarten Ehemann, der sie betrügt und einen Jugendfreund des Ehegatten, der Frauen filmt, die vor der Kamera über ihr Sexleben sprechen.

"Sex Lügen und Video" gewinnt die Goldene Palme in Cannes. James Spader wird als Bester Darsteller ausgezeichnet. Steven Soderbergh dreht schnell einen weiteren Film in Prag, den verschachtelten Kunstfilm "Kafka" mit Jeremy Irons. Es folgen zwei weitere Werke, die floppen. Der Regisseur nimmt eine erste kreative Auszeit. 1998 hat er dann mit dem George Clooney-Jennifer Lopez Film "Out of Sight" sein Comeback. 2001 folgt dann die Krönung . Steven Soderbergh ist mit "Erin Brockovich" und "Traffic" zweimal als Bester Regisseur für einen Oscar nominiert. Für "Traffic" bekommt er ihn.

"Traffic" ist einer der besten Soderberghs, ein für Hollywood ungewöhnlich komplexer und gewagter Film, der in Mexiko und den USA unter Drogenhändlern, korrupten Polizisten, Fahndern und Jugendlichen spielt, die von Drogen abhängig sind. Einen Großteil des Films dreht Soderbergh auf Spanisch und setzt durch, dass diese Passagen untertitelt werden.

Der Erfolg gibt ihm Recht. "Traffic" spielt ebenso wie der sehr viel konventionellere "Erin Brockovich" über 100 Millionen Dollar ein. Damit ist Soderbergh nun in Hollywood "bankable" wie es die Amerikaner nennen, man kann ihm größere Millionensummen und die großen Hollywoodstars anvertrauen.

Mit der entspannten Gangsterkomödie "Oceans 11" taucht Soderbergh dann in den vermeintlichen Mainstream ab, dreht aber zwischendurch immer wieder kleine persönliche Filme oder geht wie bei "Che" Risiken ein. Der zweiteilige Kinofilm ist nur auf Spanisch gedreht, entheroisiert eine Ikone und hat es schwer, sein Publikum zu finden. Soderbergh dreht nun alle neun Monate einen Film und keiner gleicht dem Anderen.

"Unvorhersehbar zu sein, das ist mein Genre und das ist definitiv vorhersehbar. Das genau ermöglicht es mir nämlich, mich immer wieder neu mit aller Kraft in ein Projekt einzubringen."

Überraschungen gab es auch innerhalb des geplanten Rückzugs. Beim Baseballfilm "Moneyball" wurde Soderbergh gefeuert, dafür drehte er dann "Haywire" und lernte Channing Tatum kennen. Zusammen entwickelten sie den Überraschungserfolg "Magic Mike".

Nun sucht Steven Soderbergh im Alter von 50 Jahren neue Herausforderungen. Er schreibt an einem Buch, interessiert sich für Theater. Am 26.Mai kommt in den USA der für HBO gedrehte "Liberace"-Film heraus mit Matt Damon und Michael Douglas als Lover. Es soll vorerst der definitiv letzte Soderbergh sein.

Übrigens verlieren Filmliebhaber damit nicht nur diesen Regisseur, sondern auch den Kameramann Peter Andrews. Unter dem Pseudonym hat Soderbergh seit "Traffic" bei seinen Filmen auch die Kamera selber geführt. Sein Freund, der Regisseur David Fincher, hat ihn bereits als Kameramann angefragt. Aber solch eine Zusammenarbeit könnte die Freundschaft aufs Spiel setzen, sagt Soderbergh lachend. Und so lehnte er dankend ab. Dafür ist sein Ego dann doch zu groß.

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