Und ewig lockt das Glutamat
Regelmäßig geistert der altbekannte Geschmacksverstärker Glutamat durch die Medien. Und da Glutamat einen schlechten Ruf hat, hat sich die Lebensmittelindustrie was einfallen lassen: den Hefeextrakt. Nun steht der in der Kritik. Doch der Forscherdrang führte die Firmen bereits zu neuen Ufern.
Zugegeben: Das Thema Geschmacksverstärker ist schon ein wenig abgeschmackt, aber es taugt immer noch für Überraschungen. Da die technischen Entwicklungen doch recht anspruchsvoll sind – nicht nur beim Konstruieren von Handys sondern auch von Hühnerbrühe – tun sich immer neue Abgründe auf. Hier gilt: Nur der Schein ist wirklich rein.
Früher war die Welt der Etiketten noch in Ordnung. Wenn ein Hersteller bei seiner Hühnersuppe sparen wollte, nahm er statt ausgemusterten Legehennen- oder Hühnerknochen einfach Aroma, Salz und Glutamat. Doch dann stieß das Glutamat vielen Kunden übel auf. Also griffen die Hersteller zum altbekannten Hefeextrakt, der von Natur aus Glutamat enthält. Der bekam jetzt eine Spezialbehandlung, um den komischen Hefegeschmack zu entfernen, und fertig war der Geschmacksverstärker mit Natur-Image.
Eine chemische Analyse auf Glutamat kostet nicht viel, und weil sie sich so was auch die Medien leisten können, musste die Industrie reagieren und begann Extrakte mit weniger Glutamat herzustellen. Zum Ausgleich mussten die Hefen ein wenig bearbeitet werden: Die Konzentration an zwei anderen Geschmacksverstärkern in der Hefe wurden erhöht, nämlich an Inosinat und Guanylat. So blieb die Geschmacksverstärkung erhalten, bei weniger Glutamat.
Inzwischen wurde der Glutamatgehalt nochmals verringert. Durch einen neuen Trick: Das Glutamat wird einfach enzymatisch an andere Aminosäuren gekoppelt. Wenn man die richtigen nimmt, erhält man Dipeptide, die nach Brühe schmecken und den Geschmack gerade so verstärken wie Glutamat. Aber juristisch sind sie etwas anderes.
Wie fabriziert man so etwas? Mit Gentechnik lenkt man die Inhaltsstoffe der Hefen in die gewünschte Richtung; durch gezielte Extraktion und enzymatische und physikalische Behandlungen lassen sich im Extrakt unterschiedliche Geschmacksrichtungen erzeugen. So bleiben die Etiketten sauber und der Hersteller kann draufschreiben: Ohne Zusatz von Glutamat.
Der Trick, die gewünschten Zusätze durch Mikroorganismen – egal ob Hefen oder Bakterien – zu erzeugen, findet immer mehr Zuspruch. Das Konzept ist beispielsweise für Bäckereien interessant. Die chemischen Backmittel stehen in der Kritik – was also liegt näher sie deklarationsfrei von Hefen oder Sauerteigbakterien direkt im Brot oder Baguette zu erzeugen?
Inzwischen sind die Forscher dabei Bazillen zu dressieren. Sie sollen Stoffe bilden, die auf die gleiche Weise wie gewöhnliche Zusatzstoffe wirken. Ein Beispiel: Um die Frischhaltung von Brot zu verbessern, werden Hydrocolloide in den Teig gegeben. Sie binden Wasser und so dauert es ein bisschen länger bis die Ware austrocknet. Nun hat man Bakterien gefunden, die ebenfalls Hydrocolloide ausscheiden. Ein paar Bakterien in den Teig, und schon entsteht die fragliche Substanz - deklarationsfrei.
Ein klein wenig am Genom gespielt und die Bazille tut, wie ihr geheißen. Auch andere Zusatzstoffe sollen nun auf diesem Weg direkt in den Backwaren erzeugt werden. Das ganze wird dem Kunden dann als "Natursauer" angedient. Auf diesem Wege lassen sich auch Lebensmittel beglücken, für die derartige Zusatzstoffe gar nicht zugelassen sind.
Durch dieses Konzept ist es endlich möglich, Zusatzstoffe im Produkt auf gewissermaßen "biologischem" Wege zu erzeugen. Damit lässt sich das Clean label, das E-Nummern freie Etikett, das die Verbraucherorganisationen seit Jahren fordern, elegant realisieren. Mahlzeit!
Literatur:
- Anon: Hydrocolloide helfen beim Backen. Brot & Backwaren 2010; H.5: 40-42
- Katina K et al: In situ production and analysis of Weissella confusa dextran in wheat sourdough. Food Microbiology 2009; 26: 734-743
- Kijima K, Suzuki H: Improving the umami taste of soy sauce by the addition of bacterial -glutamylpeptidase as a glutaminase to the fermentation mixture. Enzyme and Microbial Technology 2007; 41: 80-84
- Nandakumar R et al: Microbial glutaminase: biochemistry, molecular approaches and applications in the food industry. Journal Molecular Catalysis B: Enzymatic 2003; 23: 87-100
Früher war die Welt der Etiketten noch in Ordnung. Wenn ein Hersteller bei seiner Hühnersuppe sparen wollte, nahm er statt ausgemusterten Legehennen- oder Hühnerknochen einfach Aroma, Salz und Glutamat. Doch dann stieß das Glutamat vielen Kunden übel auf. Also griffen die Hersteller zum altbekannten Hefeextrakt, der von Natur aus Glutamat enthält. Der bekam jetzt eine Spezialbehandlung, um den komischen Hefegeschmack zu entfernen, und fertig war der Geschmacksverstärker mit Natur-Image.
Eine chemische Analyse auf Glutamat kostet nicht viel, und weil sie sich so was auch die Medien leisten können, musste die Industrie reagieren und begann Extrakte mit weniger Glutamat herzustellen. Zum Ausgleich mussten die Hefen ein wenig bearbeitet werden: Die Konzentration an zwei anderen Geschmacksverstärkern in der Hefe wurden erhöht, nämlich an Inosinat und Guanylat. So blieb die Geschmacksverstärkung erhalten, bei weniger Glutamat.
Inzwischen wurde der Glutamatgehalt nochmals verringert. Durch einen neuen Trick: Das Glutamat wird einfach enzymatisch an andere Aminosäuren gekoppelt. Wenn man die richtigen nimmt, erhält man Dipeptide, die nach Brühe schmecken und den Geschmack gerade so verstärken wie Glutamat. Aber juristisch sind sie etwas anderes.
Wie fabriziert man so etwas? Mit Gentechnik lenkt man die Inhaltsstoffe der Hefen in die gewünschte Richtung; durch gezielte Extraktion und enzymatische und physikalische Behandlungen lassen sich im Extrakt unterschiedliche Geschmacksrichtungen erzeugen. So bleiben die Etiketten sauber und der Hersteller kann draufschreiben: Ohne Zusatz von Glutamat.
Der Trick, die gewünschten Zusätze durch Mikroorganismen – egal ob Hefen oder Bakterien – zu erzeugen, findet immer mehr Zuspruch. Das Konzept ist beispielsweise für Bäckereien interessant. Die chemischen Backmittel stehen in der Kritik – was also liegt näher sie deklarationsfrei von Hefen oder Sauerteigbakterien direkt im Brot oder Baguette zu erzeugen?
Inzwischen sind die Forscher dabei Bazillen zu dressieren. Sie sollen Stoffe bilden, die auf die gleiche Weise wie gewöhnliche Zusatzstoffe wirken. Ein Beispiel: Um die Frischhaltung von Brot zu verbessern, werden Hydrocolloide in den Teig gegeben. Sie binden Wasser und so dauert es ein bisschen länger bis die Ware austrocknet. Nun hat man Bakterien gefunden, die ebenfalls Hydrocolloide ausscheiden. Ein paar Bakterien in den Teig, und schon entsteht die fragliche Substanz - deklarationsfrei.
Ein klein wenig am Genom gespielt und die Bazille tut, wie ihr geheißen. Auch andere Zusatzstoffe sollen nun auf diesem Weg direkt in den Backwaren erzeugt werden. Das ganze wird dem Kunden dann als "Natursauer" angedient. Auf diesem Wege lassen sich auch Lebensmittel beglücken, für die derartige Zusatzstoffe gar nicht zugelassen sind.
Durch dieses Konzept ist es endlich möglich, Zusatzstoffe im Produkt auf gewissermaßen "biologischem" Wege zu erzeugen. Damit lässt sich das Clean label, das E-Nummern freie Etikett, das die Verbraucherorganisationen seit Jahren fordern, elegant realisieren. Mahlzeit!
Literatur:
- Anon: Hydrocolloide helfen beim Backen. Brot & Backwaren 2010; H.5: 40-42
- Katina K et al: In situ production and analysis of Weissella confusa dextran in wheat sourdough. Food Microbiology 2009; 26: 734-743
- Kijima K, Suzuki H: Improving the umami taste of soy sauce by the addition of bacterial -glutamylpeptidase as a glutaminase to the fermentation mixture. Enzyme and Microbial Technology 2007; 41: 80-84
- Nandakumar R et al: Microbial glutaminase: biochemistry, molecular approaches and applications in the food industry. Journal Molecular Catalysis B: Enzymatic 2003; 23: 87-100