Griechenland hat seine Chancen nicht genutzt
Es ist das x-te Mal, dass für Griechenland ein Countdown läuft. Europa hofft erneut auf eine Einigung in letzter Minute. Annette Riedel kann daran nicht mehr wirklich glauben. Ein Kommentar.
Zum ersten Mal seit die Griechenland-Krise begonnen hat, drängt sich ein - vor ein paar Wochen den meisten in Brüssel noch undenkbarer - Gedanke auf: 'Dann lass sie doch ziehen, die Griechen.'
Die Frage ist doch inzwischen, was die "Unversehrtheit und Unumkehrbarkeit" der Euro-Zone, von der EU-Kommissar Moscovici gestern in Luxemburg sprach, mehr gefährdet: Wenn ein Land, das ökonomisch eher ein Kleingewicht ist, aussteigt? Oder wenn die Eurozone ihre Glaubwürdigkeit und ihre Binnen-Hygiene riskiert, indem sie sich einer Regierung beugt, die erkennbar nicht geneigt ist, die eingegangenen Verpflichtungen zu erfüllen? Dazu scheint die Regierung in Athen entweder nicht willens zu sein. Oder sie ist dazu aufgrund der Mehrheitsverhältnisse nicht in der Lage. Aber das ist, mit Verlaub, ihr Problem.
Ein Referendum hätte für Klarheit sorgen können
Vielleicht wäre es gar nicht die schlechteste Idee gewesen, wenn Athen ein Referendum über den Verbleib im Euro durchgeführt hätte. Vielleicht sollte sie es jetzt – spät – sogar noch tun. Wenn Tsipras und Co. tatsächlich nicht aus dem Euro aussteigen wollen, wie sie beteuern, dann wären sie genötigt, gegenüber dem eigenen Wahlvolk andere Töne anzuschlagen. Sie müssten aufhören, von der "kriminellen Verantwortung"" der Gläubiger für die Krise zu sprechen und ihnen die absichtsvolle Demütigung eines ganzen Volkes zu unterstellen.
Kaum jemand wird behaupten, dass alles, was die Kreditgeber für ihre Unterstützung im Gegenzug von Griechenland erwarten, in jedem Detail der Weisheit letzter Schluss ist. Niemand sollte aber behaupten, dass sie Griechenland nicht entgegen gekommen sind. Möglicherweise nicht genug; möglicherweise nicht an den richtigen Stellschrauben.
Die große Frage: Was kann auf dem Gipfel noch passieren?
Aber die griechische Regierung hat die ihr durchaus gebotene Chance nicht genutzt, konkret und nachvollziehbar ihre eigenen ‚Stellschrauben' zu benennen, um aus einem dysfunktionalen Staat und Staatshaushalt einen funktionierenden zu machen.
Dafür wird sie in der kommenden Woche die Quittung bekommen, indem sie auf weitere europäische und internationale Unterstützung verzichten wird müssen. Wenn sie sich nicht doch noch – fünf nach Zwölf, sozusagen – bewegt. Nicht viel deutet darauf in diesen Tagen hin.
Was kann der Sonder-Euro-Gipfel am Montag daran ändern? Nichts, wenn man in Athen nicht über Nacht ‚erwachsen' wird, um ein Wort von IFW-Chefin Lagarde aufzunehmen. Das ist nicht zu vermuten. Also wird es mit einiger Wahrscheinlichkeit ein Gipfel werden, bei dem es allen Beteiligten vor allem darum geht, vor den Augen der Öffentlichkeit die jeweilige Gesprächsbereitschaft bis zur Selbstaufgabe zu demonstrieren. Um anschließend das Scheitern der jeweils anderen Seite in die Schuhe zu schieben.
Was, bitte, soll man dazu eigentlich wirklich noch sagen?