Unerwartete Gemeinschaft mit Tieren
Die Publizistin Hilal Sezgin ist von Frankfurt in ein 500-Seelen-Dorf in der Lüneburger Heide gezogen. Dort lebt sie nun mit Schafen, Hühnern und Gänsen und lässt den Blick ins Weite schweifen - nur einer von vielen Genüssen des Landlebens, das die Autorin auf amüsante Weise beschreibt.
Sie war Mitte 30, sie hatte seit ihrer Studienzeit in einer Großstadt, in Frankfurt am Main gelebt, sie hatte viel Zeit in Cafés und Kneipen verbracht und in Wohnungen gelebt, von deren Fenstern aus nichts anderes zu sehen war als die Mauern der Nachbarhäuser. Nun hatte sie genug davon. Sie sehnte sich danach, in einem Haus zu wohnen, das den Blick ins Weite erlaubte, über Landschaften, Wälder und Wiesen. Sie sehnte sich danach, der Natur näher zu sein und den Wechsel der Jahreszeiten unmittelbarer und sinnlicher zu erleben als in der Stadt.
So persönlich, so erfreulich undogmatisch und unideologisch begründet die renommierte, 1970 geborene Publizistin und Schriftstellerin Hilal Sezgin den weit reichenden Entschluss, den sie vor fünf Jahren fasste: raus zu ziehen, raus aufs Land. In ihrem neuen Buch "Landleben" erzählt sie unterhaltsam, episodisch und mit leichter Selbstironie von den Abenteuern, Glücksmomenten und Strapazen einer Stadtflucht und der Verwandlung einer urbanen Intellektuellen in eine Provinzbewohnerin. Es beginnt mit der langwierigen Suche nach dem richtigen Ort und dem richtigen Haus, das die Autorin schließlich in der Lüneburger Heide findet, geht weiter mit dem Umzug, dem Einrichten und Einleben in einem Dorf mit 500 Einwohnern und führt schließlich zum Hauptthema des Buches: der unerwarteten Gemeinschaft mit Tieren.
Zu den drei Katzen, die Hilal Sezgin aus Frankfurt mitbringt, kommt eine Schaffamilie, die sich explosiv vermehrt, kommen Hühner und Gänse und einige andere Tiere. In den essayistischen Kapiteln, in denen sich Hilal Sezgin mit Tierethik auseinandersetzt, berührt ihr Buch die aktuellen Debatten über Vegetarismus, industrielle Fleischproduktion und Fleischverzehr beziehungsweise den Verzicht auf diesen aus ökologischen und ethischen Gründen.
Sezgin, die selbst seit vielen Jahren als Vegetariern lebt, tritt, was ihren Text von so vielen anderen positiv unterscheidet, bei diesem Thema weder als Fanatikerin noch als Missionarin auf - so wie ihr ganzes Buch generell die Grenze vom persönlichen Lebens-, Erfahrungs- und Gedankenbericht zum Apologetischen an keiner Stelle überschreitet.
"Landleben. Von einer, die raus zog" will keine weltanschauliche Überzeugungsarbeit leisten, weder verklärt es das Landleben, noch stilisiert es die Publizistin zur Neubäuerin. Die Hälfte des Tages, so schreibt Hilal Sezgin in einem Kapitel, sitzt sie in ihrem Haus in der Lüneburger Heide, nicht anders als früher in Frankfurt, vor dem Computer. Nur geht ihr Blick dabei ins Weite.
Diese Weite vorurteilsfreier, undogmatischer Kritikfähigkeit zeichnet die Essays, Leitartikel und Bücher Hilal Sezgins durchweg aus - ob sie sich mit Fragen des zeitgenössischen Feminismus, des Islam, mit deutscher Islamophobie oder dem literarischen Universum Harry Potters befasst. Und so lässt sich ihr autobiografischer, überaus amüsant zu lesender Bericht über das Leben einer Geistesarbeiterin auf dem Land auch als Abhandlung über das Glück des Geistes in einer ihm angemessenen Lebensform verstehen.
Besprochen von Ursula März
Hilal Sezgin: Landleben. Von einer, die raus zog.
DuMont, Köln 2011
272 Seiten, 19,99 Euro
So persönlich, so erfreulich undogmatisch und unideologisch begründet die renommierte, 1970 geborene Publizistin und Schriftstellerin Hilal Sezgin den weit reichenden Entschluss, den sie vor fünf Jahren fasste: raus zu ziehen, raus aufs Land. In ihrem neuen Buch "Landleben" erzählt sie unterhaltsam, episodisch und mit leichter Selbstironie von den Abenteuern, Glücksmomenten und Strapazen einer Stadtflucht und der Verwandlung einer urbanen Intellektuellen in eine Provinzbewohnerin. Es beginnt mit der langwierigen Suche nach dem richtigen Ort und dem richtigen Haus, das die Autorin schließlich in der Lüneburger Heide findet, geht weiter mit dem Umzug, dem Einrichten und Einleben in einem Dorf mit 500 Einwohnern und führt schließlich zum Hauptthema des Buches: der unerwarteten Gemeinschaft mit Tieren.
Zu den drei Katzen, die Hilal Sezgin aus Frankfurt mitbringt, kommt eine Schaffamilie, die sich explosiv vermehrt, kommen Hühner und Gänse und einige andere Tiere. In den essayistischen Kapiteln, in denen sich Hilal Sezgin mit Tierethik auseinandersetzt, berührt ihr Buch die aktuellen Debatten über Vegetarismus, industrielle Fleischproduktion und Fleischverzehr beziehungsweise den Verzicht auf diesen aus ökologischen und ethischen Gründen.
Sezgin, die selbst seit vielen Jahren als Vegetariern lebt, tritt, was ihren Text von so vielen anderen positiv unterscheidet, bei diesem Thema weder als Fanatikerin noch als Missionarin auf - so wie ihr ganzes Buch generell die Grenze vom persönlichen Lebens-, Erfahrungs- und Gedankenbericht zum Apologetischen an keiner Stelle überschreitet.
"Landleben. Von einer, die raus zog" will keine weltanschauliche Überzeugungsarbeit leisten, weder verklärt es das Landleben, noch stilisiert es die Publizistin zur Neubäuerin. Die Hälfte des Tages, so schreibt Hilal Sezgin in einem Kapitel, sitzt sie in ihrem Haus in der Lüneburger Heide, nicht anders als früher in Frankfurt, vor dem Computer. Nur geht ihr Blick dabei ins Weite.
Diese Weite vorurteilsfreier, undogmatischer Kritikfähigkeit zeichnet die Essays, Leitartikel und Bücher Hilal Sezgins durchweg aus - ob sie sich mit Fragen des zeitgenössischen Feminismus, des Islam, mit deutscher Islamophobie oder dem literarischen Universum Harry Potters befasst. Und so lässt sich ihr autobiografischer, überaus amüsant zu lesender Bericht über das Leben einer Geistesarbeiterin auf dem Land auch als Abhandlung über das Glück des Geistes in einer ihm angemessenen Lebensform verstehen.
Besprochen von Ursula März
Hilal Sezgin: Landleben. Von einer, die raus zog.
DuMont, Köln 2011
272 Seiten, 19,99 Euro