Umstrittene Bücher in Bibliotheken
Kein Platz für kontroverse Bücher? - Im Gegenteil, sagt der Bundesverband der Bibliotheken. © Getty Images / fStop Images / Malte Müller
"Sie sagen: Das muss hier unbedingt raus!"
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Debatten sind erwünscht, aber Bücher, seien sie auch kontrovers, müssen verfügbar sein, sagt Barbara Schleihagen, Bundeschefin des Bibliotheksverbands. Deutsche Büchereien seien alarmiert, weil immer öfter auch Bücher das Ziel von Attacken würden.
Bibliotheken sind Orte der Ruhe und des Studiums - eigentlich. Allerdings wird diese Ruhe immer öfter gestört. Im vergangenen Jahr sorgten mutwillige Zerstörungen von Büchern in Berliner Bibliotheken für Schlagzeilen. Und mit der Debatte um rechtsgerichtete Autoren oder populäre historische Werke mit Inhalten und Vokabular, das als kulturell und zeitgeschichtlich überholt oder diskriminierend betrachtet wird, geraten Bibliotheken da in die Kritik, wo diese Werke zu finden und auszuleihen sind.
Breite Palette von Werken, über die gestritten wird
Nach Einschätzung von Barbara Schleihagen, Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Bibliotheksverbandes, ist die Palette von Büchern in den Bibliotheken, die nach Einschätzung einzelner dort nicht mehr verfügbar sein dürften, sehr breit: "Es geht um eine große Vielzahl von Büchern. Das können Kochbücher sein, von Herrn Hildmann beispielsweise, wo sich Leser sehr drüber erregen, das kann die Zeitung 'taz' sein, es wird gesagt: 'Struwwelpeter' solle nicht mehr dort stehen, es wird bei Büchern aus dem Kopp Verlag gebeten, diese doch zu entfernen, die Werke von Thilo Sarrazin sind oft angesprochen. Es ist tatsächlich eine große Bandbreite."
Es sei ein neuer Schritt, die Entfernung von Büchern aus der Bibliothek zu verlangen, sagt Barbara Schleihagen, denn natürlich gehöre es zum Diskurs, "dass man sich über bestimmte Buchtitel erregt und sich austauschen möchte und sie vielleicht nicht gut findet".
Es hat tatsächlich zugenommen und dann mehr aus der rechtspolitischen Ecke und das, was wir im letzten Jahr in Berlin-Schönefeld erlebt haben, wo wirklich Bücher wegen ihres Inhaltes zerstört worden sind, da wird eine Grenze überschritten.
Es sei nun schon der "Normalfall", dass sich Leser in der Bibliothek an die Mitarbeiter wenden: "Sie sagen: Das geht nicht, das muss hier unbedingt raus!"
Debatten und Beschwerden mit Mitarbeitern
Bei solchen Beschwerden aber hätten die Mitarbeiter noch die Möglichkeit darzulegen, dass eine Bibliothek genau dafür da ist, alles, was auf dem Markt ist und sein darf, zur Verfügung zu stellen und gerade auch so kontroverse Diskussionen zu ermöglichen. Mündige Auseinandersetzung sei nur möglich, wenn für jeden auch hier die Hintergrundinformationen zugänglich seien, also die Werke selbst, so Barbara Schleihagen.
Hier gibt es unterschiedliche Arten, mit möglicherweise umstrittenen Werken umzugehen. "Kleine Bibliotheken können nicht die Ränder abdecken, also hier alles kaufen. Da kann man sich das aber immer in der nächstgrößeren Bibliothek holen", erklärt die Verbandsgeschäftsführerin. Viele Werke gehörten nicht überall zum Handapparat, doch könne man sich viele per Fernleihe bestellen.
Der Meinungs- und Informationsfreiheit verpflichtet
"Eine Bibliothek hat ein Regal aufgestellt, wo 'kontrovers' drüber steht und da stehen diese Werke drin, die in der aktuellen Diskussion auch drin sind und damit wird dann sowohl die eine als auch die anderen Richtung abgebildet", so Barbara Schleihagen.
"Das ist wichtig, dass man deutlich macht: Ja, man ist sich schon darüber im Klaren, dass dieses Werk durchaus kontrovers diskutiert wird, und das ändert sich ja auch immer mal wieder, aber wir stellen es hier hin, weil wir der Meinungs- und Informationsfreiheit verpflichtet sind."
Die Nutzer bekämen nur so die Möglichkeit, sich auch selbst ein Bild zu machen. Der richtige Weg sei hier, in die Diskussion zu kommen, "dass man verdeutlicht, wofür eine Bibliothek da ist".
Wir brauchen wieder verstärkt, dass unterschiedliche Meinungen miteinander ins Gespräch kommen.
Die Verbandsgeschäftsführerin kündigte an, dass die Bibliotheken zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung ein Programm auflegen würden, um die Debattenkultur hier zu fördern.
(sru)