Ein sicherer Hafen für bedrohte Kulturschätze
Was kann man tun gegen die Zerstörung von Kulturgütern in Kriegsgebieten? Man kann sie vorsorglich in Sicherheit bringen - auch in andere Staaten. Das "Asyl" für Kunstwerke wurde jetzt ausführlich auf einer UNESCO-Konferenz in Abu Dhabi diskutiert.
Der Kronprinz von Abu Dhabi und der Staatspräsident von Frankreich hatten zur zweitägigen Konferenz in die Emirate eingeladen. Kulturexperten aus über 40 UNESCO-Mitgliedsstaaten folgten. Neben Francois Hollande unterstrichen noch mehr als ein Dutzend anderer Staats- und Regierungschefs, wie wichtig ihnen der Schutz des Kulturerbe in Kriegs- und Konfliktregionen ist. Die Parole, so Hollande:
"Handeln, das ist es, was wir tun müssen: Handeln."
So der französische Präsident. Dies sei "eine internationale Allianz vereint im Willen, gemeinsam gegen die systematische Zerstörung unseres Kulturerbes vorzugehen", erklärte Hollande pathetisch. Doch er gab auch zu:
"Es ist schon spät. Ich denke an Afghanistan und die Zerstörung der Buddhas von Bamiyan, an die Plünderung des Museums in Kabul. Im Irak gab es die Verwüstung der Nationalmuseums in Bagdad und Mossul und die Vernichtung von antiken Stätten in Nimrud und Hatra. Und in Syrien denke ich an Palmyra und den Bal-Tempel, den die IS-Terroristen zerstörten."
Internationales Netz von Zufluchtszonen
Auch bedrohtes Kulturgut brauche eine Art Asyl, waren sich die Teilnehmer der Konferenz einig. Der Plan, der im Rahmen der sogenannten "Erklärung von Abu Dhabi" einvernehmlich beschlossen wurde: Staaten, die durch bewaffnete Konflikte oder Terrorismus bedroht sind, sollen gefährdete Objekte in Sicherheit bringen können. Dazu müsse ein "internationales Netz von Zufluchtszonen" geschaffen werden, am besten in den betroffenen Ländern selbst, notfalls auch im Ausland.
Neu ist diese Idee nicht: In der Schweiz wurde bereits im vergangenen Jahr ein sogenannter "Safe Haven", ein "sicherer Hafen" zur vorübergehenden Aufbewahrung evakuierter Objekte vorbereitet. Er befindet sich in einem Bergstollen im Kanton Zürich, in dem die Armee einst Munition lagerte.
Die Schweiz hat Erfahrung mit der Sicherung gefährdeter Kulturschätze. In Genf wurden bereits zu Zeiten des spanischen Bürgerkrieges Gemälde und Kunstobjekte aus dem Prado-Nationalmuseum vorübergehend aufbewahrt.
Zusammen mit der Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Maria Böhmer, hat für Deutschland Friederike Fless, die Präsidentin des Deutschen Archäologischen Institutes (DAI), an der Konferenz in Abu Dhabi teilngenommen. Sie hält aber auch die Schaffung der sogenannten "Zufluchtszonen" innerhalb der Krisenregionen für realistisch:
"Also, es ist möglich, aber es ist natürlich eine Riesenherausforderung. Zum Beispiel haben in Timbuktu in Mali Lokale, also Bewohner von Timbuktu, selber die ganzen Manuskripte eingepackt und haben die auf abenteuerlichen Wegen in Sicherheit gebracht. Das heißt: Solche Dinge passieren, nur Sie müssen natürlich dann die Dinge an einen Ort bringen, wo sie dann korrekt gelagert werden."
Gegenseitige Unterstützung der Museumsexperten
Und genau dort könne die Unterstützung durch die UNESCO und ihren Experten ansetzen, meint Friederike Fless:
"Also, es ist wirklich, ich glaube für jeden schwierig, in dem Moment, in dem aktiv zerstört wird, in dem Denkmäler in den Kriegshandlungen zerstört werden, etwas zu tun. Was aber auf der Konferenz ganz deutlich wurde, wie viel schon in ganz vielen nationalen Initiativen getan wird. Also Kollegen aus Amerika berichteten, wie sie syrische Kollegen unterstützt haben, um Mosaiken in Museen, die man nicht einfach entfernen kann … wie man die sichern kann. Wie man provisorische Sicherungen mit Sandsäcken, mit Folien usw. machen kann und sie haben das intensiv unterstützt."
Auch Deutschland setze auf die Hilfe zur Selbsthilfe, zum Beispiel beim dem Projekt "Stunde Null" vor. Dabei werden syrische und irakische Handwerker, Steinmetze beispielsweise, aus- und weitergebildet.
Kampf gegen illegalen Handel mit Kulturgütern
Ein weiteres wichtiges Thema auf der Konferenz in Abu Dhabi: Der Kampf gegen den illegalen Handel mit Kulturgütern. Um vorbeugende Maßnahmen zu finanzieren, beschlossen die UNESCO-Vertreter einen internationalen Schutzfonds zu gründen. Er soll mit mindestens 100 Millionen US-Dollar ausgestattet werden, kündigte Francois Hollande an. 30 Millionen Dollar stellte er direkt aus Frankreichs Staatskasse in Aussicht.
DAI-Präsidentin Friederike Fless, die sich ansonsten mit vielen positiven Eindrücken aus Abu Dhabi auf die Heimreise machte, sieht diese Summen jedoch nüchtern:
"Also, das mit der Größe der Summe ist natürlich relativ. Deutschland hat gerade seine humanitär Hilfe für Syrien um 500 Millionen Euro aufgestockt, und mittlerweile sind es, glaube ich, 1,5 Milliarden Euro, die Deutschland in humanitäre Hilfe in dieser Region investiert. Da ist dieser geplante 100-Millionen-Euro Fonds ein wichtiger Akzent, aber es ist erst ein Anfang."