Ein Land macht dicht
"Brüssel will, dass wir illegale Einwanderer ins Land lassen. Sagen wir Nein!" - das fordert ein Radiospot der ungarischen Regierung. Sie will mit einem Referendum der EU-Aufnahmequote eine Absage teilen. Die Propaganda der Regierung zeigt Wirkung.
Gelassen und entspannt – als wären sie in einer abendlichen Chill-out-Bar - bauen Kameramänner, Tontechniker und Fotografen ihre Utensilien auf, Journalisten spielen ein wenig mit ihren Smartphones oder richten ihre Gesichter an der prall am vormittäglichen Himmel Südungarns stehenden Sonne aus und arbeiten an ihrer spätsommerlichen Bräune.
In einer Stunde soll es losgehen - hier, im Innenhof der alten, backsteingemauerten Burganlage von Szigetvar, im südlichen Ungarn, heute eine verschlafene, vergessene Kleinstadt von 10.000 Einwohnern nahe der kroatischen Grenze, gedenken die ehemaligen jahrhundertelangen Feinde der Region einer blutigen Belagerung, die im Jahr 1566 an genau dieser Stätte ausgetragen wurde. Eines Kampfes zwischen dem christlichen Abendland und dem islamischen Morgenland: Gegenüber standen sich die rund 90.000 Mann starken Truppen des damals mächtigsten Herrschers auf dem südlichen Balkan – Sultan Süleyman des Prächtigen, der bereits über 70 Jahre alt dort seine letzte Schlacht schlug und in seinem Zelt starb – und die kleine, nicht einmal 3000 Mann zählende Schar ungarischer und kroatischer Verteidiger von Szigetvar, verlassen, wie so oft in ihrer Geschichte, vom Hause Habsburg und dessen Streitmacht.
Damals eine schicksalhafte Schlacht, denn nach dem Tod Süleymans in Szigetvar hatte das Reich des Osmanen seinen machtpolitischen Zenit überschritten.
Ungarn feiert sich als Bollwerk christlicher Werte
Heute hat Ungarns Staatspräsident János Àder seine kroatische Amtskollegin Kolinda Grabar-Kitarovic und - ursprünglich - auch den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan zum Festakt nach Szigetvar eingeladen; Ankara entsandte den stellvertretenden Regierungschef Vevsi Kaynak, der von einer großen Delegation begleitet wird.
Rednerpult, übergroße Lautsprecher, drei große Kränze in den Nationalfarben Ungarns, Kroatiens und der Türkei, eine Militärkapelle, sowie eine bunte Schar von Soldaten und Statisten, die in historischen Uniformen und Kostümen neben dem neuen Denkmal Aufstellung bezogen haben, das von einem weiten, weißen Tuch verhüllt wird und den ungarischen und kroatischen Verteidigern von Szigetvar gewidmet ist.
Einige Hundert geladene Gäste stehen hinter der mit dicker, roter Kordel abgesperrten Besucherzone, unter ihnen eine Gruppe des ungarisch-türkischen Freundschaftsvereins aus Budapest.
"Das ist ein sehr schöner Moment, weil ehemalige Feinde zusammengekommen sind, um gemeinsam der Schlacht von Szigetvar zu gedenken. Heute gibt es ganz wenige Nationen wie die Türkei und Ungarn, die sich so gut verstehen."
Als Staatspräsident Àder das Wort ergreift, rückt er die Schlacht von damals indirekt in den heutigen Kontext Ungarns, das sich seit Ausbruch der Flüchtlingskrise als das Bollwerk des christlichen Westens gegen islamische Migranten profiliert.
Szigetvár sei nicht nur die Grenzburg der Heimat gewesen, sondern auch die letzte Bastion der Werte, die den damaligen Verteidigern wichtig gewesen seien. Ungarns Präsident lässt dabei Begriffe wie König, Heimat und Boden fallen. Das alles sei damals verteidigt worden, die Res Publica Christiana, die Christenheit, die europäischen Traditionen.
Unter den zahlreichen geladenen Besuchern des Festaktes findet die Erinnerung an die damalige Abwehrschlacht Ungarns und Kroatiens gegen die islamische Großmacht vom Bosporus Anklang. Dieser ältere Ungar, der einen selbst gefertigten kleinen Mooskranz zum Festakt mitgebracht hat, auf die Frage, wie er die Ansprache seines Staatspräsidenten bewertet.
"Der Staatspräsident hat völlig recht gehabt, mit dem, was er gesagt hat: Dass wir Ungarn vor 450 Jahren Europa verteidigt haben und jetzt werden wir auch Europa verteidigen."
"Ungarn braucht keinen einzigen Migranten"
So denkt auch Andrea Katona aus Kaposvár, die mit einer ungarischen EU-Jugendgruppe nach Szigetvar angereist ist. Sie lebe mit Muslimen in Frieden: Wenn sie in der Türkei sei, würde sie sich an die dort geltenden Gebräuche und Regeln halten – das Gleiche erwarte sie auch von Muslimen, die in Ungarn lebten. Niemand - auch nicht die Europäische Union - könne Ungarn vorschreiben, ob und wie viele Migranten das Land aufnehmen solle.
Deshalb, so Andrea, werde sie mit Sicherheit an dem Referendum teilnehmen, mit dem Ministerpräsident Viktor Orban am 2. Oktober Brüssel und Berlin der EU-Aufnahmequote eine eindeutige Absage erteilen lassen will.
"Wir müssen wählen gehen, weil ich nicht mit den politischen Zielen der EU übereinstimme. Die wollen überall hin Migranten verschicken. Ich denke erstens: Jede Nation muss sagen, was sie will. Denn wir sind Mitglied der Europäischen Union, aber die Europäische Union bestimmt nur einen Teil der Regeln, denen ich folgen will. Ich möchte, dass sie die Wünsche unserer Nation akzeptieren, und wie wir leben wollen. Wenn wir in der Lage sind, Menschen aus dem Ausland zu beherbergen, machen wir das - aber: Bitte schubst uns nicht!"
"Brüssel will, dass wir illegale Einwanderer ins Land lassen. Sagen wir Nein", fordert ein Radiospot der Regierung. Die Propaganda zum Referendum gegen die Flüchtlingsquote ist allgegenwärtig. Im Radio, auf großen Plakatwänden hämmert sie den Ungarn diese Botschaft ein: Brüssel will uns Migranten in den Pelz setzen. Das wollen wir nicht. Regierungschef Viktor Orbán nutzt jede Gelegenheit, um zu betonen.
"Ungarn braucht keinen einzigen Migranten. Wer sie braucht, soll sie reinholen, aber nicht uns aufzwingen. Wir brauchen keine europäische Migrationspolitik."
"Botschaften zielen darauf ab, Migranten als Bedrohung darzustellen"
Laut Quotenregelung müsste Ungarn gerade einmal 1300 Flüchtlinge aufnehmen. Vor dem Europäischen Gerichtshof klagt Budapest dagegen. Und die nationalkonservative Regierung Orbán setzt auf ein Referendum am 2. Oktober. Auf Plakaten steht die Ansage: "Schicken wir die Botschaft nach Brüssel - damit auch sie verstehen." Márta Párdavi vom Budapester Helsinki Komitee meint:
"Die Botschaften zielen darauf ab, Migranten als Bedrohung darzustellen. Einige Plakatwände sagen: Die Pariser Anschläge wurden von Zuwanderern verübt, und haben 300 Menschenleben gekostet. Andere sagen: Wussten Sie, dass eine Million in Libyen darauf warten, illegal nach Europa zu kommen?"
Die Botschaften sind vor allem ans heimische Publikum gerichtet. Denn: Die Regierungspartei Fidesz hat Konkurrenz von ganz rechts: Die rechtsextreme Partei Jobbik – die hat Orbán durch seine scharfe Rhetorik in der Flüchtlingskrise wieder auf den zweiten Platz in der Wählergunst verwiesen. Viktor Orbán denkt schon an die nächste Parlamentswahl 2018, meint der Budapester Politologe Zoltán Kisszelly.
"Östlich der Elbe finden 80 Prozent der Befragten Migration schlecht. Und empfinden es als eine Gefahr, als eine reale Bedrohung. Deswegen hat die Regierung das als innenpolitisches Thema entdeckt, um die eigene Popularität möglichst über die eigene Wählerschaft hinaus zu festigen, zu zementieren. Möglichst bis zur Wahl, denn die Migrationskrise wird bis zur Wahl nicht aufhören."
"Der Wahlkampf-Modus ist also permanent"
Das bedeutet: Zwischen den Wahlkämpfen gibt es keine Pause mehr – ein typisches Phänomen populistischer Regime. Die Regierung in Budapest hält mit der Plakatkampagne, der populistischen Rhetorik, dem Dauerbrenner Migration in den Medien die Erregungskurve hoch, beobachtet Márta Párdavi vom Helsinki Komitee.
"Sie ist seit der letzten Parlamentswahl in diesem Kampagnen-Modus. Und es wird viel Aufmerksamkeit und auch Geld dafür verwendet, vor allem den Älteren zu vermitteln, dass diese Regierung die Beste ist. Dass es keine Alternative gibt. Leider ist das so, es gibt keine effektive Alternative in Ungarn. Der Wahlkampf-Modus ist also permanent."
Dem dienen auch die Spots und Werbeplakate. "Wussten Sie, dass seit Beginn der Flüchtlingskrise mehr als 300 Menschen durch Terroranschläge ums Leben kamen?", heißt es da etwa. Regierungschef Orbán setzt Flüchtlinge sogar pauschal mit Terroristen gleich.
"Zuwanderung bedeutet: weniger Sicherheit in Europa. Sie holt uns Terroristen auf den Hals. Wer sagt: Da gibt es keinen Zusammenhang, der hat keine Ahnung."
Es ist ein populistisches Spiel mit der Angst. Aber es funktioniert. Zwei Drittel der Ungarn finden den harten Kurs der Regierung gegenüber den Fremden gut, so wie diese Budapesterin.
"Ich bin mit den Maßnahmen der Regierung absolut einverstanden. Man müsste sie dort halten, wo sie geboren sind, der Zaun ist gut."
Und der soll noch verstärkt werden. Orbán setzt auf eine zweite Verteidigungslinie, gegen eine Völkerwanderung von Fremden.
"Wir müssen sie stoppen. Auch mit Gewalt"
"Wir haben entschieden, dass die Sperre an der ungarisch-serbischen Grenze verstärkt werden muss. Deshalb werden wir noch einen Zaun errichten, mit modernster Technik. Wir müssen vorbereitet sein, dass die Türkei ihre Politik ändert. Dann werden Hunderttausende Migranten an der Grenze auftauchen. Wir müssen sie stoppen. Wenn es nicht mit schönen Worten geht, auch mit Gewalt."
An der Grenze bei Horgos, auf der serbischen Seite des Zauns, haben Migranten ein provisorisches Lager errichtet. Einige Hundert sind es, die sich aus Zeltplanen, Stöcken und Laub provisorische Unterkünfte gebaut haben. Höchstens 15 am Tag dürfen in die sogenannte Transitzone, um einen Asylantrag zu stellen. Familien haben Vorrang. Es gibt lange Wartelisten. Dieser Mann sagt:
"Nach 800 Tagen, drei Jahren wäre ich dran, wenn jeden Tag einer rein darf. Wenn."
Zsuzsanna Zsohár hat viel gesehen im vergangenen Jahr. Sie war Sprecherin von "Migration Aid". Die Freiwilligen-Organisation half am Ostbahnhof in Budapest, aber auch an der Grenze zu Serbien. Über die Situation heute am Grenzübergang Horgos/Röszke sagt sie:
"Praktisch haben wir Calais an der ungarischen Grenze aufgebaut. Und das ist genau so eine Schande, ein paar hundert oder tausend Menschen nicht versorgen zu können, oder in menschlichen Bedingungen halten zu können. Die warten ja auf eine Registrierung. Das ist ja genau das Gegenteil von dem, was unsere Regierung erzählt, dass diese Leute durch Ungarn durch wollen. Nein. Sie warten Wochen, Monate darauf, dass sie registriert werden und sie dann einen Platz irgendwo in Europa finden."
"Die Propaganda funktioniert"
Mittlerweile lebt auch Zsuzsanna Zsohár in Österreich. Denn Organisationen, Einzelpersonen, die Flüchtlingen helfen, bekämpft die Regierung. Flüchtlingshelfer werden in der Öffentlichkeit verunglimpft. "Migrantenstreichler" ist das neue Schimpfwort für sie. Der Budapester Theatermacher Arpad Schilling beschreibt das Klima im Land so:
"Das Wort Einwanderer ist in Ungarn schon verschwunden. Es gibt nur: den Migranten. Ich rede davon, wie die Gesellschaft in Hass und Dummheit ertränkt wird. Das passt natürlich sehr gut vor den Wahlen. Man kann prima die Leute einstimmen und aufhetzen. Auf der anderen Seite sieht man, wie sich die Gesellschaft verändert. Diese Flüchtlingskrise hat so einen Hass selbst bei liberalen Menschen freigesetzt, das ist schauderhaft. Es sind nicht nur die Christlich-Konservativen, sogar Menschen, die unglaublich liberal, offen und modern sind, zittern jetzt vor unwirklichen Menschen und nicht existenten Problemen. Das heißt: Die Propaganda funktioniert."
"Migranten als Statisten für ein niedriges, politisches Ziel"
Kübekháza, im Süden Ungarns: Ein kleines, 1600 Einwohner großes Dorf, erbaut von deutschen Schwaben, die hier Mitte des 19. Jahrhunderts von den Habsburgern angesiedelt worden waren, um der heimischen Bevölkerung den Anbau von Tabak nahezubringen. Die lange, pfeilgerade Dorfstraße ist beflaggt, abwechselnd mit der ungarischen Fahne und der blauen EU-Fahne.
"Wir benutzen die Migranten als Statisten für ein niedriges, politisches Ziel, während wir keinen Gedanken an unsere Staatsbürger verschwenden."
Róbert Molnár ist seit 17 Jahren Bürgermeister von Kübekháza: Der schlanke, grauhaarige Jurist ging nach der politischen Wende Ende der 80er Jahre in die Politik, wurde 1990 Abgeordneter im freigewählten Parlament, für die "Kleinbauern-Partei", die Interessensgruppe der landwirtschaftlichen Familienbetriebe, wurde Fraktionschef, und kehrte nach einer Legislaturperiode der großen Politik in Budapest den Rücken zu, zog zurück in sein Heimatdorf.
Róbert Molnár verfolgt das mit großem PR-Aufwand vorbereitete Flüchtlings-Referendum der Regierung Orban sehr skeptisch.
"Ich möchte betonen: Die innenpolitische Situation, die auf der Flüchtlingsfrage aufbaut, ist eine Kommunikationsstrategie der Regierung. Seit anderthalb Jahren hört man auf den staatlichen Kanälen nur dies: Welch große Gefahr sie bedeuten. Sie kommen her, nehmen uns die Jobs weg, vergewaltigen unsere Frauen, Terroristen kommen mit ihnen, sie werden unser Christentum besiegen - und ich weiß nicht, welche Bosheiten sie sich noch ausdenken. Hier wird bewusst Stimmung gemacht."
"Auf Lüge, Hass kann man keine Gesellschaft aufbauen"
Róbert Molnár, ein religiös geprägter Mann von 45 Jahren, verfügt aufgrund seiner langen Erfahrung als Bürgermeister über fundierte Einblicke in die eigentlichen sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Probleme Ungarns: Ein Drittel der Bevölkerung lebe an und unter der Armutsgrenze, ein weiteres Drittel schaffe es gerade so, sich finanziell jeden Monat über Wasser zu halten; die soziale Spaltung des Landes nehme beständig zu - in eine kleine, sehr rasch sehr vermögend gewordene Oberschicht und die restliche Bevölkerung, die keine Aussicht auf einen Aufstieg aus ihrer Misere habe. All dies verschwinde hinter dem großen publizistischen Nebel, den die Regierung mit dem Dauerthema Flüchtlinge verbreite:
"Dieses Referendum zieht die Aufmerksamkeit von den sozialen Problemen ab, von der wirtschaftlichen Lage, von der Bildung, dem Gesundheitswesen. Denn solange es Migration gibt, gibt es einen Feind. Solange verlangt die Gesellschaft darüber keine Rechenschaft von der Regierung, sagt nicht: Was machst du, Regierung? Du sollst diese Gesellschaft aufrichten, managen, dich den Armen zuwenden. Daran wird kein Gedanke verschwendet. Wenn es keine Migration gebe, müsste die Regierung Rechenschaft ablegen."
Wenn ein Land in den Krieg gegen einen Gegner zieht, befasst sich die Gesellschaft nicht damit, ob Blumen im Garten wachsen, formuliert Róbert Molnár nachdenklich.
"Wir müssen eins verstehen: Auf Lüge, auf Korruption, auf Hass, auf Spaltung kann man keine Gesellschaft aufbauen. Aber das passiert heute in Ungarn. Wir zerstören den Rechtsstaat, solche Säulen wie Pressefreiheit, Chancengleichheit, Zusammenhalt. Stattdessen bauen wir diese Säulen auf Lüge, Korruption, politische Einflussnahme und so weiter."
Recht gut besucht ist an diesem Montagvormittag das Café in der Budapester Innenstadt. Studenten schlürfen mit aufgeklappten Laptops ihren Latte Macchiato. Zwei Geschäftsleute breiten auf den kleinen, runden Tischchen ihre Unterlagen aus. Es herrscht eine entspannte Atmosphäre
Die Kellner, deren Gehalt fast ausschließlich auf Trinkgeldern basiert, dürften zum Ausgleich die Musik abspielen, die sie auch gerne daheim hörten, erklärt Zoltàn Kiszelly. Der agile, Anfang 40-jährige Politologe berät nach eigenen Worten seit fünf Jahren den ungarischen Ministerpräsidenten in europapolitischen Fragen, "auch wenn es um Deutschland geht", fügt Zoltán Kiszelly grinsend hinzu.
"Deutschland hat uns zwei Mal ins Verderben geführt"
"Die Regierung hat schon seit den Anschlägen gegen Charlie Hebdo im Januar 2015 das Thema des Terrorismus und der Migration verknüpft, und seitdem schon mehrere Aktionen durchgeführt, um die Ungarn in diesem Thema politisch zu mobilisieren."
Ungarns Ministerpräsident sieht sich als politischer Vorreiter einer europäischen Bewegung, die auf direkten Konfrontationskurs zur Brüsseler und Berliner Flüchtlingspolitik geht. Im Kreis der sogenannten Visegrád-Staaten besteht längst Einigkeit darüber, dass die ehemaligen Ostblock-Länder Polen, Tschechien, Slowakei und Ungarn ein Bollwerk innerhalb der EU bilden, das bei der künftigen Verteilung von Flüchtlingen strikt "Nein" sagen wird.
"Frau Merkel sieht das als moralischen Imperativ. Wir sagen dazu moralischer Imperialismus. Deutschland hat uns zwei Mal ins Verderben geführt, Europa auch. Deutschland hat kein drittes Mal das Recht, Europa etwas zu diktieren. Und insbesondere nicht etwas Schlechtes zu diktieren. Die Übernahme von Millionen von Menschen fremder Kultur, fremder Religion, die dauerhaft bei uns angesiedelt werden sollen, und zwar in einem höheren Masse als die Ursprungsbevölkerung."
Flüchtlingspolitik zur dauerhaften Machtabsicherung
Innenpolitisch wolle Orban seine Wählerbasis vergrößern, Menschen an die Regierungspartei Fidesz binden, einerlei, ob sie bislang sozialdemokratisch oder rechtsradikal gewählt hätten. Das Vehikel dazu: das Flüchtlingsreferendum.
"Die Regierung hofft darauf, zu den 1,5 bis zwei Millionen eigenen Wählern, die man hat, die Fidesz-Wähler, die circa 500.000 bis 800.000 rechtsradikalen Wähler dazuzugewinnen. Die Rechtsradikalen unterstützen die Regierung in dieser Frage und votieren für ein Nein. Und weil die linksliberalen Parteien in einer Vorwahl sind, und untereinander Rivalen sind, haben sie keinen eindeutigen Standpunkt, keine eindeutige Wahlempfehlung. Das ermöglicht, dass die Wähler, die nur lose an diese Linksparteien gebunden sind, und Angst vor den Migranten haben, die können auch zur Teilnahme an dieser Wahl gebracht werden."
Die Flüchtlingspolitik als Instrument zur dauerhaften Machtabsicherung - dieses Kalkül geht für Ungarns Ministerpräsidenten nur dann auf, wenn mehr als die erforderlichen 50 Prozent der Wahlberechtigten an dem Referendum teilnehmen, und sich eine Mehrheit davon für das Nein zur Aufnahme von künftigen Flüchtlingen entscheidet, die Ungarn gemäß der Verteilungsquote der EU akzeptieren müsste.
"Das hängt davon ab, welche Bilder aus dem Fernsehen bis zum 2. Oktober zu sehen sind: Bilder von Attentaten, von Gewalttaten oder vollen Booten kommen, dann gehen die Leute zur Wahl."
Der Festakt in Szigetvar geht zu Ende, die Mittagsonne steht stechend heiß am südungarischen Septemberhimmel, geduldig lassen Besucher wie Staatsgäste auch noch den letzten Protokollpunkt über sich ergehen: ein einsamer Trompeter in historischer Uniform.
Dann: ein einzelner Kanonenschuss. Eine kurze Gedenkstunde an historischer Stelle ist vorbei, die Ungarns Staatspräsident Ader eine "Schlacht zur Verteidigung des christlichen Europas" nannte.
Heute, so scheint es, schlägt Ungarns Regierung diese vermeintliche Schlacht erneut, die nicht so viel mit Flüchtlingen zu tun hat, sondern mit der Zementierung der innenpolitischen Macht - und zwar auf Dauer.