Orbáns Wahlsieg in Ungarn

"Ein Beweis für die Aushöhlung der Demokratie"

07:58 Minuten
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban und seine Frau Aniko Levai nach der Stimmabgabe zu den Parlamentswahlen am 3. April 2022 in Budapest. Orban legt seine Hand auf die Wahlurne.
Nach zwölf Jahren als Regierungschef erneut im Amt bestätigt: der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und seine Frau Aniko Levai am 3. April 2022 an der Wahlurne © Getty Images / Janos Kummer
Bettina Vollath im Gespräch mit Dieter Kassel |
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Ungarns Regierungschef Viktor Orbán hat die Parlamentswahl mit großem Vorsprung gewonnen. Das enttäuschende Ergebnis eines unfairen Wahlkampfs, meint die österreichische Europa-Parlamentarierin Bettina Vollath. Die EU habe zu lange weggeschaut.
Ungarns Premierminister Viktor Orbán liegt mit der EU im Streit über die Rechsstaatlichkeit in seinem Land und wird seit Langem für seinen repressiven Umgang mit der Presse kritisiert. Seinen Wahlerfolg von über 50 Prozent für die Regierungspartei Fidesz nannte er in seiner ersten Stellungnahme einen Sieg, der so groß sei, dass er vom Mond aus gesehen werden könne – und erst recht von Brüssel aus.
Bettina Vollath, Abgeordnete der österreichischen SPÖ im EU-Parlament und Berichterstatterin über Ungarn für ihre Fraktion, nennt das Wahlergebnis "sehr, sehr enttäuschend", es sei aber keineswegs überraschend. Vielmehr sei der Erfolg des Regierungschefs "ein Beweis dafür, wie weit Orbán mit seiner Fidesz-Partei schon mit der Aushöhlung der demokratischen Strukturen in Ungarn gekommen ist."

Abbau von Grundrechten

Beobachter der OSZE hätten schon im Vorfeld "ganz klar gesagt, dass diese Wahlen in Ungarn zwar frei sind, aber dass sie nicht fair ablaufen", so Vollath. Die EU habe "systematischen Angriffen" auf Standards, die in Europa "eigentlich ganz klar vertraglich festgelegt" seien, und dem Abbau von Demokratie, Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit viel zu lange zugesehen. Mittlerweile herrsche "ein wirklich vergiftetes Klima in Ungarn", das Orbán für sich ausnutze, sagt Vollath.

Das bestätigt auch der Autor und Übersetzer Wilhelm Droste , der in Budapest arbeitet. Orbán habe die Wahl gewonnen, weil er den Medienapparat aus Fernsehen, Radio und Zeitungen beherrsche. Trotz größter Nähe zu Wladimir Putin habe sich Orbán mit seiner Propaganda erfolgreich der Bevölkerung als „Friedenskanzler“ verkauft und die Opposition als Kriegspartei diffamiert.
"Seine skandalöse Nähe zu Putin hat er zehn Minuten abgeschüttelt – das Volk hat ihm das abgenommen, dass er der starke Mann sei, der gegen den Krieg ist und Ungarn Sicherheit geben wird."

Zuletzt habe sie Ungarn im Dezember 2021 besucht, sagt Bettina Vollath, und bei Gesprächen mit Regierungsgegnern ein "Klima der Resignation und auch schon der Angst" wahrgenommen. Viele Oppositionelle hätten das Land bereits verlassen, was nicht zuletzt das Abstimmungsverhalten von in Wien lebenden Ungarn bei der jetzigen Wahl gezeigt habe.

Zögern der Europäischen Union

"Die EU ist nicht wehrlos", sagt Vollath. Vorstöße des Parlaments, gegen die Verletzung gemeinsamer Werte durch Ungarn vorzugehen, seien jedoch im Europarat immer wieder am Prinzip der Einstimmigkeit gescheitert: "Man war nicht willens, das in aller Deutlichkeit zu benennen und vor allem, die uns zur Verfügung stehenden Mittel konsequent auszuschöpfen."
Wenn die Europäische Union ihre Glaubwürdigkeit nicht verspielen wolle, müsse sie unbedingt konsequenter vorgehen und bestehende Instrumente der Sanktion gegenüber Mitgliedsstaaten im Zweifelsfall auch anwenden, sagt Vollath:
"Wenn wir uns bei den Bereichen Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Grundrechte auch nur einen Millimeter bewegen und hier beginnen zu verhandeln, dann ist die EU auch in all den anderen Fragen, wo wir Einigkeit zeigen müssen, wehrlos und kann nicht mehr ernst genommen werden."
(fka)

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