Ungenießbare Früchte
Katharina Hackers Novelle "Die Erdbeeren von Antons Mutter" erzählt von den komplizierten Lebensverhältnissen einer akademisch gut ausgebildeten Generation.
Seit ihrem 2006 mit dem "Deutschen Buchpreis" ausgezeichneten Roman "Habenichtse" beschäftigt sich die 43-jährige Autorin mit dem Thema der Freundschaft in ihrer Generation und den Störungen und Bedrohungen von Lebensmodellen, deren Bindungen vor allem auf Freundschaften beruhen.
Im Zentrum ihres neuen, fast wie ein Krimi zu lesenden Buches, steht der in Kreuzberg praktizierende Arzt Anton, ungefähr 40 Jahre alt, ein wenig verklemmt, einsam und in einer Mutterbindung gefangen. Dazu kommen seine Freunde und Lydia. Lydia ist Ärztin wie er, sie lebt allein mit einer dreijährigen Tochter. Antons Sehnsucht, ihr nahe zu sein, steht etwas im Wege, das er sich selbst nicht erklären kann.
Nun erzählt diese Autorin nicht Alltag um des Alltags willen, nicht irgendwelche Generationsgeschichten als soziologische Recherche. In ihren Büchern laufen verschiedene Linien auf ein Unheil zu. Unheimlich ist die sich verschlimmernde Demenzerkrankung von Antons Mutter, die Katharina Hacker mit vorsichtiger Anteilnahme an dem Ritual des jährlichen Einkochens von Erdbeermarmelade festmacht. Die alte Frau hat vergessen, die Erdbeeren rechtzeitig zu pflanzen und die später von einem befreundeten Bauer gesetzten Pflanzen werden von einer Schneckenplage zerstört.
Vergessen und Zerstören, das sind die Grundmotive des Buches. Nicht vergessen kann Rüdiger Lydia. Zusammen mit Martin, der im Roman das "bucklig Männlein" genannt wird und wie die Märchenfigur das skrupellos Böse verkörpert, ist Rüdiger von einer Zeit als Söldner im Libanon und in Afghanistan zurückgekehrt. Der Krieg und das Töten hat beide verändert, verroht. Rüdiger, der von Martin unterstützt wird, möchte Lydia zurück; er weiß, dass ihr Kind seine Tochter ist.
Katharina Hacker beschreibt das ärztliche Berufsleben in seinem komplizierten Ungleichgewicht zwischen dem Privaten und dem Beruflichen, sie schildert das Leben von Antons Eltern in dem kleinen Ort Calberlah. Sie beschreibt die voranschleichende Demenz, die alle Routinen zerstört.
Katharina Hacker ist nicht an Äußerlichkeiten interessiert, sie interessiert sich für die Umgebung, für die Gewohnheiten, für die täglichen Rituale und dringt über deren Beschreibung in zwei Milieus ein. Das der Vergangenheit, die kaum Zukunft besitzt und das von Anton, seiner Freundin, seinen Freunden und Widersachern. Der Ausbruch von Gewalt, der Schuss, der Hackers Novelle den Wendepunkt gibt, könnte Folgetaten haben. Dem Acker, auf dem die Erdbeeren von Heerscharen schleimiger Schnecken vernichtet wurden, gehört der letzte Blick.
Scheinbar leicht, unangestrengt und dynamisch beim ansteigend Unheimlichen, hat Katharina Hacker eindringlich und beeindruckend ihr "Projekt", ihre Beschreibung von Leben und Vergehen, von den Zonen des Wartens, Begehrens, der Miss- und Unverständnisse und der Verrohung fortgesetzt.
Besprochen von Verena Auffermann
Katharina Hacker. Die Erdbeeren von Antons Mutter. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main. 2010. 17,95 Euro.
Im Zentrum ihres neuen, fast wie ein Krimi zu lesenden Buches, steht der in Kreuzberg praktizierende Arzt Anton, ungefähr 40 Jahre alt, ein wenig verklemmt, einsam und in einer Mutterbindung gefangen. Dazu kommen seine Freunde und Lydia. Lydia ist Ärztin wie er, sie lebt allein mit einer dreijährigen Tochter. Antons Sehnsucht, ihr nahe zu sein, steht etwas im Wege, das er sich selbst nicht erklären kann.
Nun erzählt diese Autorin nicht Alltag um des Alltags willen, nicht irgendwelche Generationsgeschichten als soziologische Recherche. In ihren Büchern laufen verschiedene Linien auf ein Unheil zu. Unheimlich ist die sich verschlimmernde Demenzerkrankung von Antons Mutter, die Katharina Hacker mit vorsichtiger Anteilnahme an dem Ritual des jährlichen Einkochens von Erdbeermarmelade festmacht. Die alte Frau hat vergessen, die Erdbeeren rechtzeitig zu pflanzen und die später von einem befreundeten Bauer gesetzten Pflanzen werden von einer Schneckenplage zerstört.
Vergessen und Zerstören, das sind die Grundmotive des Buches. Nicht vergessen kann Rüdiger Lydia. Zusammen mit Martin, der im Roman das "bucklig Männlein" genannt wird und wie die Märchenfigur das skrupellos Böse verkörpert, ist Rüdiger von einer Zeit als Söldner im Libanon und in Afghanistan zurückgekehrt. Der Krieg und das Töten hat beide verändert, verroht. Rüdiger, der von Martin unterstützt wird, möchte Lydia zurück; er weiß, dass ihr Kind seine Tochter ist.
Katharina Hacker beschreibt das ärztliche Berufsleben in seinem komplizierten Ungleichgewicht zwischen dem Privaten und dem Beruflichen, sie schildert das Leben von Antons Eltern in dem kleinen Ort Calberlah. Sie beschreibt die voranschleichende Demenz, die alle Routinen zerstört.
Katharina Hacker ist nicht an Äußerlichkeiten interessiert, sie interessiert sich für die Umgebung, für die Gewohnheiten, für die täglichen Rituale und dringt über deren Beschreibung in zwei Milieus ein. Das der Vergangenheit, die kaum Zukunft besitzt und das von Anton, seiner Freundin, seinen Freunden und Widersachern. Der Ausbruch von Gewalt, der Schuss, der Hackers Novelle den Wendepunkt gibt, könnte Folgetaten haben. Dem Acker, auf dem die Erdbeeren von Heerscharen schleimiger Schnecken vernichtet wurden, gehört der letzte Blick.
Scheinbar leicht, unangestrengt und dynamisch beim ansteigend Unheimlichen, hat Katharina Hacker eindringlich und beeindruckend ihr "Projekt", ihre Beschreibung von Leben und Vergehen, von den Zonen des Wartens, Begehrens, der Miss- und Unverständnisse und der Verrohung fortgesetzt.
Besprochen von Verena Auffermann
Katharina Hacker. Die Erdbeeren von Antons Mutter. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main. 2010. 17,95 Euro.