Ungereimtes mit Reimen versehen
Robert Gernhardt schrieb ein Sonett über seinen Hass auf Sonette - ein berühmtes Beispiel für ein komisches Gedicht. Diese Art von Lyrik wolle nicht den leisen Lacher, sondern den lauten, sagt Gregor Dotzauer vom "Tagesspiegel".
Britta Bürger: Der "Lyriksommer" heute mit Blick auf das komische Gedicht, das vielleicht noch stärker als alle anderen Gedichte vorgetragen werden möchte. Robert Gernhardt war ein Meister dieser Form.
Robert Gernhardt:
Sonette finde ich so was von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut,
Es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
dass wer Sonette schreibt, dass wer den Mut
hat, heute noch so ‛nen dumpfen Scheiß zu bauen
Allein der Fakt, dass so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen!
Ich habe da eine Sperre, und die Wut
darüber, dass so ein abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichsereien blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker!
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert,
und tick es echt nicht, und will’s echt nicht wissen,
ich find‘ Sonette unheimlich beschissen!
Bürger: Robert Gernhardt in Hochform – der "Lyriksommer" im Deutschlandradio Kultur nimmt sich heute das komische Gedicht vor im Gespräch mit dem Literaturkritiker Gregor Dotzauer, Redakteur beim "Berliner Tagesspiegel". Schönen guten Tag!
Gregor Dotzauer: Schönen guten Tag!
Bürger: Ist Robert Gernhardts Abgesang auf die Sonette einfach nur derb, provozierend, unflätig oder hält es die Regeln für ein gutes komisches Gedicht ein?
Dotzauer: Es hält erst mal zunächst sehr viele Regeln ein: Es ist eine Hommage an das Sonett, und der Witz besteht darin, dass ein fremder Ton mit einer festen Form kollidiert. In diesem Fall verpasst der Zuhörer leider die strenge Form, die man eigentlich sehen müsste. Ein Sonett besteht aus zwei Vierzeilern in der Regel und zwei Dreizeilern. Und das wird hier so verschliffen und ist eine höchste Kunstform von einem Mann, der sein Handwerk aufs Beste versteht.
Bürger: Das muss man eigentlich lesen und hören.
Dotzauer: Man muss es lesen und hören, und das ist in vielen Fällen der Fall. Das gilt auch für das sogenannte ernste Gedicht, aber ich glaube, mindestens so sehr, um den Sprachwitz zu kapieren, für das komische Gedicht.
Bürger: 2006 ist Robert Gernhardt verstorben. Er gilt als intelligentester Kopf der neuen Frankfurter Schule, dem Kreis von Autoren, die für "Pardon" und "Titanic" geschrieben haben. An welche Traditionen – des Sonetts sagen Sie, aber auch in seinen anderen Gedichten –, an welche Traditionen knüpft er noch an, und von welchen wollten er und seine Mitstreiter sich absetzen?
Dotzauer: Er ist natürlich ein großer Literatur- und Gedichthistoriker gewesen, der den Überblick hatte über 400, 500 Jahre Lyrik. Aber ich glaube, der unmittelbare Anknüpfungspunkt liegt in den 10er-, 20er-, 30er-Jahren bei Ringelnatz, Morgenstern, Tucholsky, Kästner. Das sind die Traditionen, die er ins Zeitgemäße gehoben hat, und auch mit teilweisem Umschlag ins Zynische belebt hat.
Bürger: Und wovon wollte er sich absetzen?
Dotzauer: Ich glaube, er war derjenige, der am ehesten noch den Bogen geschlagen hat zu einem Gedicht, was auch etwas sagen will, was ein etwas Existenzielles, wenn Sie so wollen, des Menschen mit fasst. Wohingegen es natürlich auch Kampfkräfte gibt, die das komische Gedicht gegen das metaphysische Gedicht in Stellung bringen wollen. Und ich glaube, davon war er weit entfernt. Und viele seiner Gedichte wollen auch Vergeblichkeit, Tod, Liebeskummer, also alles, was man mit dem Normalen, Herkömmlichen, Ernsthaften assoziiert, zusammenbringen.
Robert Gernhardt:
Sonette finde ich so was von beschissen,
so eng, rigide, irgendwie nicht gut,
Es macht mich ehrlich richtig krank zu wissen,
dass wer Sonette schreibt, dass wer den Mut
hat, heute noch so ‛nen dumpfen Scheiß zu bauen
Allein der Fakt, dass so ein Typ das tut,
kann mir in echt den ganzen Tag versauen!
Ich habe da eine Sperre, und die Wut
darüber, dass so ein abgefuckter Kacker
mich mittels seiner Wichsereien blockiert,
schafft in mir Aggressionen auf den Macker!
Ich tick nicht, was das Arschloch motiviert,
und tick es echt nicht, und will’s echt nicht wissen,
ich find‘ Sonette unheimlich beschissen!
Bürger: Robert Gernhardt in Hochform – der "Lyriksommer" im Deutschlandradio Kultur nimmt sich heute das komische Gedicht vor im Gespräch mit dem Literaturkritiker Gregor Dotzauer, Redakteur beim "Berliner Tagesspiegel". Schönen guten Tag!
Gregor Dotzauer: Schönen guten Tag!
Bürger: Ist Robert Gernhardts Abgesang auf die Sonette einfach nur derb, provozierend, unflätig oder hält es die Regeln für ein gutes komisches Gedicht ein?
Dotzauer: Es hält erst mal zunächst sehr viele Regeln ein: Es ist eine Hommage an das Sonett, und der Witz besteht darin, dass ein fremder Ton mit einer festen Form kollidiert. In diesem Fall verpasst der Zuhörer leider die strenge Form, die man eigentlich sehen müsste. Ein Sonett besteht aus zwei Vierzeilern in der Regel und zwei Dreizeilern. Und das wird hier so verschliffen und ist eine höchste Kunstform von einem Mann, der sein Handwerk aufs Beste versteht.
Bürger: Das muss man eigentlich lesen und hören.
Dotzauer: Man muss es lesen und hören, und das ist in vielen Fällen der Fall. Das gilt auch für das sogenannte ernste Gedicht, aber ich glaube, mindestens so sehr, um den Sprachwitz zu kapieren, für das komische Gedicht.
Bürger: 2006 ist Robert Gernhardt verstorben. Er gilt als intelligentester Kopf der neuen Frankfurter Schule, dem Kreis von Autoren, die für "Pardon" und "Titanic" geschrieben haben. An welche Traditionen – des Sonetts sagen Sie, aber auch in seinen anderen Gedichten –, an welche Traditionen knüpft er noch an, und von welchen wollten er und seine Mitstreiter sich absetzen?
Dotzauer: Er ist natürlich ein großer Literatur- und Gedichthistoriker gewesen, der den Überblick hatte über 400, 500 Jahre Lyrik. Aber ich glaube, der unmittelbare Anknüpfungspunkt liegt in den 10er-, 20er-, 30er-Jahren bei Ringelnatz, Morgenstern, Tucholsky, Kästner. Das sind die Traditionen, die er ins Zeitgemäße gehoben hat, und auch mit teilweisem Umschlag ins Zynische belebt hat.
Bürger: Und wovon wollte er sich absetzen?
Dotzauer: Ich glaube, er war derjenige, der am ehesten noch den Bogen geschlagen hat zu einem Gedicht, was auch etwas sagen will, was ein etwas Existenzielles, wenn Sie so wollen, des Menschen mit fasst. Wohingegen es natürlich auch Kampfkräfte gibt, die das komische Gedicht gegen das metaphysische Gedicht in Stellung bringen wollen. Und ich glaube, davon war er weit entfernt. Und viele seiner Gedichte wollen auch Vergeblichkeit, Tod, Liebeskummer, also alles, was man mit dem Normalen, Herkömmlichen, Ernsthaften assoziiert, zusammenbringen.
"Nicht nur auf Slapstick und Nonsens gepolt"
Bürger: Robert Gernhardt hat ja den Begriff der Hochkomik geprägt. Was hat er damit genau gemeint?
Dotzauer: Es ist einfach der Versuch, noch einmal eine Form der Komik zu definieren im Umkreis dieser neuen Frankfurter Schule, die auch etwas Lebensweises in sich aufnehmen kann, die eben nicht nur auf Slapstick und Nonsens gepolt ist, sondern durchaus in der Lage ist, eben auch - wovon ich gerade sprach - das etwas ernsthafter in sich aufzunehmen.
Bürger: Komische Dichtung ist ja nicht gleichzusetzen mit Witz und Klamauk. Es ist eher der gewitzte Umgang mit durchaus ernsten Themen. Ist das im Grunde auch die Chance der komischen Dichtung, manch Unerträgliches erträglich zu machen?
Dotzauer: Das ist so. Es gibt alles, es gibt die ganze Skala vom reinen Witz, von der reinen Pointe bis zu dem, was man damit assoziieren müsste, im weiteren Sinne. Also man müsste überhaupt erst mal definieren, was ist Komik. Und da streiten sich seit über 2.000 Jahren viele Theoretiker. Das fängt bei Aristoteles an, und es geht eben um den Fehler in der Form, um den Fehler in der Ordnung, das Ungereimte. Und wenn man das Ungereimte eben noch mit Reimen versieht, dann wird etwas sehr Interessantes unter Umständen daraus.
Bürger: Eine politische Haltung, ein Kommentar, eine satirische Überspitzung, all das lässt sich eben in komischen Gedichten transportieren, ist keine Erfindung der 68er, das gab es auch schon vorher. Dennoch, haben diese Gedichte ja so eine Art Verfallsdatum?
Dotzauer: Sie haben sicher einen Zeitindex. Man merkt, wann sie geschrieben worden sind. Und das kann gut sein: Wer sich nicht so ein Archiv im Kopf zurechtbastelt, dass er sie eines Tages nicht mehr versteht. Das trifft für das Sonettgedicht sicher nicht zu, aber für viele andere, die sich mit politischen Aktualitäten befassen, mit Modewörtern, die aufgegriffen werden, das hat natürlich ein Verfallsdatum. Ansonsten zielen sie genau so ins Ewige wie jedes andere Gedicht – die übrigens auch Verfallsdatum haben. Die ewigen Gedichte haben die größte Verfallsschnelligkeit.
Bürger: Zum Beispiel?
Dotzauer: Sie werden sich immer noch begeistern können für Walther von der Vogelweide und mittelhochdeutsche Lyrik, aber Sie merken natürlich, dass er aus einer anderen Zeit kommt. Sie müssen diese Gedichte übersetzen, sie müssen sie im Hinblick auf eine bestimmte Geschichte in die Jetztzeit transportieren können, und dann haben sie was davon. Das gilt für das komische Gedicht auch.
Bürger: Der Lyriksommer in Deutschlandradio Kultur, heute konzentriert auf das komische Gedicht, darüber sind wir im Gespräch mit dem Literaturkritiker Gregor Dotzauer. Nun gibt es ja auch komische Gedichte, die sich einer Botschaft oder einer Haltung bewusst verweigern, Nonsens-Gedichte – ist das im Grunde die pure Komik, also Wortwitz oder auch Buchstabensalat?
Dotzauer: Das ist das äußerste Ende dessen, was Witz sein kann, und das geht eben bis zum rein Lautlichen. Also was die moderne Lautpoesie ausmacht, kann auch sehr witzig sein, was nicht unbedingt so gemeint ist, es sind halt Effekte. Und ganz wichtig ist der Effekt des Komischen, man lacht nämlich einfach, und das passiert auch bei reiner Lautproduktion, die es ins Absurde ändert. Also wenn Sie Schwitters "Die Ursonate" hören, ist das vielleicht lustiger anzuhören, als es gemeint ist.
Bürger: Robert Gernhardt hat Maßstäbe gesetzt, aber das komische Gedicht lebt auch nach seinem Tod weiter, zum Beispiel bei dem Ex-Chefredakteur der "Titanic", Thomas Gsella oder auch bei Fritz Eckenga. Auf ihn gehen wir jetzt gleich noch näher ein, hören wir aber vielleicht erst noch ein Gedicht von Fritz Eckenga über die Krankheit Schweigegrippe.
Fritz Eckenga:
Eine begrüßenswerte Seuche
Nichts dringt ans Ohr,
Null akustischer Müll.
Kein Schwafel, kein Brüll,
das stille Idyll.
Kam noch nirgends nicht vor,
meines Wissens nie.
Wäre aber mal höchste Zeit für diese Pandemie,
Weltweit keine einzige labernde Lippe
dank Schweigegrippe.
Bürger: Fritz Eckenga ersehnt diese Schweigegrippe. Gregor Dotzauer, inwieweit tritt er damit in die Fußstapfen von Robert Gernhardt oder vielleicht auch darüber hinaus?
Dotzauer: Darüber hinaus würde ich nicht sagen. Das ist im weitesten Sinne eine Schule. Es beerbt den Witz und auch die Aggressivität der Neuen Frankfurter Schule. Es ist aber ein gutes Beispiel dafür, dass man dieses Gedicht vielleicht in zehn Jahren so nicht mehr einfach verstehen wird. Also wer nicht das Wort Schweinegrippe, auf das es rekurriert, im Kopf hat, der wird etwas verlieren.
Dotzauer: Es ist einfach der Versuch, noch einmal eine Form der Komik zu definieren im Umkreis dieser neuen Frankfurter Schule, die auch etwas Lebensweises in sich aufnehmen kann, die eben nicht nur auf Slapstick und Nonsens gepolt ist, sondern durchaus in der Lage ist, eben auch - wovon ich gerade sprach - das etwas ernsthafter in sich aufzunehmen.
Bürger: Komische Dichtung ist ja nicht gleichzusetzen mit Witz und Klamauk. Es ist eher der gewitzte Umgang mit durchaus ernsten Themen. Ist das im Grunde auch die Chance der komischen Dichtung, manch Unerträgliches erträglich zu machen?
Dotzauer: Das ist so. Es gibt alles, es gibt die ganze Skala vom reinen Witz, von der reinen Pointe bis zu dem, was man damit assoziieren müsste, im weiteren Sinne. Also man müsste überhaupt erst mal definieren, was ist Komik. Und da streiten sich seit über 2.000 Jahren viele Theoretiker. Das fängt bei Aristoteles an, und es geht eben um den Fehler in der Form, um den Fehler in der Ordnung, das Ungereimte. Und wenn man das Ungereimte eben noch mit Reimen versieht, dann wird etwas sehr Interessantes unter Umständen daraus.
Bürger: Eine politische Haltung, ein Kommentar, eine satirische Überspitzung, all das lässt sich eben in komischen Gedichten transportieren, ist keine Erfindung der 68er, das gab es auch schon vorher. Dennoch, haben diese Gedichte ja so eine Art Verfallsdatum?
Dotzauer: Sie haben sicher einen Zeitindex. Man merkt, wann sie geschrieben worden sind. Und das kann gut sein: Wer sich nicht so ein Archiv im Kopf zurechtbastelt, dass er sie eines Tages nicht mehr versteht. Das trifft für das Sonettgedicht sicher nicht zu, aber für viele andere, die sich mit politischen Aktualitäten befassen, mit Modewörtern, die aufgegriffen werden, das hat natürlich ein Verfallsdatum. Ansonsten zielen sie genau so ins Ewige wie jedes andere Gedicht – die übrigens auch Verfallsdatum haben. Die ewigen Gedichte haben die größte Verfallsschnelligkeit.
Bürger: Zum Beispiel?
Dotzauer: Sie werden sich immer noch begeistern können für Walther von der Vogelweide und mittelhochdeutsche Lyrik, aber Sie merken natürlich, dass er aus einer anderen Zeit kommt. Sie müssen diese Gedichte übersetzen, sie müssen sie im Hinblick auf eine bestimmte Geschichte in die Jetztzeit transportieren können, und dann haben sie was davon. Das gilt für das komische Gedicht auch.
Bürger: Der Lyriksommer in Deutschlandradio Kultur, heute konzentriert auf das komische Gedicht, darüber sind wir im Gespräch mit dem Literaturkritiker Gregor Dotzauer. Nun gibt es ja auch komische Gedichte, die sich einer Botschaft oder einer Haltung bewusst verweigern, Nonsens-Gedichte – ist das im Grunde die pure Komik, also Wortwitz oder auch Buchstabensalat?
Dotzauer: Das ist das äußerste Ende dessen, was Witz sein kann, und das geht eben bis zum rein Lautlichen. Also was die moderne Lautpoesie ausmacht, kann auch sehr witzig sein, was nicht unbedingt so gemeint ist, es sind halt Effekte. Und ganz wichtig ist der Effekt des Komischen, man lacht nämlich einfach, und das passiert auch bei reiner Lautproduktion, die es ins Absurde ändert. Also wenn Sie Schwitters "Die Ursonate" hören, ist das vielleicht lustiger anzuhören, als es gemeint ist.
Bürger: Robert Gernhardt hat Maßstäbe gesetzt, aber das komische Gedicht lebt auch nach seinem Tod weiter, zum Beispiel bei dem Ex-Chefredakteur der "Titanic", Thomas Gsella oder auch bei Fritz Eckenga. Auf ihn gehen wir jetzt gleich noch näher ein, hören wir aber vielleicht erst noch ein Gedicht von Fritz Eckenga über die Krankheit Schweigegrippe.
Fritz Eckenga:
Eine begrüßenswerte Seuche
Nichts dringt ans Ohr,
Null akustischer Müll.
Kein Schwafel, kein Brüll,
das stille Idyll.
Kam noch nirgends nicht vor,
meines Wissens nie.
Wäre aber mal höchste Zeit für diese Pandemie,
Weltweit keine einzige labernde Lippe
dank Schweigegrippe.
Bürger: Fritz Eckenga ersehnt diese Schweigegrippe. Gregor Dotzauer, inwieweit tritt er damit in die Fußstapfen von Robert Gernhardt oder vielleicht auch darüber hinaus?
Dotzauer: Darüber hinaus würde ich nicht sagen. Das ist im weitesten Sinne eine Schule. Es beerbt den Witz und auch die Aggressivität der Neuen Frankfurter Schule. Es ist aber ein gutes Beispiel dafür, dass man dieses Gedicht vielleicht in zehn Jahren so nicht mehr einfach verstehen wird. Also wer nicht das Wort Schweinegrippe, auf das es rekurriert, im Kopf hat, der wird etwas verlieren.
"Auf den Tag gemünzt"
Bürger: In der "taz" findet man ja in der Rubrik "Wahrheit" auch regelmäßig neue komische Gedichte. Zeichnet sich da irgendein Trend ab, eine Richtung, wohin sich das komische Gedicht noch entwickeln wird?
Dotzauer: Es ist auf jeden Fall eine sehr gängige Form, Tageskommentare zu schreiben. Und die Tatsache ist, dass in einer Tageszeitung – in diesem Fall einer, die noch so heißt dazu – regelmäßig Gedichte entstehen, die auf den Tag gemünzt sind und sich mit aktuellen Dingen befassen, die sie auch sehr spielerisch anfassen, zeugt davon, dass es eben ein Kommentar zu vielen Dingen sein kann: zu Sport – Eckenga hat ganz viele Sportgedichte geschrieben –, zu Jahreszeiten, zu allem, was man auch mit den üblichen Seiten anfängt mit politischen Kommentaren und Reportagen.
Bürger: Wir haben im Laufe dieses Lyriksommers schon häufiger darüber gesprochen, ob das tatsächlich der Fall ist, dass die Lyrik einen neuen Boom erfährt, dass es eine Renaissance der Lyrik gibt oder ob das eine pure Behauptung ist. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Dotzauer: Ich glaube, was die Resonanz beim Publikum angeht, ist es eine pure Behauptung. Es gibt - und Sie haben sicher von dieser Enzensberger‘schen Konstante schon x-mal gesprochen - einen relativ überschaubaren, stabilen Leserkreis. Es gibt aber tatsächlich eine Explosion an jungen Dichtern und Dichterinnen in Deutschland, die tatsächlich auch über teilweise größere handwerkliche Fähigkeiten verfügt, als es die Prosaautoren tun, meiner Ansicht nach.
Bürger: Und ist das komische Gedicht eines, das in diesen neuen Formen besonders stark belebt wird, also zum Beispiel auch in der Poetry Slam?
Dotzauer: Die Poetry-Slam-Bewegung würde ich davon wieder abgrenzen, aber natürlich ist es so, dass die erfolgreichsten dieser Autoren, Eckenga oder auch Gsella, auf der Bühne vor allem auftreten. Das sind große Kabarettprogramme, insofern geht es um die Bühne und das Performative.
Bürger: Das haben ja alle komische Dichter gemacht. Karl Valentin genau so wie Tucholsky und Loriot. Alle haben diese Gedichte erst mal richtig ausgekostet, indem sie sie vorgetragen haben. Schreit also das komische Gedicht noch stärker nach dem Vortrag?
Dotzauer: Unbedingt. Es will ja auch den Lacher haben, und es will nicht den leisen Lacher haben, sondern es will den lauten Lacher haben, und den womöglich noch in der Menge, die davor sitzt.
Bürger: Komische Gedichte im Blick des Literaturkritikers Gregor Dotzauer, die wir im Rahmen unseres Lyriksommers morgen noch mal aus einer anderen Perspektive betrachten. Dann geht‘s nämlich ab 13.30 Uhr in unserer Kindersendung "Kakadu" um Joachim Ringelnatz.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Dotzauer: Es ist auf jeden Fall eine sehr gängige Form, Tageskommentare zu schreiben. Und die Tatsache ist, dass in einer Tageszeitung – in diesem Fall einer, die noch so heißt dazu – regelmäßig Gedichte entstehen, die auf den Tag gemünzt sind und sich mit aktuellen Dingen befassen, die sie auch sehr spielerisch anfassen, zeugt davon, dass es eben ein Kommentar zu vielen Dingen sein kann: zu Sport – Eckenga hat ganz viele Sportgedichte geschrieben –, zu Jahreszeiten, zu allem, was man auch mit den üblichen Seiten anfängt mit politischen Kommentaren und Reportagen.
Bürger: Wir haben im Laufe dieses Lyriksommers schon häufiger darüber gesprochen, ob das tatsächlich der Fall ist, dass die Lyrik einen neuen Boom erfährt, dass es eine Renaissance der Lyrik gibt oder ob das eine pure Behauptung ist. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Dotzauer: Ich glaube, was die Resonanz beim Publikum angeht, ist es eine pure Behauptung. Es gibt - und Sie haben sicher von dieser Enzensberger‘schen Konstante schon x-mal gesprochen - einen relativ überschaubaren, stabilen Leserkreis. Es gibt aber tatsächlich eine Explosion an jungen Dichtern und Dichterinnen in Deutschland, die tatsächlich auch über teilweise größere handwerkliche Fähigkeiten verfügt, als es die Prosaautoren tun, meiner Ansicht nach.
Bürger: Und ist das komische Gedicht eines, das in diesen neuen Formen besonders stark belebt wird, also zum Beispiel auch in der Poetry Slam?
Dotzauer: Die Poetry-Slam-Bewegung würde ich davon wieder abgrenzen, aber natürlich ist es so, dass die erfolgreichsten dieser Autoren, Eckenga oder auch Gsella, auf der Bühne vor allem auftreten. Das sind große Kabarettprogramme, insofern geht es um die Bühne und das Performative.
Bürger: Das haben ja alle komische Dichter gemacht. Karl Valentin genau so wie Tucholsky und Loriot. Alle haben diese Gedichte erst mal richtig ausgekostet, indem sie sie vorgetragen haben. Schreit also das komische Gedicht noch stärker nach dem Vortrag?
Dotzauer: Unbedingt. Es will ja auch den Lacher haben, und es will nicht den leisen Lacher haben, sondern es will den lauten Lacher haben, und den womöglich noch in der Menge, die davor sitzt.
Bürger: Komische Gedichte im Blick des Literaturkritikers Gregor Dotzauer, die wir im Rahmen unseres Lyriksommers morgen noch mal aus einer anderen Perspektive betrachten. Dann geht‘s nämlich ab 13.30 Uhr in unserer Kindersendung "Kakadu" um Joachim Ringelnatz.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.