Ungesunde Zahlen
Kritischer kann man den Medizinbetrieb kaum unter die Lupe nehmen: Ein Team von Wissenschaftlern zerlegt in diesem Sammelband die PR-Versprechen der Pharmalobby - und zeigt, wie in der Medizin Ergebnisse schöngefärbt werden.
Wie gut ist das neue Krebsmedikament? Welche Vorsorgeuntersuchung ist sinnvoll? Wie sicher sind medizinische Studien? Pharmafirmen versprechen gern enorme Heilungschancen, obwohl der tatsächliche Nutzen vieler Medikamente nicht besonders hoch ist. Mit Zahlen und Statistiken werden oft Wirkungen positiver dargestellt, als sie es tatsächlich sind. Eine verbreitete Strategie, die Laien kaum durchschauen können. Das wird mit diesem Buch anders.
Insgesamt 16 Wissenschaftler aus der Medizin- und Gesundheitsforschung zeigen detailliert die Fallstricke des Medizinbetriebs auf. Sie untersuchen für den Laien verständlich Zahlen und Statistiken, beleuchten die unterschiedlichen Macharten von Studien und zeigen eindrücklich, was sich hinter den Heilversprechen von Ärzten und Pharmaunternehmen verbirgt. Kritischer kann man den Medizinbetrieb kaum unter die Lupe nehmen.
Ein Beispiel: Ein neues Medikament gegen Lungenkrebs verlängert laut Hersteller, die Überlebenszeit auf über ein Jahr. Das klingt viel, ist aber bei genauem Hinsehen nicht richtig. Mit dem Medikament, so die Recherche des Autorenteams, überleben die Patienten zwar 12 Monate, ohne das Mittel sind es aber immerhin noch zehn Monate Überlebenszeit. Das macht eine Differenz von zwei Monaten und nicht, wie angepriesen von einem Jahr. Das ist kein Einzelfall, sondern verbreitete Marketingstrategie, betonen die Autoren, die alle im Buch aufgeführten Substanzen beim Namen und Hersteller nennen.
Das allein birgt Sprengstoff. Gesellschaftlich allemal. Und auch der Leser profitiert: Erhält er doch hier das Rüstzeug für einen kritischen Umgang mit großen Heilsversprechen. Zumal die enorme Rechercheleistung die Glaubwürdigkeit der Autoren untermauert. Nüchtern haben sie alle Zahlen und Daten aufgelistet und liefern dem Leser in Grafiken und Tabellen sehr anschauliche Zusammenfassungen zu Studienergebnissen, neuen Operationsverfahren und Therapien.
Ebenfalls eindrucksvoll beschrieben ist, wie schnell und unkritisch in der Politik Therapien zu Kassenleistungen werden. Ohne wissenschaftliche Prüfung, beklagen die Autoren, werden vor allem zu Wahlkampfzeiten Arzneimittel genehmigt, die sich im günstigsten Fall nach kurzer Zeit als unwirksam erweisen.
Die Autoren werfen deshalb auch einen Blick auf andere Gesundheitssysteme wie in Großbritannien, Australien oder den USA. Anders als in Deutschland werden dort neue Therapieleistungen nur dann von den Krankenkassen bezahlt, wenn Patienten an einer Studie dazu teilnehmen. So werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, die Patienten erhalten die neusten Behandlungen und gleichzeitig wird gemessen, wie effektiv die Therapie tatsächlich für die Gesamtbevölkerung ist. Einer von vielen guten Hinweisen und Vorschlägen in diesem Buch, über den es sich nachzudenken lohnt.
Besprochen von Susanne Nessler
Claudia Wild, Brigitte Piso (Hg.): Zahlenspiele in der Medizin. Eine kritische Analyse
Orac Verlag, Wien 2010
224 Seiten, 19,90 Euro
Insgesamt 16 Wissenschaftler aus der Medizin- und Gesundheitsforschung zeigen detailliert die Fallstricke des Medizinbetriebs auf. Sie untersuchen für den Laien verständlich Zahlen und Statistiken, beleuchten die unterschiedlichen Macharten von Studien und zeigen eindrücklich, was sich hinter den Heilversprechen von Ärzten und Pharmaunternehmen verbirgt. Kritischer kann man den Medizinbetrieb kaum unter die Lupe nehmen.
Ein Beispiel: Ein neues Medikament gegen Lungenkrebs verlängert laut Hersteller, die Überlebenszeit auf über ein Jahr. Das klingt viel, ist aber bei genauem Hinsehen nicht richtig. Mit dem Medikament, so die Recherche des Autorenteams, überleben die Patienten zwar 12 Monate, ohne das Mittel sind es aber immerhin noch zehn Monate Überlebenszeit. Das macht eine Differenz von zwei Monaten und nicht, wie angepriesen von einem Jahr. Das ist kein Einzelfall, sondern verbreitete Marketingstrategie, betonen die Autoren, die alle im Buch aufgeführten Substanzen beim Namen und Hersteller nennen.
Das allein birgt Sprengstoff. Gesellschaftlich allemal. Und auch der Leser profitiert: Erhält er doch hier das Rüstzeug für einen kritischen Umgang mit großen Heilsversprechen. Zumal die enorme Rechercheleistung die Glaubwürdigkeit der Autoren untermauert. Nüchtern haben sie alle Zahlen und Daten aufgelistet und liefern dem Leser in Grafiken und Tabellen sehr anschauliche Zusammenfassungen zu Studienergebnissen, neuen Operationsverfahren und Therapien.
Ebenfalls eindrucksvoll beschrieben ist, wie schnell und unkritisch in der Politik Therapien zu Kassenleistungen werden. Ohne wissenschaftliche Prüfung, beklagen die Autoren, werden vor allem zu Wahlkampfzeiten Arzneimittel genehmigt, die sich im günstigsten Fall nach kurzer Zeit als unwirksam erweisen.
Die Autoren werfen deshalb auch einen Blick auf andere Gesundheitssysteme wie in Großbritannien, Australien oder den USA. Anders als in Deutschland werden dort neue Therapieleistungen nur dann von den Krankenkassen bezahlt, wenn Patienten an einer Studie dazu teilnehmen. So werden zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen, die Patienten erhalten die neusten Behandlungen und gleichzeitig wird gemessen, wie effektiv die Therapie tatsächlich für die Gesamtbevölkerung ist. Einer von vielen guten Hinweisen und Vorschlägen in diesem Buch, über den es sich nachzudenken lohnt.
Besprochen von Susanne Nessler
Claudia Wild, Brigitte Piso (Hg.): Zahlenspiele in der Medizin. Eine kritische Analyse
Orac Verlag, Wien 2010
224 Seiten, 19,90 Euro