Brügge bekommt Bier-Pipeline
Bierwagen sollen nicht mehr durch die Weltkulturerbe-Altstadt von Brügge fahren. Deshalb hat eine Brauerei entschieden: Sie baut eine Pipeline zwischen Brauerei und Abfüllstation - drei Kilometer unter der Altstadt hindurch.
Wir stehen über den Dächern von Brügge. Unter uns: Brügges wohl bekannteste Brauerei "De halve maan". Die Produktion läuft auf Hochtouren. Doch dafür hat Brauereiführer Frank im Moment weder Ohr noch Blick. Er zeigt wie gebannt auf einen grauen Plattenbau in der Ferne: "Da hinten am Horizont, dieses graue Gebäude, das ist das Krankenhaus von Brügge - und direkt daneben, im Industriegebiet, steht unsere Abfüllanlage!", erzählt er.
Bierlaster durch die Weltkulturerbe-Altstadt: ein No-Go
Das Problem ist nur: Zwischen Brauerei und Abfüllanlage liegt die Altstadt von Brügge - UNESCO-Weltkulturerbe: enge schmale Häuser, winzige Gassen. Wie man halt vor Hunderten von Jahren gebaut hat, aber eben nicht sonderlich geeignet für den modernen Bierbrauer von heute, der weiter an seinem Stammhaus produzieren möchte.
Fünf Millionen Liter Bier im Jahr stellt das Team von Brauereichef Xavier Vanneste inzwischen her, Tendenz weiter steigend. Wie kriegt man also das zusätzliche Bier zur Abfüllanlage, wenn man nicht mehr Tanklaster fahren lassen darf, weil sonst die Denkmalschützer der UNESCO auf die Barrikaden gehen?
"Die meisten hielten es für einen Scherz"
Bei einem Spaziergang beobachtet Vanneste Kanalarbeiter und hat die Idee mit der privaten Bierpipeline. "Ich hatte ein interessantes Gespräch mit meiner Schwester, die damals im Öl- und Gasbusiness gearbeitet hat", erzählt der Brauereichef. "Die sagte nur: Wir machen so was jeden Tag, die Technik ist da - wurde halt nur noch nicht für Bier benutzt."
Vanneste lässt die Pläne erarbeiten - und geht mit seinem Konzept zum Bürgermeister. "Seine Reaktion war wie bei vielen Menschen. Die meisten nahmen uns nicht für voll, hielten das ganze für einen Scherz, für etwas, was man nur sehr schwierig umsetzen kann."
Über drei Kilometer Pipeline
Vanneste schaffte es aber; 3,2 Kilometer ist die Pipeline lang geworden, bis zu 35 Meter tief in der Erde. Die Bierpipeline, sie führt unter Straßen, Plätzen und Grachten hindurch. Selbst ein Parkhaus lässt er untertunneln für sein Bier. Am Ende ging es nur noch um das Geld: Und es geschah wie im Märchen. Vanneste startete einen Aufruf: "Wer viel investiert hat, in das Projekt, für den gibt es im Gegenzug lebenslanges Freibier!" - Und die treuen Fans seines Bier gaben gerne.
An die 300.000 Euro kamen so zusammen, etwa ein Zehntel der Investitionssumme. Nach gut einem halben Jahr Bauzeit ist die Pipeline inzwischen fertig, laufen die letzten Tests. Das Bier wird sich Zeit lassen können für die gut drei Kilometer. Etwa eine halbe Stunde dauert es durch die Leitung von der Altstadt bis zur Abfüllanlage. Wir pumpen sehr vorsichtig, sagt der junge Brauereichef - und lacht. Na dann, Prost, Brügge!