Sparen vor der Wahl
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An der Martin-Luther-Universität gibt es mehr Studierende als einst geplant. Doch die finanziellen Mittel reichen nicht aus. Jetzt haben Einspardiskussionen kurz vor der Landtagswahl Proteste ausgelöst.
"Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung." So hatte es einst John F. Kennedy vorgerechnet und diese Überzeugung findet sich auch 60 Jahre später noch immer auf Plakaten.
Erst heute Mittag auf dem Universitätsplatz von Halle war der Spruch zu lesen, als einige Hundert junge Menschen sich lautstark Sorgen um ihre akademische Zukunft machten. Der Grund: Am Nachmittag sollte der Senat der Uni über ein dickes Bündel von Einsparungen beraten.
Wieder einmal sollen die kleinen Fächer, gern auch Orchideen genannt, dran glauben. Mit im Senat sitzt Lukas Wanke, als Vertreter der Studierenden. Er zählt auf: "In der Tat, es geht um 13 Professuren, die heute weggestrichen werden sollen, und da stellen wir uns gegen, weil wir vor allem die Vielfalt an der Martin-Luther-Universität schätzen und die kleinen Fächer, die auch genau so bedeutend sind wie die großen, wie Wirtschaft und Politik und was auch immer."
Die kleinen Fächer sind gefährdet
Kleine Fächer, in Halle zählen dazu Latinistik, Indologie und Japanologie oder Altertumskunde. Sie alle könnten durch den Rost fallen, befürchtet diese Kunstgeschichtsstudentin: "Bei uns werden zwei Professuren einfach gekürzt, und das kleine Fach Altertumskunde wird einfach herausgestrichen. Und dass aber geschichtliche Themen gerade heutzutage unbedingt Bildung erfahren und besprochen werden müssen, das zeigt sich eben auch in den aktuellen Umfragen zum Landtag."
Würde das vorgelegte Papier umgesetzt, könnten 100 akademische Stellen wegfallen, und weitere in der Verwaltung würden folgen, ist sich Reiner Härter sicher. Er kennt als langjähriger Personalrat der Universität solche Strukturierungsprozesse:
"Die sind immer unterfinanziert. Wir haben seit spätestens 1993 einen permanenten Personalabbau. Allein diese Universität hat über 7.000 Stellen abbauen müssen und es geht von Etappe zu Etappe immer weiter. Die letzte große Etappe war 2006 die Schließung der Ingenieurwissenschaften, und jetzt sind wir an dem nächsten Punkt, wo also Bundesmittel nicht mehr ausreichen, um die Unterfinanzierung auszugleichen."
Was aber steckt eigentlich hinter dem Finanzloch von aktuell 15 Millionen? Rektor Christian Tietje spricht dabei von chronischer Unterfinanzierung durch das Land. So war es auch schon vor zehn Jahren. 12.000 Studienplätze galten seinerzeit als Obergrenze.
Jeder dritte kommt aus dem Westen
Tatsächlich sind es derzeit aber rund 20.000. Jeder dritte Studierende kommt dabei aus den alten Bundesländern, denn dort platzen vielfach Hochschulen aus ihren Nähten, während der Osten durch ein demografisches Tal watet und eigentlich seine Hochschulplätze reduzieren müsste.
Ein bundesweiter Hochschulpakt finanzierte deshalb auch die halleschen Überkapazitäten, immerhin mit 10 Millionen Euro allein für Halle. Doch auch dieser Geldfluss wird jetzt spärlicher.
2014 dann tauchten neue Zukunftspläne auf, wieder einmal sollte das Personal verringert werden. In dieser Fantasie verdampften ganze Institute, darunter Geowissenschaften, Sportwissenschaften, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie, Informatik und auch das Studienkolleg für die Vorbereitung ausländischer Studenten. Das sei aber im Einvernehmen mit der Landesregierung und sinnvollerweise nicht umgesetzt worden, heißt es heute im Senat.
Darüber ist man erleichtert, auch im Wissenschaftsministerium. Gegenfinanziert ist das Ganze trotzdem nicht. Auch nicht durch die jüngst unterzeichnete Zielvereinbarung mit dem Land, die die Geldströme für die nächsten Jahre sichern soll.
Auch deshalb zeigt sich Wissenschaftsminister Armin Willingmann völlig überrascht von dem Angriff aus Halle:
"Entscheidend ist, eine solche Diskussion so losgetreten, schwächt natürlich den Standort, weil wir zum jetzigen Zeitpunkt, im Grunde zur Unzeit, eine Diskussion über Fächer und Angebote haben, die doch in aller Ruhe geführt werden muss, in den akademische Gremien, dann auch mit dem zuständigen Wissenschaftsministerium. Aber dieser Aufschlag hat natürlich sehr viel Unruhe in die wissenschaftliche Welt gebracht."
Die Verantwortung wird weitergereicht
Und in die politische, die jetzt alle ihr Süppchen auf dem Unifeuer kochen wollen. Je nach Mitgliedschaft im Regierungslager oder in dem der Opposition wird der Schwarze Peter hin und her geschoben.
Währenddessen tagte der Senat heute Nachmittag, und zwar als Online-Sitzung öffentlich. Und das Angebot sei reichlich genutzt worden, war zu erfahren. Nach einem anfänglich emotionalen Teil ging es aber schnell in die praktische Diskussion.
Denn die kritische Haushaltssituation sei nicht abzustreiten und deshalb müsse man sich auch einer Debatte zur Profilschärfung und Haushaltskonsolidierung stellen, heißt es nun in einem kurz gehaltenen Beschluss, der die ursprünglichen Pläne des Rektorats nicht mehr erwähnt.
Der akademische Senat stellt zudem fest, dass die Größenordnung der erforderlichen Maßnahmen erheblich davon abhängt, in welchem Umfang sich die Landespolitik ihren finanziellen Verpflichtungen stellt.
Aber "die" Landespolitik gibt es demnächst erst einmal nicht mehr. Am Sonntag sind Landtagswahlen und von welchen politischen Mehrheiten dann die Hochschullandschaft abhängen wird, steht in den Sternen.