Unorthodoxer islamischer Freidenker
Der türkische Journalist und Autor Sadik Yalsizucanlar erzählt in "Der Wanderer" die Geschichte von Muyiddin Ibn Arabi, eine Art muslimischer Freimaurer im frühen Mittelalter. Er war ein so genannter Sufi und stritt für die Gleichheit aller Religionen und Menschen. Seine Forderung nach strikter Trennung von Politik und Religion dürfte manch einen religiösen Fanatiker verärgern.
Die Verleihung des diesjährigen Literatur-Nobelpreises an den türkischen Schriftsteller Orhan Pamuk hat generell das Interesse für türkische Literatur geweckt, und es besteht großer Nachholbedarf. Ein in Deutschland vollkommen unbekannter Autor ist Sadik Yalsizucanlar, ein TV- und Hörfunk-Journalist, der bisher acht Bücher veröffentlicht hat. Zum ersten Mal ist jetzt ein Buch von ihm in deutscher Sprache erschienen, sein vorletztes, es heißt "Der Wanderer".
Grundlage des Romans ist die Biographie des größten und wichtigsten Philosophen des Islam, Muyiddin Ibn Arabi, sein Beiname war "der Wanderer"; er lebte von 1165 bis 1240, wuchs auf in Andalusien, studierte Philosophie und Religion und unternahm lange Wanderungen durch den Mittelmeerraum bis nach Mekka und in den Nahen Osten und publizierte Bücher.
Ibn Arabi war ein so genannter Sufi; Sufis, die es übrigens auch heute noch gibt, sind Gelehrte, Mönche, Asketen sehr unterschiedlicher Ausprägung. Was aber allen Sufis gemeinsam ist, das ist ihr Bekenntnis zu Bescheidenheit und Besitzlosigkeit; die Sufis sind eine Art unorthodoxe, islamische Freimaurer-Loge, die aus Philanthropen besteht.
Im Prinzip war Ibn Arabi ein Revolutionär des Islam, für ihn waren alle Menschen und Religionen gleich. So gibt es in dem Buch eine Szene, wo Ibn Arabi in Mekka die Kaaba umschreitet und plötzlich die Eingebung hat, er sei nicht nur Muslim, sondern genauso Christ und auch Jude.
Und Ibn Arabi kritisierte vehement politische Ausprägungen des Islam: er tat die machtpolitisch überkrusteten Auslegungen des Koran, die auch heute noch mehr denn je eine entscheidende Rolle spielen, wörtlich als "Larifari" ab. Außerdem sprach er sich strikt für die Säkularisierung von Politik und Religion aus, also für die Trennung von Staat und Kirche gegen den so genannten Gottesstaat.
"Der Wanderer" ist eine zeitgeschichtlich-philosophische wie literarisch-orientalische Perle, ein Buch für das man sich sehr viel Ruhe nehmen sollte. Es besteht aus Anekdoten, Bildern, Fabeln und auch aus Rätseln, die oft nicht einmal aufgelöst werden. Der Roman erinnert stark an Hermann Hesses "Siddharta", also an die buddhistische Suche eines Wanderers nach sich selbst; Sadik Yalsizucanlar ist übrigens ein profunder Kenner der europäischen Philosophie von den Griechen über Martin Luther bis zu Jean-Paul Sartre.
Was diesen Roman so wundervoll macht, das ist seine philosophische Tiefe, seine absolute Modernität und seine überbordende Poesie:
"Mein Herz ist empfänglich geworden für jede Form, ... Der Religion der Liebe bin ich ergeben; wohin immer die Kamele der Liebe mich tragen, dort ist meine Religion und mein Glaube."
"Der Wanderer" wendet sich sicher nicht an ein Massenpublikum, aber wer sich darauf einlässt, der wird zutiefst berührt sein.
Rezensiert von Lutz Bunk
Sadik Yalsizucanlar: Der Wanderer
Übersetzt von Beatrix Caner
Literaturca Verlag 2006
267 Seiten, 15,50 Euro
Grundlage des Romans ist die Biographie des größten und wichtigsten Philosophen des Islam, Muyiddin Ibn Arabi, sein Beiname war "der Wanderer"; er lebte von 1165 bis 1240, wuchs auf in Andalusien, studierte Philosophie und Religion und unternahm lange Wanderungen durch den Mittelmeerraum bis nach Mekka und in den Nahen Osten und publizierte Bücher.
Ibn Arabi war ein so genannter Sufi; Sufis, die es übrigens auch heute noch gibt, sind Gelehrte, Mönche, Asketen sehr unterschiedlicher Ausprägung. Was aber allen Sufis gemeinsam ist, das ist ihr Bekenntnis zu Bescheidenheit und Besitzlosigkeit; die Sufis sind eine Art unorthodoxe, islamische Freimaurer-Loge, die aus Philanthropen besteht.
Im Prinzip war Ibn Arabi ein Revolutionär des Islam, für ihn waren alle Menschen und Religionen gleich. So gibt es in dem Buch eine Szene, wo Ibn Arabi in Mekka die Kaaba umschreitet und plötzlich die Eingebung hat, er sei nicht nur Muslim, sondern genauso Christ und auch Jude.
Und Ibn Arabi kritisierte vehement politische Ausprägungen des Islam: er tat die machtpolitisch überkrusteten Auslegungen des Koran, die auch heute noch mehr denn je eine entscheidende Rolle spielen, wörtlich als "Larifari" ab. Außerdem sprach er sich strikt für die Säkularisierung von Politik und Religion aus, also für die Trennung von Staat und Kirche gegen den so genannten Gottesstaat.
"Der Wanderer" ist eine zeitgeschichtlich-philosophische wie literarisch-orientalische Perle, ein Buch für das man sich sehr viel Ruhe nehmen sollte. Es besteht aus Anekdoten, Bildern, Fabeln und auch aus Rätseln, die oft nicht einmal aufgelöst werden. Der Roman erinnert stark an Hermann Hesses "Siddharta", also an die buddhistische Suche eines Wanderers nach sich selbst; Sadik Yalsizucanlar ist übrigens ein profunder Kenner der europäischen Philosophie von den Griechen über Martin Luther bis zu Jean-Paul Sartre.
Was diesen Roman so wundervoll macht, das ist seine philosophische Tiefe, seine absolute Modernität und seine überbordende Poesie:
"Mein Herz ist empfänglich geworden für jede Form, ... Der Religion der Liebe bin ich ergeben; wohin immer die Kamele der Liebe mich tragen, dort ist meine Religion und mein Glaube."
"Der Wanderer" wendet sich sicher nicht an ein Massenpublikum, aber wer sich darauf einlässt, der wird zutiefst berührt sein.
Rezensiert von Lutz Bunk
Sadik Yalsizucanlar: Der Wanderer
Übersetzt von Beatrix Caner
Literaturca Verlag 2006
267 Seiten, 15,50 Euro