Unruhen in Frankreich
Ist Gewalt eigentlich ansteckend? Das fragt sich halb Europa nach den zweiwöchigen Aufständen in Frankreichs Vorstädten. Dort musste der Notstand mit Ausgehverbot verhängt werden.
Die stolze Devise von Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit, klingt in den Ohren jener Jugendlichen wie Hohn. Jeder Brandsatz gegen Autos oder Schulen ist ihre brutale Antwort auf das dreifach gebrochene Versprechen der französischen Republik. Freiheit? Sie führt diese jungen Leute zum Arbeitsamt, wo keine Jobs auf sie warten. Gleichheit? Wer Mohammed heißt und aus den Vorstädten kommt, lernt rasch, dass es die so nicht gibt. Brüderlichkeit? Bis vor kurzem gab es noch den Kontaktpolizisten, der seinen Wohnort mit jenen teilte, die er zu kontrollieren hatte. Der Posten wurde abgeschafft, statt dessen schickt die Regierung jetzt Spezialeinheiten.
Kann das auch bei uns passieren, fragen sich die Nachbarn in Berlin, Birmingham, Brüssel angesichts von Fernsehbildern, die manch leichtsinniger Schwadroneur mit Bagdad vergleicht.
Und alle Nachbarn Frankreichs antworten ängstlich mit einem leisen Nein.
Nein, Berlin ist (noch) nicht Paris, der Brüsseler Stadtteil Saint Gilles ist (noch) nicht wie die Pariser Vorstadt Clichy sous Bois, auch wenn Nachahmer vereinzelt Feuer legen.
Dabei leben auch in diesen Städten viele Menschen auf der Schattenseite der Moderne. Dabei beklagen Ortskundige auch dort eine Integration, die auf der Kippe steht, mit Schülern, die nicht mehr zur Schule gehen, mit Eltern, die ihre Kinder nicht mehr recht kennen, mit Kindern, die ihre Eltern kaum sehen.
Überall ist Frankreich. Aber eben doch nur ein bisschen. Das darf niemanden beruhigen. Zu groß die Ähnlichkeiten. Denn was ist in Frankreichs Vorstädten falsch gelaufen?
Zum Beispiel die Baupolitik. Vor zwanzig Jahren warnte ein linker Premierminister vor aufgebrochenen Briefkästen und blockierten Fahrstühlen. Das seien Vorboten der Verrohung. Freilich, die kennt man auch anderswo, in den tristen Mietskasernen außerhalb der französischen Republik. Deren Regierungen rechtfertigen sich, sie hätten doch -zig Milliarden für den Städtebau ausgegeben. Stimmt sogar. Doch so haben sie nur ihr Gewissen beruhigt, aber nicht die Misere verbessert.
Oder nehmen wir die Schulpolitik. Wer wie das französische System nur auf Abitur und Studium zielt, hat denen, die gescheiter ein Handwerk lernen, bald nichts mehr anzubieten. Oder die Sozialpolitik, vom Präsidenten in ganz Europa soeben noch als "Französisches Sozialmodell" gepriesen, als Vorbild für alle, die sich gegen die Unwetter der Globalisierung schützen wollen. Die Sozialhilfeempfänger der Vorstädte freilich sind nicht Opfer der Weltwirtschaft, sondern von hausgemachten Verfehlungen.
Und schließlich: Die Geschichts- und Gedächtnispolitik. Den heutigen Ausnahmezustand definierte vor 50 Jahren ein Gesetz mitten im blutigen Algerienkrieg, Heute wird es auf die Kindeskinder des einstigen Kolonialvolks angewandt. Die denken sich ihren Teil, wenn zugleich an Frankreichs Schulen gelehrt wird, dass der Kolonialismus seine guten Seiten habe. Wer derart gefühllos Politik macht, zeigt nur, dass er die Herausforderung der Integration nicht verstanden hat. Einwanderer und ihre Kinder haben Pflichten, da hat Frankreichs Premier schon Recht. Aber die Alteingesessenen eben auch. Sonst brennen die Vorstädte.
Kann das auch bei uns passieren, fragen sich die Nachbarn in Berlin, Birmingham, Brüssel angesichts von Fernsehbildern, die manch leichtsinniger Schwadroneur mit Bagdad vergleicht.
Und alle Nachbarn Frankreichs antworten ängstlich mit einem leisen Nein.
Nein, Berlin ist (noch) nicht Paris, der Brüsseler Stadtteil Saint Gilles ist (noch) nicht wie die Pariser Vorstadt Clichy sous Bois, auch wenn Nachahmer vereinzelt Feuer legen.
Dabei leben auch in diesen Städten viele Menschen auf der Schattenseite der Moderne. Dabei beklagen Ortskundige auch dort eine Integration, die auf der Kippe steht, mit Schülern, die nicht mehr zur Schule gehen, mit Eltern, die ihre Kinder nicht mehr recht kennen, mit Kindern, die ihre Eltern kaum sehen.
Überall ist Frankreich. Aber eben doch nur ein bisschen. Das darf niemanden beruhigen. Zu groß die Ähnlichkeiten. Denn was ist in Frankreichs Vorstädten falsch gelaufen?
Zum Beispiel die Baupolitik. Vor zwanzig Jahren warnte ein linker Premierminister vor aufgebrochenen Briefkästen und blockierten Fahrstühlen. Das seien Vorboten der Verrohung. Freilich, die kennt man auch anderswo, in den tristen Mietskasernen außerhalb der französischen Republik. Deren Regierungen rechtfertigen sich, sie hätten doch -zig Milliarden für den Städtebau ausgegeben. Stimmt sogar. Doch so haben sie nur ihr Gewissen beruhigt, aber nicht die Misere verbessert.
Oder nehmen wir die Schulpolitik. Wer wie das französische System nur auf Abitur und Studium zielt, hat denen, die gescheiter ein Handwerk lernen, bald nichts mehr anzubieten. Oder die Sozialpolitik, vom Präsidenten in ganz Europa soeben noch als "Französisches Sozialmodell" gepriesen, als Vorbild für alle, die sich gegen die Unwetter der Globalisierung schützen wollen. Die Sozialhilfeempfänger der Vorstädte freilich sind nicht Opfer der Weltwirtschaft, sondern von hausgemachten Verfehlungen.
Und schließlich: Die Geschichts- und Gedächtnispolitik. Den heutigen Ausnahmezustand definierte vor 50 Jahren ein Gesetz mitten im blutigen Algerienkrieg, Heute wird es auf die Kindeskinder des einstigen Kolonialvolks angewandt. Die denken sich ihren Teil, wenn zugleich an Frankreichs Schulen gelehrt wird, dass der Kolonialismus seine guten Seiten habe. Wer derart gefühllos Politik macht, zeigt nur, dass er die Herausforderung der Integration nicht verstanden hat. Einwanderer und ihre Kinder haben Pflichten, da hat Frankreichs Premier schon Recht. Aber die Alteingesessenen eben auch. Sonst brennen die Vorstädte.