Unruhiger Jungstar

Von Christian Geuenich |
Jacob Matschenz ist schwer beschäftigt. So sehr, dass er nicht einmal den Grimme-Preis für seine Darstellung eines NVA-Soldaten in "An die Grenze" abholen konnte. Der 24-jährige Jungschauspieler verblüfft in diesem Jahr mit unausweichlicher Leinwandpräsenz: Er ist in gleich sieben Kinoproduktionen zu sehen.
"Ich hab Spaß am Leben und finde das Leben schön, ich kann mich über nichts beschweren, es geht mir gerade wahnsinnig gut. Surrealerweise laufen sieben Kinofilme dieses Jahr mit mir, ich hab den Grimme-Preis bekommen, es ist alles super. Das ist schon fast surreal, also wenn ich mich jetzt hinstellen würde und noch irgendwelche Forderungen ans Leben stellen würde, dann würde ich mir ein bisschen undankbar vorkommen."

Jacob Matschenz zu treffen, ist gar nicht so einfach, denn der Jungschauspieler ist viel beschäftigt und hatte nicht einmal Zeit, sich den Grimme-Preis für seine Rolle als junger NVA-Soldat in "An die Grenze" abzuholen. Gerade steht er in der Eifel für einen Fernsehkrimi als Dorfpolizist vor der Kamera. An seinem drehfreien Tag sitzt der blonde 24-Jährige mit den lachenden blau-grauen Augen und dem kleinen Grübchen im Kinn im lila Kapuzenpulli in einem Kölner Cafe, liest ein Drehbuch, raucht und löffelt seinen Kakao. Direkt um die Ecke hat er während der Dreharbeiten zum Kinofilm "Neandertal" gewohnt.

Filmausschnitt "Neandertal":
Guido: "Ich hatte schon Neurodermitis, als es noch gar keinen Namen dafür gab. Ich hab alles versucht, ich hab mich mit Natur und Chemie eingecremt, ich hab in Salz, in Öl, in Stutenmilch und sogar in meiner eigenen Pisse gebadet. Ich hab Salz, Öl, Stutenmilch und sogar meine eigene Pisse getrunken, ich hab mir Nadeln in die Ohren stechen, Strom durch meinen Körper jagen lassen, ich war am Meer, ich war in den Bergen, es hat alles nicht geholfen."

In der Coming-of-Age-Geschichte "Neandertal" ist Jacob Matschenz als Jugendlicher zu sehen, der nach einem schweren Neurodermitis-Schub beginnt, sein Leben und seine Familie zu hinterfragen. Nach und nach entdeckt er, dass sein Vater ein Verhältnis mit der Nachbarin hat und seine Mutter Alkoholikerin ist - beides Gründe dafür, warum seine Haut als "Spiegel seiner Seele" so heftig reagiert. Anderthalb Stunden hat Jacob Matschenz während der Dreharbeiten in der Maske verbracht, sich teilweise erschrocken, wenn er hinterher in der Spiegel geschaut hat.

"Als wir die ersten Maskentests hatten, bin ich auch mit der Maske durch Köln gelaufen, und da siehst du dann auch, wie heftig Leute darauf reagieren, dass sie dich anders angucken durch so eine Maske, obwohl man viele Neurodermitiker sieht, das ist ja fast Volkskrankheit Nummer 3."

Ansonsten ist er ganz froh, dass er trotz seiner Leinwandpräsenz noch relativ unbehelligt über die Straße laufen kann. Sich selbst kann Jacob Matschenz auf der Leinwand nur schwer ertragen, dazu ist er viel zu selbstkritisch und fast immer mit seiner Leistung unzufrieden.

"Ich glaube, es ist auch gut, da unzufrieden oder auch hungrig zu bleiben, dass du dich da weiterentwickelst und siehst, dass es auch noch anders geht."

Jacob Matschenz ist in Berlin-Buch aufgewachsen, mit 13 dann nach Pankow gezogen, der Vater Beamter, die Mutter Kindergärtnerin. Er war der Klassenclown, hat Sketche auswendig gelernt, ist beim Gedichtvortrag durch die Klasse gerannt und gibt lachend zu, dass er wohl immer schon einen leichten Hang zur Selbstdarstellung gehabt hat.

"Zu unserem Abschluss von unserer Grundschule, da haben wir ein kleines Fest gemacht mit unserer Lehrerin und haben so kleine Stücke und Lieder aufgeführt, und ich hab das moderiert und hab da komplett das Programm gesprengt, weil es war alles so durchorganisiert und es funktionierte alles nicht und ich musste improvisieren und damit hatte ich Spaß und im Prinzip habe ich meine Neurose zum Beruf gemacht." (lacht)

Als Jacob Matschenz 15 war, hat ihm seine Mutter einen Castingaufruf in einem Berliner Stadtmagazin gezeigt. Er wurde zwar abgelehnt, versuchte es aber weiter und stand dann mit 16 das erste Mal vor der Kamera.

Seine Eltern waren froh, dass er endlich etwas gefunden hatte, um seine Energie zu kanalisieren. Nein, leicht habe er es ihnen wirklich nicht gemacht, sagt Matschenz kopfschüttelnd. Er sei von zwei Schulen geflogen, weil er sich mit den Lehrern angelegt hat.

"Na ja, ich bin halt auch so ein ADHS-Kind grob gesagt, ich kann die Füße halt auch nicht still halten und das einzige, wo es mir hilft, das abzuschalten, ist wirklich während der Arbeit. Nicht, dass ich dann am Set ganz ruhig sitze und in meiner Rolle bin, absolut gar nicht, also ich bin dann auch so ein Springinsfeld, aber es hilft mir absolut, da auch meine Energie irgendwo reinzuleiten und das macht mir Spaß, das liebe ich."

Der Durchbruch gelang dem Jungschauspieler mit seiner Rolle als sensibler Teenager Malte in der Coming-of-Age-Geschichte "Das Lächeln der Tiefseefische", für die er 2005 mit dem Max-Ophüls-Preis ausgezeichnet wurde. Mit dem Gedanken, auf eine Schauspielschule zu gehen, hat der Autodidakt zwar immer wieder gespielt, die Horrorgeschichten, die er von dort gehört hat, haben ihn allerdings abgeschreckt.

"Ich glaube, jetzt werde ich es nicht mehr machen, weil es gibt viele gute Schauspielschulen, aber was sie verpennt haben seit etlicher Zeit, sie bilden alle nur auf Theater aus. Das ist auch gut, das soll auch die Grundlage sein, aber in der Medienlandschaft, in der wir gerade leben, es abzulehnen und zu sagen, nee, Theater ist nur die große Kunst, es ist große Kunst, aber nicht (mehr), als es Film auch sein kann."

Jacob Matschenz ist facettenreich, kann den sensiblen Verzweifelten genauso spielen wie den übermütigen Draufgänger, vielleicht ist er gerade deswegen so gefragt. Wenn er von Dreharbeiten kommt, sehnt sich der sonst so unruhige 24-Jährige dann allerdings nach Ruhe und ist froh, in seine WG mit seiner zwei Jahre älteren Schwester zu kommen.

"Da liege ich dann auch gerne im Bett und setz mich vor meine Playstation, und lese halt nur Comics oder Bücher, mach mein Handy aus, will auch nicht gestört werden. Klar, wenn man die ganze Zeit unter Strom steht, dann verbrennst du auch wahnsinnig viel an Energie."

Einen Fernseher hat der Schauspieler nicht, das schlechte Programm rege ihn zu sehr auf. Auch Computer und Internet verweigert er sich, da sei er eher konservativ, sagt Jacob Matschenz und lächelt.

"Ich bin schon ein kleiner Spießer im Enddefekt, also in den Vorstellungen in zehn Jahren oder so, der Idealfall ist, dass ich mein kleines Fachwerkhaus habe und auch meine Kuh und mein Schwein und auch selbst schlachten muss und mich selbst ernähre. Das ist vielleicht Utopie, aber irgendwas muss man ja haben."