Unter den Dächern von Paris
Dieses gebundene Buch von über 600 Seiten passt schwerlich in eine Jacketttasche, Flanieren wird man mit ihm also wohl kaum können. Und doch sollte keiner, dem Städte mehr bedeuten als eine Ansammlung vermeintlich gesichtsloser Straßen und - um nochmals jene kulturkritische, stets etwas ins Antidemokratische changierende Banalität zu zitieren - "anonymer Massen", auf Eric Hazans "Die Erfindung von Paris. Kein Schritt vergebens" verzichten.
Paris-Liebhaber (also jene, die sich nicht mit Ulrich Wickerts zum Buch gewordenen frankophilen Launigkeiten oder der Erinnerung an Romy Schneider und Horst Buchholz in "Montpi" zufrieden geben) könnten freilich fragen, ob dies denn wirklich sein müsse, erneut ein Wälzer über die Stadt der europäischen Moderne. Hatte nicht bereits vor einigen Jahren des Konstanzer Romanisten Karlheinz Stierles "Der Mythos von Paris. Zeichen und Bewusstsein der Stadt" für Furore gesorgt, schien über die urbane Heimat von Balzac und Baudelaire nicht bereits alles gesagt? Ja und Nein.
Eric Hazan, 1936 geborener Pariser Verleger, lässt nämlich erstens seine Stadtgeschichte nicht im 19.Jahrhundert enden und wählt zweitens auch einen anderen Weg: Er geht zu Fuß. Hat Walter Benjamins Passagen-Werk im Kopf und läuft über die, einst von Haussmann unter dem Klagegeheul der damaligen Konservativen geschaffenen, Grand Boulevards. Promeniert über die Place Saint-Jacques im 14. Arrondissement und erinnert sich an Victor Hugos Schilderung der grausigen Schafott-Hinrichtungen. Streift durch Passy und Auteuil oder Montmartre und denkt an die Zeiten, als dies noch veritable Dörfer waren und die Windmühlen noch keine Touristenattraktionen á la "Moulin Rouge".
Doch auch das Paris der Commune, die Stadt unter Gestapo-Herrschaft und französischer Kollaboration werden dem ebenso neugierigen wie belesenen Spaziergänger wieder lebendig, diese mitunter etwas arrogant und selbstbezüglich wirkende Stadt, die ihre Befreiung 1944 schließlich den jungen Soldaten der US Army verdankte, das Paris vom Mai 1968, die Viertel der afrikanischen und arabischen Einwanderer gleich hinter der Gare du Nord…
In der Tat: Kein Schritt vergebens, dagegen jeder Pflasterstein, jede Straße mit politischer Historie und Kulturgeschichte nur so umgeben. Dass bei alldem aus dem Spaziergang kein ermüdender Gewaltritt wird, mag dem französischen Gefühl für Maß und Eleganz geschuldet sein: Freundlich parlierend dargebotene Kenntnis statt besserwisserischer Detailhuberei. Wer dieses Buch gelesen hat, wird sich jedenfalls fragen, wie er jemals in dieser Stadt leben oder sie auch nur besuchen konnte, ohne Eric Hazan zu Rate gezogen zu haben. Denn bekanntlich gilt: Man sieht nur, was man weiß.
Eric Hazan: Die Erfindung von Paris. Kein Schritt vergebens
Aus dem Französischen von Michael Müller und Karin Uttendörfer.
Ammann Verlag, Zürich 2006, 634 Seiten
Eric Hazan, 1936 geborener Pariser Verleger, lässt nämlich erstens seine Stadtgeschichte nicht im 19.Jahrhundert enden und wählt zweitens auch einen anderen Weg: Er geht zu Fuß. Hat Walter Benjamins Passagen-Werk im Kopf und läuft über die, einst von Haussmann unter dem Klagegeheul der damaligen Konservativen geschaffenen, Grand Boulevards. Promeniert über die Place Saint-Jacques im 14. Arrondissement und erinnert sich an Victor Hugos Schilderung der grausigen Schafott-Hinrichtungen. Streift durch Passy und Auteuil oder Montmartre und denkt an die Zeiten, als dies noch veritable Dörfer waren und die Windmühlen noch keine Touristenattraktionen á la "Moulin Rouge".
Doch auch das Paris der Commune, die Stadt unter Gestapo-Herrschaft und französischer Kollaboration werden dem ebenso neugierigen wie belesenen Spaziergänger wieder lebendig, diese mitunter etwas arrogant und selbstbezüglich wirkende Stadt, die ihre Befreiung 1944 schließlich den jungen Soldaten der US Army verdankte, das Paris vom Mai 1968, die Viertel der afrikanischen und arabischen Einwanderer gleich hinter der Gare du Nord…
In der Tat: Kein Schritt vergebens, dagegen jeder Pflasterstein, jede Straße mit politischer Historie und Kulturgeschichte nur so umgeben. Dass bei alldem aus dem Spaziergang kein ermüdender Gewaltritt wird, mag dem französischen Gefühl für Maß und Eleganz geschuldet sein: Freundlich parlierend dargebotene Kenntnis statt besserwisserischer Detailhuberei. Wer dieses Buch gelesen hat, wird sich jedenfalls fragen, wie er jemals in dieser Stadt leben oder sie auch nur besuchen konnte, ohne Eric Hazan zu Rate gezogen zu haben. Denn bekanntlich gilt: Man sieht nur, was man weiß.
Eric Hazan: Die Erfindung von Paris. Kein Schritt vergebens
Aus dem Französischen von Michael Müller und Karin Uttendörfer.
Ammann Verlag, Zürich 2006, 634 Seiten