Unter der Lupe
Die Aufnahmen im Fotoband "Nanowelten" des Autors Richard Jones zeigen bekannte Formen in ungekannter Auflösung. Die winzige Oberfläche eines Schmetterlingsflügels kann unter dem Rasterelektronenmikroskop schon einmal aussehen wie ein Stapel zerknitterter Handtücher oder ein Bündel Strohhalme.
Seit mehreren hundert Jahren erhaschen Menschen durch Lichtmikroskope einen Blick auf winzige Strukturen, die mit dem bloßen Auge nur schwer zu erkennen sind. "Nanowelten" eröffnet dem Leser die Welt des Rasterelektronenmikroskops und geht damit noch einen riesigen Schritt weiter. Das Rasterelektronenmikroskop kann Strukturen abbilden, die noch zwei bis drei Größenordnungen kleiner sind als das Auflösungsvermögen der besten Lichtmikroskope. Die Welt, die sich bei solchen Vergrößerungen präsentiert, ist fremdartig. Jede Vertrautheit verliert sich, alles verschwimmt, mal zu architektonisch, mal zu organisch anmutenden Mustern. Richard Jones gewährt mit seinem Bildband einen beeindruckenden Blick in dieses Reich bizarrer Formen und Strukturen.
Manche Bücher sind heiter durch die Geschichten, die sie erzählen, andere lehrreich oder spannend. Manche stimmen nachdenklich durch die Gedanken, die sie verbreiten. "Nanowelten" hingegen ist vor allem sinnlich. Es ist ein Bilderbuch. Es will weniger gelesen, als betrachtet werden. Dafür bietet es auf 156 von 207 Seiten ganzseitige Fotos, die den Betrachter manchmal auf den ersten Blick an scheinbar Vertrautes erinnern: An Sitzreihen aus einem alten Kino vielleicht, bei denen sich das Polster ablöst, an einen Stapel unordentlich gefalteter Handtücher, ein Bündel Strohhalme mit unterschiedlichem Durchmesser oder an eine Düsenturbine. Aber genaueres Hinsehen offenbart schnell, dass es sich um etwas anderes handeln muss.
Die Bilder heben isolierte Details von Tieren oder Pflanzen in einer Auflösung hervor, die es unmöglich macht, sie noch diesen Tieren oder Pflanzen zuzuordnen. Nur die Bildunterschrift und das nebenstehende Foto eben jener Tier- oder Pflanzenart geben verlässlich Aufschluss über die Herkunft dieser mitunter sehr vertraut erscheinenden, aber doch fremden Oberflächen und Skulpturen. Es sind die im Mikrometerbereich aufgelösten Oberflächen eines Schmetterlingsflügels und eines Spinnenhinterleibs, der vergrößerte Querschnitt eines Bambusrohrs, die futuristisch anmutende Sporenkapsel einer Moosart und einiges mehr, die dort zu sehen sind.
Richard Jones präsentiert die nachkolorierten Bilder der Rasterelektronenmikroskopie etwas willkürlich geordnet nach Formen und Funktionen. Die Grenzen sind fließend bei dieser Auflösung. So zeigt sich in den wie Panzerplatten geformten Schuppen eines Silberfischchens unweigerlich auch ihre Schutzfunktion für das Insekt. Aber es geht ihm sowieso nicht um eine sachliche Betrachtung, sondern "um die Würdigung der von der Natur geschaffenen Kunst", wie er in der Einleitung schreibt.
Liegt hier also eher ein Kunst- als ein Sachbuch vor? Auch wer mit der Prämisse, es hier mit Kunstwerken zu tun zu haben, nicht übereinstimmt, wird sich dem ästhetischen Reiz der Bilder nur schwer entziehen können. Die Aufnahmen lenken den Blick auf spektakuläre Details und regen das Vorstellungsvermögen beinah unvermeidlich an, assoziative Vergleiche zu Vertrautem herzustellen. Kleiner Trost für Leseratten: Kurze Texte geben im Anschluss jeweils etwas genauer Aufschluss über biologische Besonderheiten der abgebildeten Arten.
Besprochen von Gerrit Stratmann
Richard Jones: Nanowelten. Die fabelhafte Welt des Mikrokosmos
Frederking & Thaler Verlag, München 2009
207 Seiten, 29.95 Euro
Manche Bücher sind heiter durch die Geschichten, die sie erzählen, andere lehrreich oder spannend. Manche stimmen nachdenklich durch die Gedanken, die sie verbreiten. "Nanowelten" hingegen ist vor allem sinnlich. Es ist ein Bilderbuch. Es will weniger gelesen, als betrachtet werden. Dafür bietet es auf 156 von 207 Seiten ganzseitige Fotos, die den Betrachter manchmal auf den ersten Blick an scheinbar Vertrautes erinnern: An Sitzreihen aus einem alten Kino vielleicht, bei denen sich das Polster ablöst, an einen Stapel unordentlich gefalteter Handtücher, ein Bündel Strohhalme mit unterschiedlichem Durchmesser oder an eine Düsenturbine. Aber genaueres Hinsehen offenbart schnell, dass es sich um etwas anderes handeln muss.
Die Bilder heben isolierte Details von Tieren oder Pflanzen in einer Auflösung hervor, die es unmöglich macht, sie noch diesen Tieren oder Pflanzen zuzuordnen. Nur die Bildunterschrift und das nebenstehende Foto eben jener Tier- oder Pflanzenart geben verlässlich Aufschluss über die Herkunft dieser mitunter sehr vertraut erscheinenden, aber doch fremden Oberflächen und Skulpturen. Es sind die im Mikrometerbereich aufgelösten Oberflächen eines Schmetterlingsflügels und eines Spinnenhinterleibs, der vergrößerte Querschnitt eines Bambusrohrs, die futuristisch anmutende Sporenkapsel einer Moosart und einiges mehr, die dort zu sehen sind.
Richard Jones präsentiert die nachkolorierten Bilder der Rasterelektronenmikroskopie etwas willkürlich geordnet nach Formen und Funktionen. Die Grenzen sind fließend bei dieser Auflösung. So zeigt sich in den wie Panzerplatten geformten Schuppen eines Silberfischchens unweigerlich auch ihre Schutzfunktion für das Insekt. Aber es geht ihm sowieso nicht um eine sachliche Betrachtung, sondern "um die Würdigung der von der Natur geschaffenen Kunst", wie er in der Einleitung schreibt.
Liegt hier also eher ein Kunst- als ein Sachbuch vor? Auch wer mit der Prämisse, es hier mit Kunstwerken zu tun zu haben, nicht übereinstimmt, wird sich dem ästhetischen Reiz der Bilder nur schwer entziehen können. Die Aufnahmen lenken den Blick auf spektakuläre Details und regen das Vorstellungsvermögen beinah unvermeidlich an, assoziative Vergleiche zu Vertrautem herzustellen. Kleiner Trost für Leseratten: Kurze Texte geben im Anschluss jeweils etwas genauer Aufschluss über biologische Besonderheiten der abgebildeten Arten.
Besprochen von Gerrit Stratmann
Richard Jones: Nanowelten. Die fabelhafte Welt des Mikrokosmos
Frederking & Thaler Verlag, München 2009
207 Seiten, 29.95 Euro