Unter Polizeischutz zur Kaufhalle
Julia Oelkers hat einen Film über Manuel Nhacuton gedreht, der vor 20 Jahren Vertragsarbeiter in Hoyerswerda war und die rassistischen Übergriffe hautnah miterlebt hat. Als sie jetzt wieder in der Stadt waren, wurden sie angepöbelt. Es habe sich nichts geändert, findet Nhacuton.
Susanne Führer: Am 17. September 1991 beginnen in Hoyerswerda die schwersten Angriffe auf Ausländer, die es seit Jahrzehnten in Deutschland gegeben hatte: Skinheads ziehen durch die Stadt zum Heim für die Vertragsarbeiter, pöbeln, grölen, werfen Flaschen und Steine. In den folgenden Tagen wird der Mob immer größer, immer aggressiver, am fünften Tag kapituliert die Politik, die Ausländer werden weggebracht aus Hoyerswerda unter Polizeischutz und unter dem Jubel der Einwohner.
Manuel Nhacuton war damals Vertragsarbeiter aus Mosambik in Hoyerswerda. Er hat die Stadt vor Kurzem wieder besucht und ist jetzt hier bei uns im Studio. Herzlich Willkommen, Herr Nhacuton!
Manuel Alexandre Nhacuton: Danke schön!
Führer: Außerdem zu Gast ist Julia Oelkers, sie hat einen Film über Manuel Nhacuton gedreht und arbeitet zurzeit an einem weiteren Film über die Ereignisse in Hoyerswerda. Schön, dass auch Sie da sind, Frau Oelkers! Hallo!
Julia Oelkers: Hallo!
Führer:Herr Nhacuton, Sie lebten ja damals, im September 1991, schon seit mehreren Jahren in Deutschland beziehungsweise der DDR. Kam dieser Angriff, kam diese Ausschreitung, kam das für Sie überraschend?
Nhacuton: Ja, muss ich mal sagen, überraschend – das Ausmaß, dass es direkt ins Wohnheim also Angriffe stattgefunden haben, das war überraschend. Also, früher war es so unterwegs mit Beleidigungen, so eine Art und Weise von Diskriminierung, die nicht direkt an Personen ging, sondern so. Aber dann sind sie gekommen, als wir dann im Wohnheim waren.
Alle anderen waren noch auf Arbeit, und Teile von uns waren im Wohnheim. Und plötzlich Gesang, Beleidigungen – und da haben wir versucht, mit Mülltonnen und Flaschen und Ähnlichem, uns zu verteidigen, aber das ist uns nicht gelungen, die sind ja mit den anderen Einwohnern dort, die in diesem Wohnkomplex wohnten. Dann sind sie rumgestanden dort und haben in die Hände geklatscht ...
Führer: Vor dem Heim, die ...
Nhacuton: ... vor dem Heim. Und dann standen die Skinheads im Vordergrund, und dann haben sie uns dann angegriffen, haben auch Steine geworfen, und dann kam die Polizei, aber nur ein Wagen ist dazu gekommen. Und die haben nichts unternommen. Das heißt, wenn die Polizei gleichzeitig das alles unternommen hat, etwas unternommen hat, wäre das nicht so ein großes Ausmaß.
Führer: Sie meinen, wenn sie die gleich sozusagen festgenommen und weggeführt hätten, sofort was gemacht hätten?
Nhacuton: Ja, also, mit allen Mitteln, denn ich glaube, so einen Spezialeinsatz gibt es doch, entweder mit Wasser oder so was Ähnliches. Dann hat es doch eine Woche angedauert dort, sodass man enorme Schwierigkeiten hatte, zur Arbeit zu gehen, und so zum Einkaufen, und so und Müll aus dem Haus zu tragen.
Führer: Sind Sie denn zur Arbeit gegangen, sind Sie einkaufen gegangen?
Nhacuton: Eine Woche nicht. Eine Woche lang stand die Polizei da unten und hatte so eine Art von Brücke aufgebaut, damit wir direkt in die Kaufhalle gehen konnten.
Führer: Also, Sie sind unter Polizeischutz ...
Nhacuton: Unter Polizeischutz zur Kaufhalle und wieder heim.
Führer: ... einkaufen gegangen?
Nhacuton: Ja.
Führer: Aber mehr haben die nicht gemacht. Und die Menschen aus Hoyerswerda standen weiter rum und haben ...
Nhacuton: Ja, immer nach Feierabendzeit, also so um halb zwei bis ... ab halb zwei standen schon Leute unten. Das haben sie täglich eine Woche lang gemacht.
Führer: Ich fand ja – es gibt ja zum einen so diese Skinheads, die diese Steine geworfen haben und so, das ist ja schlimm genug, aber ich fand fast noch erschreckender, dass so viele der Menschen, die da leben, also da applaudiert haben. Das muss ja für Sie entsetzlich gewesen sein.
Nhacuton: Das ist ja das Bild, was dann also für uns zu schrecklich war. Man hat das Gefühl gehabt damals, man wollte uns nicht. Also, keine Skinheads, sondern unsere Arbeitskollegen und Nachbarn wollen uns nicht.
Führer: Kannten Sie manche von denen, die Sie da gesehen haben?
Nhacuton: Vom Sehen her ja, stimmt. Hoyerswerda ist eine kleine Stadt, wo fast alle in der Schwarzen Pumpe und im Tagebau, in Welzow gearbeitet haben. Man kannte sich untereinander vom Sehen her.
Führer: Und dann sind Sie weggebracht worden aus Hoyerswerda, vor 20 Jahren?
Nhacuton: Ja, mit Bussen in Richtung Flughafen, und da bin ich nach Berlin gekommen, hier bin ich bis 1995 geblieben, und alle anderen sind dann gleichzeitig zurück.
Führer: Manuel Nhacuton ist zu Gast in Deutschlandradio Kultur. Wir sprechen über die Ereignisse in Hoyerswerda vor 20 Jahren und über Hoyerswerda heute. Nämlich auch zu Gast ist Julia Oelkers, die Fernsehjournalistin. Frau Oelkers, Sie haben Herrn Nhacuton begleitet vor wenigen Tagen, als sie wieder in Hoyerswerda waren auf Einladung des Bürgermeisters. Wie ist dieser Besuch verlaufen?
Oelkers: Ja, es war jetzt nicht direkt eine Einladung des Bürgermeisters, aber Herr Nhacuton ist jetzt hier als Referent eingeladen gewesen zu einer Veranstaltung, und wir haben die Möglichkeit genutzt, noch mal mit ihm nach Hoyerswerda zu fahren. Ich habe ihn kennengelernt damals in Berlin und habe damals schon an einem Film mitgearbeitet über ihn, und das war für uns jetzt die Möglichkeit, da noch mal hinzufahren.
Und wir haben uns aber angemeldet bei dem Bürgermeister. Also, es gibt eine Ausstellung in Hoyerswerda, und wir haben gesagt, wir kommen mit einem Kamerateam und mit den Zeitzeugen, und daraufhin hat er uns dann auch empfangen und hat ihm die Ausstellung gezeigt und hat ein anderes Bild der Stadt gezeichnet. Er hat gesagt, es sei sozusagen Vergangenheit, sie würden sich der Vergangenheit jetzt auch stellen, aber heute sei das eigentlich kein Problem mehr.
Wir haben mit Manuel vorher schon an alten Orten gedreht, wo er früher gearbeitet hat im Tagebau, weil das zu so einem Porträt ja dazugehört – das ist ja eigentlich eine übliche Geschichte, dass man zu den alten Orten zurückgeht –, und sind dann auch noch mal mit ihm und zusammen mit zwei Freunden aus Ghana – der eine davon war damals Asylbewerber in Hoyerswerda – zum dem alten Wohnheim gegangen in der Albert-Schweitzer-Straße, auch mit der Kamera begleitet, weil er einfach erzählen sollte, wo er gewohnt hat, und wie das damals war, und sind da eigentlich nach fünf Minuten schon – wir sind da kaum aufgetaucht, dann gab es schon rassistische Pöbeleien, die wurden als Buschnigger beschimpft, Geh nach Hause nach Afrika, was wollt ihr hier, von den Leuten, die da rumstanden oder aus den Fenstern raus, also, es war eine sehr unangenehme Situation.
Führer: Wie war das für Sie, Herr Nhacuton? Haben Sie wieder Angst bekommen?
Nhacuton: Ja, ich habe wieder Angst bekommen, und für mich war das wie 20 Jahre vorher. Also, das war das gleiche Bild. Und ich habe mich gefragt: Warum bin ich wieder nach Hoyerswerda gefahren? Sollte ich doch gleich in Berlin bleiben. Aber es hat mich an schreckliche Erinnerungen gebracht. Da wollte ich schon wieder ganz schnell nach Berlin.
Führer: Haben Sie die Polizei gerufen?
Nhacuton: Ja, die Polizei wurde angerufen. Und schon wieder kam sie etwas zu spät und hat sich mehr um das Kamerateam gekümmert, also, um die Kamera, sollte die an bleiben oder aus bleiben?
Führer: Ah ja.
Nhacuton: Die haben nicht gleich gefragt: Was ist los, wer hat euch beleidigt, oder wer hat euch hier angegriffen? Die Frage kam erst nicht, sondern: Machen Sie die Kamera aus. Sprechen Sie mit mir oder mit der Kamera! So was, etwas arrogant. So, der Polizist kümmert sich um Menschen – das ist das Erste, soviel ich weiß.
Führer: Frau Oelkers?
Oelkers: Ja, ich muss vielleicht noch dazu sagen, wir wollten solche Szenen nicht haben, wir wollten unsere Protagonisten gar nicht so einer Situation aussetzen, und hatten vorher sowohl bei der Polizei als auch beim Bürgermeister angefragt, wie sie das einschätzen, ob wir das machen können, oder ob wir auf irgendwas achten müssen, wenn wir mit den drei Gästen dort unterwegs sind, und von allen war die Auskunft, nein, es sei kein Problem, und die Stadt sei völlig sicher, und es gebe gar kein Problem mit rechten oder rassistischen Menschen, und wir könnten uns da ganz normal bewegen und müssten eigentlich nichts bedenken.
Führer: Und was hatten Sie für einen Eindruck? Waren das jetzt so ein paar einzelne Spinner, die sehen eben einen Schwarzafrikaner und machen dann einen blöden Spruch, oder war das wieder so eine, wie man sagt, Volkesstimme, die da sprach?
Oelkers: Also, das steht nicht für die Stadt. Ich würde nie behaupten, die ganze Stadt sei so. Das sind natürlich Einzelne, die sich da hervor tun, aber sie haben eine relativ breite Unterstützung zumindest da vor Ort gehabt. Es gab halt niemanden, der sich dann einmischt und sich auf die Seite der Angegriffenen stellt.
Oder es gab jetzt auch im Nachhinein – das fand ich besonders erschreckend –, es haben ja danach viele bei mir angerufen und gefragt: Was ist da passiert? Und da war eigentlich die größte Sorge immer nur, dass das Image der Stadt beschädigt wird. Aber es gab wenig Empathie oder Bedauern den angegriffenen oder den beleidigten Männern gegenüber oder vielleicht mal ein Nachfragen, wie es denen denn jetzt geht. Das fand ich eigentlich so am erschreckendsten.
Führer: Herr Nhacuton, haben Sie den Eindruck, dass in der Stadt sich was geändert hat?
Nhacuton: Ja, was sich geändert hat, wäre vielleicht, dass einige Gebäude abgerissen wurden, aber mehr nicht. Ich sehe also von der Albert-Schweitzer-Straße das gleiche Bild wie vorher?
Führer: Albert-Schweitzer-Straße, was ist das?
Nhacuton: Das ist die Adresse, wo das Wohnheim sich befindet.
Führer: Ah ja. Aber die Atmosphäre haben Sie als genau so feindselig empfunden?
Nhacuton: Ja.
Führer: Julia Oelkers und Manuel Nhacuton, ich danke Ihnen herzlich für Ihren Besuch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Manuel Nhacuton war damals Vertragsarbeiter aus Mosambik in Hoyerswerda. Er hat die Stadt vor Kurzem wieder besucht und ist jetzt hier bei uns im Studio. Herzlich Willkommen, Herr Nhacuton!
Manuel Alexandre Nhacuton: Danke schön!
Führer: Außerdem zu Gast ist Julia Oelkers, sie hat einen Film über Manuel Nhacuton gedreht und arbeitet zurzeit an einem weiteren Film über die Ereignisse in Hoyerswerda. Schön, dass auch Sie da sind, Frau Oelkers! Hallo!
Julia Oelkers: Hallo!
Führer:Herr Nhacuton, Sie lebten ja damals, im September 1991, schon seit mehreren Jahren in Deutschland beziehungsweise der DDR. Kam dieser Angriff, kam diese Ausschreitung, kam das für Sie überraschend?
Nhacuton: Ja, muss ich mal sagen, überraschend – das Ausmaß, dass es direkt ins Wohnheim also Angriffe stattgefunden haben, das war überraschend. Also, früher war es so unterwegs mit Beleidigungen, so eine Art und Weise von Diskriminierung, die nicht direkt an Personen ging, sondern so. Aber dann sind sie gekommen, als wir dann im Wohnheim waren.
Alle anderen waren noch auf Arbeit, und Teile von uns waren im Wohnheim. Und plötzlich Gesang, Beleidigungen – und da haben wir versucht, mit Mülltonnen und Flaschen und Ähnlichem, uns zu verteidigen, aber das ist uns nicht gelungen, die sind ja mit den anderen Einwohnern dort, die in diesem Wohnkomplex wohnten. Dann sind sie rumgestanden dort und haben in die Hände geklatscht ...
Führer: Vor dem Heim, die ...
Nhacuton: ... vor dem Heim. Und dann standen die Skinheads im Vordergrund, und dann haben sie uns dann angegriffen, haben auch Steine geworfen, und dann kam die Polizei, aber nur ein Wagen ist dazu gekommen. Und die haben nichts unternommen. Das heißt, wenn die Polizei gleichzeitig das alles unternommen hat, etwas unternommen hat, wäre das nicht so ein großes Ausmaß.
Führer: Sie meinen, wenn sie die gleich sozusagen festgenommen und weggeführt hätten, sofort was gemacht hätten?
Nhacuton: Ja, also, mit allen Mitteln, denn ich glaube, so einen Spezialeinsatz gibt es doch, entweder mit Wasser oder so was Ähnliches. Dann hat es doch eine Woche angedauert dort, sodass man enorme Schwierigkeiten hatte, zur Arbeit zu gehen, und so zum Einkaufen, und so und Müll aus dem Haus zu tragen.
Führer: Sind Sie denn zur Arbeit gegangen, sind Sie einkaufen gegangen?
Nhacuton: Eine Woche nicht. Eine Woche lang stand die Polizei da unten und hatte so eine Art von Brücke aufgebaut, damit wir direkt in die Kaufhalle gehen konnten.
Führer: Also, Sie sind unter Polizeischutz ...
Nhacuton: Unter Polizeischutz zur Kaufhalle und wieder heim.
Führer: ... einkaufen gegangen?
Nhacuton: Ja.
Führer: Aber mehr haben die nicht gemacht. Und die Menschen aus Hoyerswerda standen weiter rum und haben ...
Nhacuton: Ja, immer nach Feierabendzeit, also so um halb zwei bis ... ab halb zwei standen schon Leute unten. Das haben sie täglich eine Woche lang gemacht.
Führer: Ich fand ja – es gibt ja zum einen so diese Skinheads, die diese Steine geworfen haben und so, das ist ja schlimm genug, aber ich fand fast noch erschreckender, dass so viele der Menschen, die da leben, also da applaudiert haben. Das muss ja für Sie entsetzlich gewesen sein.
Nhacuton: Das ist ja das Bild, was dann also für uns zu schrecklich war. Man hat das Gefühl gehabt damals, man wollte uns nicht. Also, keine Skinheads, sondern unsere Arbeitskollegen und Nachbarn wollen uns nicht.
Führer: Kannten Sie manche von denen, die Sie da gesehen haben?
Nhacuton: Vom Sehen her ja, stimmt. Hoyerswerda ist eine kleine Stadt, wo fast alle in der Schwarzen Pumpe und im Tagebau, in Welzow gearbeitet haben. Man kannte sich untereinander vom Sehen her.
Führer: Und dann sind Sie weggebracht worden aus Hoyerswerda, vor 20 Jahren?
Nhacuton: Ja, mit Bussen in Richtung Flughafen, und da bin ich nach Berlin gekommen, hier bin ich bis 1995 geblieben, und alle anderen sind dann gleichzeitig zurück.
Führer: Manuel Nhacuton ist zu Gast in Deutschlandradio Kultur. Wir sprechen über die Ereignisse in Hoyerswerda vor 20 Jahren und über Hoyerswerda heute. Nämlich auch zu Gast ist Julia Oelkers, die Fernsehjournalistin. Frau Oelkers, Sie haben Herrn Nhacuton begleitet vor wenigen Tagen, als sie wieder in Hoyerswerda waren auf Einladung des Bürgermeisters. Wie ist dieser Besuch verlaufen?
Oelkers: Ja, es war jetzt nicht direkt eine Einladung des Bürgermeisters, aber Herr Nhacuton ist jetzt hier als Referent eingeladen gewesen zu einer Veranstaltung, und wir haben die Möglichkeit genutzt, noch mal mit ihm nach Hoyerswerda zu fahren. Ich habe ihn kennengelernt damals in Berlin und habe damals schon an einem Film mitgearbeitet über ihn, und das war für uns jetzt die Möglichkeit, da noch mal hinzufahren.
Und wir haben uns aber angemeldet bei dem Bürgermeister. Also, es gibt eine Ausstellung in Hoyerswerda, und wir haben gesagt, wir kommen mit einem Kamerateam und mit den Zeitzeugen, und daraufhin hat er uns dann auch empfangen und hat ihm die Ausstellung gezeigt und hat ein anderes Bild der Stadt gezeichnet. Er hat gesagt, es sei sozusagen Vergangenheit, sie würden sich der Vergangenheit jetzt auch stellen, aber heute sei das eigentlich kein Problem mehr.
Wir haben mit Manuel vorher schon an alten Orten gedreht, wo er früher gearbeitet hat im Tagebau, weil das zu so einem Porträt ja dazugehört – das ist ja eigentlich eine übliche Geschichte, dass man zu den alten Orten zurückgeht –, und sind dann auch noch mal mit ihm und zusammen mit zwei Freunden aus Ghana – der eine davon war damals Asylbewerber in Hoyerswerda – zum dem alten Wohnheim gegangen in der Albert-Schweitzer-Straße, auch mit der Kamera begleitet, weil er einfach erzählen sollte, wo er gewohnt hat, und wie das damals war, und sind da eigentlich nach fünf Minuten schon – wir sind da kaum aufgetaucht, dann gab es schon rassistische Pöbeleien, die wurden als Buschnigger beschimpft, Geh nach Hause nach Afrika, was wollt ihr hier, von den Leuten, die da rumstanden oder aus den Fenstern raus, also, es war eine sehr unangenehme Situation.
Führer: Wie war das für Sie, Herr Nhacuton? Haben Sie wieder Angst bekommen?
Nhacuton: Ja, ich habe wieder Angst bekommen, und für mich war das wie 20 Jahre vorher. Also, das war das gleiche Bild. Und ich habe mich gefragt: Warum bin ich wieder nach Hoyerswerda gefahren? Sollte ich doch gleich in Berlin bleiben. Aber es hat mich an schreckliche Erinnerungen gebracht. Da wollte ich schon wieder ganz schnell nach Berlin.
Führer: Haben Sie die Polizei gerufen?
Nhacuton: Ja, die Polizei wurde angerufen. Und schon wieder kam sie etwas zu spät und hat sich mehr um das Kamerateam gekümmert, also, um die Kamera, sollte die an bleiben oder aus bleiben?
Führer: Ah ja.
Nhacuton: Die haben nicht gleich gefragt: Was ist los, wer hat euch beleidigt, oder wer hat euch hier angegriffen? Die Frage kam erst nicht, sondern: Machen Sie die Kamera aus. Sprechen Sie mit mir oder mit der Kamera! So was, etwas arrogant. So, der Polizist kümmert sich um Menschen – das ist das Erste, soviel ich weiß.
Führer: Frau Oelkers?
Oelkers: Ja, ich muss vielleicht noch dazu sagen, wir wollten solche Szenen nicht haben, wir wollten unsere Protagonisten gar nicht so einer Situation aussetzen, und hatten vorher sowohl bei der Polizei als auch beim Bürgermeister angefragt, wie sie das einschätzen, ob wir das machen können, oder ob wir auf irgendwas achten müssen, wenn wir mit den drei Gästen dort unterwegs sind, und von allen war die Auskunft, nein, es sei kein Problem, und die Stadt sei völlig sicher, und es gebe gar kein Problem mit rechten oder rassistischen Menschen, und wir könnten uns da ganz normal bewegen und müssten eigentlich nichts bedenken.
Führer: Und was hatten Sie für einen Eindruck? Waren das jetzt so ein paar einzelne Spinner, die sehen eben einen Schwarzafrikaner und machen dann einen blöden Spruch, oder war das wieder so eine, wie man sagt, Volkesstimme, die da sprach?
Oelkers: Also, das steht nicht für die Stadt. Ich würde nie behaupten, die ganze Stadt sei so. Das sind natürlich Einzelne, die sich da hervor tun, aber sie haben eine relativ breite Unterstützung zumindest da vor Ort gehabt. Es gab halt niemanden, der sich dann einmischt und sich auf die Seite der Angegriffenen stellt.
Oder es gab jetzt auch im Nachhinein – das fand ich besonders erschreckend –, es haben ja danach viele bei mir angerufen und gefragt: Was ist da passiert? Und da war eigentlich die größte Sorge immer nur, dass das Image der Stadt beschädigt wird. Aber es gab wenig Empathie oder Bedauern den angegriffenen oder den beleidigten Männern gegenüber oder vielleicht mal ein Nachfragen, wie es denen denn jetzt geht. Das fand ich eigentlich so am erschreckendsten.
Führer: Herr Nhacuton, haben Sie den Eindruck, dass in der Stadt sich was geändert hat?
Nhacuton: Ja, was sich geändert hat, wäre vielleicht, dass einige Gebäude abgerissen wurden, aber mehr nicht. Ich sehe also von der Albert-Schweitzer-Straße das gleiche Bild wie vorher?
Führer: Albert-Schweitzer-Straße, was ist das?
Nhacuton: Das ist die Adresse, wo das Wohnheim sich befindet.
Führer: Ah ja. Aber die Atmosphäre haben Sie als genau so feindselig empfunden?
Nhacuton: Ja.
Führer: Julia Oelkers und Manuel Nhacuton, ich danke Ihnen herzlich für Ihren Besuch!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.