Lobbyismus im Klassenzimmer
Bücher, Broschüren, Referenten: Deutsche Unternehmen werden in den Schulen immer aktiver. Eine kostenlose Hilfe für die Lehrer, sagen die einen. Versteckte Werbung, sagen die Kritiker. Wie stark ist der PR-gefärbte Einfluss auf die Schüler inzwischen?
Was auf dem Lehrplan steht, legen die Kultusministerien fest - zumindest offiziell. Denn längst haben im Klassenzimmer auch Unternehmen und Wirtschaftsverbände Platz genommen.
Geschickt engagieren sie sich im Bildungsbereich, um Einfluss auf die Konsumenten von morgen zu nehmen und das eigene Image zu polieren - durch kostenloses Lehrmaterial, Schülerwettbewerbe oder Experten, die den Unterricht besuchen.
Die Hoffnung der Lobbyisten: Was einmal in den Köpfen der Kinder ist, wirkt ein Leben lang. Viele Schulleitungen gehen gelassen mit dem unternehmerischen Eifer in den Klassenzimmern um, denn der Bildungsbereich ist chronisch klamm und Unterstützung willkommen.
Organisationen wie LobbyControl fürchten jedoch, dass die verdeckte Meinungsmache bei den Kindern zu Verzerrungen bei Urteilsbildung und Kritikfähigkeit führt.
Das Feature in gekürzter Form zum Nachlesen:
Mit einem bunten Zeichentrick-Video lädt der Logistikkonzern Amazon Schulkinder zu einem Schreibwettbewerb ein. Für die schönste Geschichte gibt es als Preis 30 Kindle E-Book-Reader, dazu digitale Bücher im Wert von mehr als 1700 Euro und Amazon-Gutscheine im Wert von 50 Euro.
Tausende Kinder an mehr als 300 Grundschulen haben mitgemacht, auch die Grundschule in Rötha bei Leipzig. Direktorin Silke Kruppa erläutert ihre Motivation:
"Im Vordergrund stand für mich der Lesespaß, der Schreibspaß und der pädagogische Hintergrund."
Jetzt ist die Grundschule in Rötha stolzer Besitzer von 30 E-Book-Readern und vielen digitalen Büchern von Amazon: Sie hat gewonnen. Im Mai war die feierliche Siegerehrung – am Unternehmensstandort in Leipzig.
Kruppa: "Die Eltern waren vor allem begeistert davon, dass sie einen Rundgang durch das Logistikzentrum machen durften, weil man ja sonst in dieses Logistikzentrum nicht kommt – ja, die waren begeistert von ihren Kindern natürlich, die Geschichte wurde dort vorgelesen."
Dass es dem Unternehmen Amazon bei der ganzen Sache vielleicht nicht nur um den Spaß der Kinder gehen könnte, das blieb auch Silke Kruppa nicht verborgen.
Die Schulaufsicht in Leipzig hat den Wettbewerb jedoch genehmigt. Wegen Schleichwerbung im Klassenzimmer macht sich Direktorin daher keine Sorgen.
Geschickt verpackte PR im Klassenzimmer
Für den Verein LobbyControl ist der Fall Amazon ein typisches Beispiel dafür, wie Unternehmen Schulen für ihre Interessen benutzen. Auch wenn der Wettbewerb nett und sinnvoll klingt – die Kleinen sollen kreatives Schreiben üben – der wahre Zweck sei eigentlich ein anderer, sagt Felix Kamella von LobbyControl:
"Für Amazon geht es nicht um Bildungsförderung, sondern darum, seinen angeschlagenen Ruf zu verbessern. Dafür ist Bildungsförderung einfach gut geeignet. Es ging Amazon aber auch darum, Kontakt zu lokalen Entscheidungsträgern zu pflegen. In den allermeisten Fällen hatten die Bürgermeister vor Ort eine Schirmherrschaft für diesen Wettbewerb übernommen, haben sich bei der Preisverleihung positiv zu Amazon geäußert."
Mehrere Bundesländer bewerten den Wettbewerb inzwischen kritisch, einige haben ihn inzwischen untersagt.
Ein richtiger Schritt, sagt Felix Kamella – aber leider nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Denn Schulen würden ständig mit gut klingenden Bildungsangeboten von Unternehmen konfrontiert.
"Zum Einsatz kommen dabei so genannte Türöffner. Das heißt, die Angebote, die an Schulen stattfinden, werden so verpackt, dass sie auf den ersten Blick einen positiven Eindruck vermitteln, dass sie natürlich mit dem Schulgesetz vereinbar sind. Natürlich würden die Schulen, wenn sich ein Unternehmen da vorstellt und sagt, wir wollen hier Werbung machen, (...) da sagen die Schulen natürlich das wollen wir nicht. Das heißt, die Angebote werden geschickt verpackt, damit sich eben doch die Schultür öffnet und die Unternehmensbotschaft den Weg in den Unterricht findet."
Die Unternehmen bieten kostenloses Unterrichtsmaterial, veranstalten Spiele und Sportfeste, Lehrerfortbildungen oder aber Besuche von Firmenvertretern, die ganze Schulstunden abhalten.
Es geht um Image und Einfluss
Denn bekannt ist: Was Kinder einmal verinnerlicht haben, prägt ihr Denken ein Leben lang. Oft geht es den Firmen auch darum, das gesellschaftliche Klima zu beeinflussen und in eine bestimmte Richtung zu lenken. Kinder und ihre Elternhäuser sind dabei ein wichtiger Hebel.
Zum Beispiel beim Thema Energieversorgung.
Der Energiekonzern RWE hat ein Trickfilm-Video für Schulkinder produziert. Darin wird erklärt, dass die Stromerzeugung durch die zunehmende Nutzung von erneuerbaren Energien weniger planbar wird.
"Das bedeutet, die bestehenden Kraftwerke müssen sich jetzt nicht mehr nur nach dem Verbrauch der Kunden richten, sondern sie müssen exakt den Restbedarf an Strom abdecken, der nicht durch die erneuerbaren Energiequellen gewonnen wird – und das so schnell und flexibel wie noch nie zuvor."
Was die Kinder nicht auf dem Schirm haben: Große Kraftwerke sind seit der Energiewende kaum noch rentabel, die Konzerne kämpfen um Geld von der Politik.
Im fünfzehnten Stock in der Kruppstraße in Essen arbeitet Sebastian Ackermann in einem gläasernen Hochhausturm. Er ist Sprecher der Geschäftssparte Netze und verantwortlich für die Bildungsaktivitäten von RWE:
"Unser Angebot richtet sich einmal an Schüler verschiedener Schulformen direkt. Das fangen wir auch schon sehr früh an, durchaus auch schon in den Kindergärten. Dann geht es aber auch um das ganze Thema Hochschulen, Hochschulbildung, und es geht schlichtweg auch um Lehrpersonal - wiederum von Schulen, aber auch von Hochschulen."
Und so bietet das Online-Bildungsportal von RWE eine Fülle von maßgeschneiderten Angeboten für jede Zielgruppe. Für Schüler zum Beispiel gibt es Wissenspiele, Experimentierkoffer, Besuche in einem Kraftwerk oder dem Braunkohle-Tagebau.
Auf welche Weise die Schulen das Thema Energie abhandeln, dafür hat RWE dann Empfehlungen parat – Arbeitsblätter, Themenhefte und Hintergrundinfos, zum Beispiel zur Energiewende.
Doch wie neutral kann ein Konzern sein, der durch die Energiewende in schwere Fahrwasser geraten ist? RWE-Sprecher Ackermann sagt, alle Inhalte seien ideologiefrei, würden über zertifizierte Verfahren erstellt. Und überhaupt:
"Es wäre zu kurz gesprungen, zu glauben, dass Unternehmen jedwelcher Couleur oder Organisationen Einflussnahme in Schulen für ihre Geschäftszwecke in der heutigen Zeit ausüben können. Das ist schlichtweg ein Irrgaube."
Fremdes Lehrmaterial oft interessengeleitet
Bloß, wenn es so ein Irrglaube ist, warum machen es dann alle? Laut einer Studie der Universität Augsburg sind derzeit mehr als 800.000 kostenlose Lehrmaterialien im Netz verfügbar, für alle Fächer und alle Jahrgangsstufen. Viel davon kommt aus Unternehmen, doch auch Verbände, NGOs, Verlage und Stiftungen bringen eigenes Lehrmaterial auf den Markt – alles außerhalb des geprüften Schulbuchsortiments.
Der Bundesverband Verbraucherzentrale hat rund 550 dieser kostenlosen Lehrmaterialien unter die Lupe genommen. Mit Hilfe von Wissenschaftlern haben die Verbraucherschützer das Unterrichtsmaterial geprüft und anschließend Noten vergeben, von "sehr gut" bis "mangelhaft".
Vera Fricke ist Referentin beim Bundesverband Verbraucherzentrale:
"Was uns wirklich erstaunt hat bei der Analyse, dass eben die Materialien, die von der Wirtschaft kamen – also ein Viertel der Materialien, die wir untersucht haben – dass wirklich drei Viertel von denen eben mit 'ausreichend' beziehungsweise 'mangelhaft' bewertet worden sind und somit eigentlich nicht geeignet sind für den Unterricht."
Es gebe auch gutes Lehrmaterial von Unternehmen, betont Fricke. Die große Mehrheit jedoch betreibe PR in eigener Sache.
Trotzdem gelangt wohl viel davon in die Klassenzimmer. Denn bis ein Schulbuch in neuer Auflage erscheint, vergehen oft Jahre. Wollen Lehrkräfte aktuelle Themen behandeln, müssen sie kreativ sein und selbst etwas zusammenstellen.
Viele suchen dabei im Internet, weiß Martina Schmerr von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – und dort werden sie meist auch fündig.
"Die Lehrkräfte haben wenig Zeit, sie haben veraltete Schulbücher, also insofern wird das womöglich mit einer gewissen Dankbarkeit auch aufgenommen. "
Energiewende, Finanzkrise, Digitalisierung – das alles sind Themen, die viele Schulbücher unzureichend oder auch gar nicht abdecken. Wenn die Privatwirtschaft hier in die Bresche springt, drohe eine Verzerrung der Inhalte, warnt Gewerkschafterin Martina Schmerr.
Unternehmen als Partner von Schulen
Kostenloses Unterrichtsmaterial ist aber nur die eine Seite. Die Wirtschaft wirkt auch ganz praktisch im Schulbetrieb mit.
Zum Beispiel in Form von so genannten "Schulkooperationen". Ein Unternehmen und eine Schule schließen dafür oft einen Vertrag, der die gemeinsamen Interessen definiert.
Das Max-Planck-Gymnasium in Bielefeld arbeitet etwa mit mehreren Partnern zusammen, auch mit dem Backwaren-Hersteller Dr. Oetker, der seinen Sitz in Bielefeld hat.
Direktorin Gisela von Alven: "Wir sind ein Gymnasium, das sich schon früh den Fragen der Studienwahl und Berufsorientierung für unsere Schülerinnen und Schüler geöffnet hat. Wir haben schon als eines der ersten Gymnasien in den 80er Jahren ein Betriebspraktikum eingeführt. Und diese Arbeit wollten wir dann gerne durch die Kooperation mit einer Firma bereichern."
Dazu zählt zum Beispiel ein Bewerbungstraining. Die Schüler fertigen ein Anschreiben an und bekommen dann Feedback aus der Personalabteilung von Dr. Oetker. Oder sie besuchen das Backwaren-Labor des Unternehmens. Auch kommen Angestellte von Dr. Oetker direkt ins Klassenzimmer, erläutern etwa den Entwicklungsprozess für neue Produkte.
Praxisnahes Lernen sei das, sagt Frau von Alven, völlig frei von PR. Der Pressesprecher von Dr. Oetker, Jörg Schillinger, pflichtet ihr bei:
"Die Kollegen von mir sind Naturwissenschaftler beispielsweise. Die interessiert die Zusammensetzung von Milch genauso wie die Schüler. Es gibt keine Milch, in der kleine Dr.-Oetker-Logos herumschwirren. Und die Materialien - fotokopierte Sachen oder sonstige Dinge -, die sind naturwissenschaftlich oder eben Bewerbungstraining, Realsituationen."
Wo fängt der Nutzen für die Schüler an, wo hört er auf? Schüler und Schulen können von so einer Zusammenarbeit sicher profitieren. Doch nicht immer ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen sauber austariert.
In Niedersachsen Beispielsweise untersagte das Kultusministerium im vergangenen Jahr die Kooperation von fünf Gymnasien mit der Erdöl- und Erdgasindustrie.
10.000 Euro hatten die Schulen über Jahren hinweg erhalten. In dieser Zeit erfuhren die Schüler viel über die Erdöl- und Ergasförderung in ihrer Region – Fracking inklusive.
Ähnliches passierte in Nordrhein-Westfalen. Schulen im rheinischen Braunkohle-Revier bekamen vom Energiekonzern RWE Dienst- und Sachleistungen – dafür sollten sie den Schülern die Bedeutung der Braunkohle-Industrie erklären.
Schließlich schritt das Schulministerium ein und pochte auf Einhaltung des geltenden Schulrechts.
Kultusminister vertrauen auf wachsame Lehrer
Oft bekommen die Kultusministerien jedoch gar nicht mit, was an den Schulen läuft. Dazu kommt: An vielen Schulen herrscht chronischer Geldmangel – weshalb finanzkräftige Partner nicht ungern gesehen sind.
Die Kultusbürokratie verweist hier gern auf den kritischen Blick von Schulleitern und Lehrern. Sie würden die Angebote von außen genau prüfen und seien ausreichen sensibilisiert. Dazu sagt Nordrhein-Westfalens grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann:
"Wir haben eine Handreichung, die den Schulen zur Verfügung steht: Da sind viele Praxisbeispiele drin. (…) Es gibt enge Abstimmungen zwischen Schulaufsicht und Schulen. Und immer, wenn es wieder konkrete Einzelfälle gegeben hat, nehmen wir die auch zum Anlass und erläutern das noch mal, so dass vom Grundsatz her, glaube ich, alle wissen, wie stark und eng der Rechtsrahmen ist."
Die Schulen stehen damit jedoch vor einem Spagat. Einerseits sollen sie aufpassen, dass die Wirtschaft nicht zu stark Einfluss nimmt, andererseits aber die Nähe zu den Betrieben suchen und Einblick in die Berufswelt verschaffen.
Wie viel Zugang die Wirtschaft zu den Schulen bekommt, das ist – je nach Bundesland – Auslegungssache. Und einige forcieren deren Einfluss sogar.
In Hessen bat das unionsgeführte Kultusministerium die Schulämter kürzlich per E-Mail, die Schulen doch bitte über die so genannten Schulbanker zu informieren. Schulbanker, das ist ein Planspiel des Deutschen Bankenverbands, bei dem die Schüler handeln und entscheiden sollen wie Banker.
Reine Propaganda, sagen Lobbykritiker.
In Sachsen-Anhalt wiederum hat das Kultusministerium eine Kooperation mit dem Elektronikkonzern Samsung unterzeichnet. In den nächsten zwei Jahren sollen im Rahmen eines Modellprojekts 500 Lehrer im Umgang mit Laptops, Tablets und digitalen Tafeln geschult werden.
Eine gute Sache, sagt Kultusminister Marco Tullner von der CDU:
"Wenn wir auf der einen Seite ein Unternehmen haben, das in dem Bereich weltweit unterwegs ist und auch das technische Knowhow und die technische Kompetenz mitbringen kann, dann wäre ich als sachsen-anhaltischer Kultusminister, glaube ich, schlecht beraten, jetzt hier eigene technische Modelle entwickeln zu wollen. (...) Und deswegen scheue ich mich nicht, diese Kooperation einzugehen."
Eine Kooperation, die für den Elektronik-Riesen sicher einen positiven Nebeneffekt hat: Ganz nebenbei kann Samsung so auch seine Produkte bekannt machen. Kultusminister Tullern sieht darin kein Problem.
"Am Ende geht es mir darum, dass wir Schulen fit machen für die Digitaltisierung und dass uns da Unternehmen helfen können, halte ich für eine sehr angenehme Art der Zusammenarbeit."
"Experten" aus der Wirtschaft geben Unterricht
Schulen fit machen für die Zukunft, dafür die Expertise der Unternehmen nutzen – das sind schlagkräftige Argumente. Diese liefern externen Akteuren allerdings auch gute Gründe weiter ins Bildungswesen vorzudringen. An den Schulen fehle Fachwissen, argumentiert die Wirtschaft – da könne man gern behilflich sein.
Auch die Initiative My Finance Coach möchte Schulen behilflich sein. Man wolle Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit Geld beibringen, heißt es. Dafür kommen Dozenten aus Finanz- und Versicherungsunternehmen ins Klassenzimmer und geben Unterricht.
Herr Vogel und Frau Wende stehen vor einer der Klassen der Heinrich-Böll-Gesamtschule in Rodgau südlich von Frankfurt. Sie erklären den Schülern, welchen finanziellen Spielraum sie haben, wenn sie mal von zu Hause ausziehen.
Für My Finance Coach geben die beiden ehrenamtlich Unterricht in Geldfragen. Das Lehrmaterial dafür kommt von der My Finance Coach-Stiftung.
Die Stiftung gehört zu 100 Prozent der Allianz, zu ihren Spendern zählen unter anderem die Volkswagen Bank, die Deutsche Kreditbank oder die Deutsche Börse. Auch die Coaches kommen aus der Finanz- und Versicherungsbranche.
Rund 2000 Klassenbesuche an etwa 800 Schulen machen die Finance Coaches pro Jahr. Alles gemeinnützig, keine Werbung, beteuert die Stiftung. Doch Kritiker bezweifeln das.
Tim Engartner ist Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Universität Frankfurt. Er untersucht seit Jahren, wie die Wirtschaft an die Schulen drängt. An My Finance Coach bemängelt er die unkritische Darstellung der Finanzwirtschaft.
"Gerade bei der Finanz- und Versicherungsbranche kann man ja das erleben, dass der Reputationsverlust der im Zuge der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise erlitten worden ist, zu einer besonderen Verstärkung dieser Aktivitäten an Schulen geführt hat – eben weil man das ramponierte Image aufbessern und wieder auf einen guten Weg bringen möchte."
Auch der Bundesverband Verbraucherzentrale bewertet das Angebot von My Finance Coach kritisch. Die Note 'vier' hat die Initiative von den Verbraucherschützern bei ihrer letzten Prüfung im Jahr 2012 bekommen, das heißt "nur bedingt unterrichtstauglich".
Eine Kritik, die die Stiftung nicht gelten lassen will. Alles Lehrmaterial werde geprüft und evaluiert. Und falls doch mal was zu beanstanden sei, könnten das ja die Lehrkräfte tun – sie seien schließlich immer anwesend, wenn die Coaches Unterricht geben.
An der Heinrich-Böll-Schule ist an diesem Tag die Lehrerin Petra Carbon mit dabei. Sie war selbst in der freien Wirtschaft tätig, bevor sie als Quereinsteigerin zum Lehrberuf kam.
Frau Carbon, das wird schnell deutlich, ist begeisterte Anhängerin des Konzepts von My Finance Coach.
"Hier ist das Material so toll aufbereitet und runtergebrochen, dass sich Schüler wirklich auch drauf einlassen. Und ich sag Ihnen ganz ehrlich, warum soll ich mich daheim hinsetzen und mir Stunden lang ein Konzept überlegen, wenn ich es hier fertig auf dem silbernen Tablett geliefert krieg’ - und dann auch noch wirklich rund."
Und auch andere Lehrer an der Schule haben inzwischen Gefallen an der Unterstützung von außen gefunden. Es gibt ganze Schultage, organisiert von der Versicherungs- und Finanzwirtschaft.
Der kritische Abstand der Lehrer, auf den sich Kultusbehörden und Unternehmen so gern berufen, lässt sich hier zumindest in Frage stellen.
Ursache ist der Geldmangel im Bildungswesen
Wirtschaft und Schule – eine heikle Beziehung. Was pädagogisch sinnvoll daherkommt und den ausgelasteten Lehrkräften zu helfen scheint, das kann auch geschickte PR sein. Denn das wachsende Engagement von Unternehmen in den Klassenzimmern zeigt: Jeder will an die Köpfe der Kinder.
Bildungsforscher Tim Engartner: "Das Phänomen wird hoffnungslos unterschätzt. Es ist aber ein Massenphänomen, ein Phänomen, das an nahezu jeder Schule in der Bundesrepublik Deutschland aufschlägt – und das sollte uns alle mit Sorge erfüllen."
(huc)
Hier gibt es das vollständige Manuskript als PDF-Version