Folker Hellmeyer, 1961 geboren, begann seine Laufbahn 1984 als Devisenhändler bei der Deutschen Bank in Hamburg und London. Der gelernte Bankfachwirt wechselte 1995 zur Helaba in Frankfurt am Main. Von April 2002 bis Ende 2017 war er Chefvolkswirt bei der Bremer Landesbank (BLB). Im Jahr 2018 gründete Hellmeyer zusammen mit ehemaligen BLB-Kollegen die Fondsboutique Solvecon Invest GmbH in Bremen, bei der er Chefanalyst und Gesellschafter ist.
Mehr kritische Geister auf die Chefposten!
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Made in Germany: Das stand lange für den nachhaltigen Erfolg deutscher Unternehmen. Aber inzwischen dominierten auch hierzulande, wie in den USA, kurzfristige Ziele mit Opportunisten in den Chefetagen, beklagt der Analyst Folker Hellmeyer.
Im Gegensatz zu dem in westlichen Ländern verankerten demokratischen System, das in einem durch Vielfalt geprägten Diskurs in der Politik nach den besten Lösungen ringt, sind Unternehmen hierarchisch organisiert. Das Problem: Hierarchische Führung ist besonders abhängig von dem Können des Führungspersonals.
Während deutsche Unternehmen bis in die Mitte der 90er-Jahre langfristige Perspektiven in ihren Geschäftsmodellen und ihrer Personalstruktur überaus erfolgreich verfolgten, hat sich mit der rechtlich bindenden Übernahme amerikanischer und angelsächsischer Bilanzierungsmethoden das Bild massiv verschoben.
Unternehmen setzen auf kurzfristige Erfolge
Seit mehr als 20 Jahren sind Europas Großunternehmen in Richtung kurzfristiger Erfolge durch Abwendung von dem Bilanzierungssystem nach deutschem Handelsgesetzbuch hin zu von den USA geprägten Bilanzierungsstandards umgepolt worden.
Vergessen wurde dabei, dass Gesellschaft und Wirtschaft seit jeher in Generationenverträgen funktionierten, das entsprach und entspricht der Logik des Marathons. Hat ein sprintender Marathonläufer je sein Ziel erreicht? Hier liegt die Kernursache für die Probleme in den Führungsstrukturen der Wirtschaft und sogar der Politik.
US-Modell fördert opportunistische Mitarbeiter
Mit der Orientierung aufs Kurzfristige ergab sich auch für die Besetzung der Führungspositionen ein neues Anforderungsprofil. Der US-Managertyp war gefragt: schnell draufgängerisch und auf kurzfristigen Gewinn konzentriert. Deutsche Unternehmen, beispielsweise die Deutsche Bank, importierten diesen Managertyp im großen Stil.
Die Neuen wurden fürstlich entlohnt und konzentrierten sich auf ein Geschäftsmodell kurzfristiger Erträge. Das hatte Folgen für die gesamte Personalstruktur dieser Unternehmen. Wer nach dem US-Geschäftsmodell kurzfristig steuert, braucht eher opportunistische Mitarbeiter, die mit am Strang ziehen, ohne die Ausrichtung in Frage zu stellen.
Kritische Geister, die konstruktiv agieren, Ziele auch mal infrage stellen, stören einen derartigen Prozess und werden schnell vor die Tür gesetzt.
Kritische Köpfe werden kaltgestellt
Dadurch wird Opportunismus zu einem elementaren Katalysator, um die Karriereleiter zu erklimmen. Wohin das Kaltstellen kritischer Geister führen kann, hat schon die weltweite Finanzkrise gezeigt: Seit 2005 war an harten Daten der Qualitätsverfall bei den US-Hypothekenverbriefungen für jeden ernst zu nehmenden Analysten erkennbar. In meiner Funktion als Chefvolkswirt der Bremer Landesbank warnte ich intern und extern vor diesen krisenhaften Entwicklungen.
Aber ein kritisches Hinterfragen des kurzfristig lukrativen Geschäftsmodells war im Mainstream der Führungsetagen der Finanzindustrie damals nicht opportun. Und zwar so lange bis der Zug 2008/2009 vollends entgleiste. An den Folgen dieses Debakels leidet der deutsche und europäische Finanzsektor bis heute. Die Folgen für die privaten Sparer sind bekanntlich dramatisch.
Jasager finden keine zukunftsfähigen Geschäftsmodelle
Eigentlich hätte spätestens mit der weltweiten Finanzkrise vor zehn Jahren klar sein müssen: Wer kritischen Geistern in Unternehmen und Gesellschaft keinen Raum gibt, setzt sich erhöhten Risiken aus. Dadurch wird der Pluralismus negiert, der für unser Gesellschaftssystems der Freiheit unverzichtbar ist.
Auch jetzt noch feiert der Opportunismus im Personalmanagement Erfolge: Und so sitzen in diesem Land weiterhin zu wenig kritische Geister auf den Chefposten wichtiger deutscher Unternehmen. Das erklärt nicht nur einige aktuelle Probleme deutscher Unternehmen.
Das Phänomen den Jasager zu favorisieren, statt die kritischen Köpfe, ist in Zeiten, in denen ganz neue Geschäftsmodelle für die Zukunft gesucht werden, besonders fatal.