Gemeinwohl statt Profitmaximierung
06:47 Minuten
Bereits in der vierten Generation wird das Familienunternehmen Voelkel in Norddeutschland geführt. Die Regeln des Marktes kann der Hersteller von Bioprodukten nicht ignorieren, will sich in seinem Handeln aber auch am Gemeinwohl orientieren.
"Das sind wunderschöne Demeteräpfel aus dem Alten Land, aus Norddeutschland, das ist unser Hauptanbaupartner für Äpfel. Wir versuchen, Äpfel so regional wie möglich zu beziehen."
Boris Voelkel ist der älteste von vier Brüdern. Gemeinsam mit dem Vater und einem Geschäftsführer leiten sie den Biosaft-Hersteller Voelkel – bereits in vierter Generation. 1936 gründeten die Urgroßeltern auf dem Höhbeck im niedersächsischen Wendland eine kleine Mosterei. Heute ist das Unternehmen Marktführer für Bio- und Demetersäfte im Naturkostfachhandel und setzt sich weltweit für den Ausbau ökologischer Landwirtschaft ein.
"Man kann nicht mehr alle kennen bei 350 Mitarbeitern, aber es gibt schon noch sehr viele Menschen, die hier arbeiten, die waren auch schon da, als ich noch Kind war, oder heranwachsend und hier die Apfelannahme begleitet hab, die mir beigebracht haben, Gabelstapler zu fahren."
Boris Voelkel ist der älteste von vier Brüdern. Gemeinsam mit dem Vater und einem Geschäftsführer leiten sie den Biosaft-Hersteller Voelkel – bereits in vierter Generation. 1936 gründeten die Urgroßeltern auf dem Höhbeck im niedersächsischen Wendland eine kleine Mosterei. Heute ist das Unternehmen Marktführer für Bio- und Demetersäfte im Naturkostfachhandel und setzt sich weltweit für den Ausbau ökologischer Landwirtschaft ein.
"Man kann nicht mehr alle kennen bei 350 Mitarbeitern, aber es gibt schon noch sehr viele Menschen, die hier arbeiten, die waren auch schon da, als ich noch Kind war, oder heranwachsend und hier die Apfelannahme begleitet hab, die mir beigebracht haben, Gabelstapler zu fahren."
Boris ist bei Voelkel für den Einkauf zuständig. Bei seiner Arbeit schwankt er immer wieder zwischen Euphorie – dem Gefühl, wirklich etwas bewegen zu können – und Ohnmacht gegenüber festgefahrenen Strukturen.
"Grundsätzlich habe ich das Gefühl, dass die klassischen Preisbildungsmechanismen sehr schwierig sind. Wenn zum Beispiel eine gute Ernte ist, dann ist das für die Landwirte schlecht, weil sie einen ganz niedrigen Preis kriegen. Die Preise gehen dann überproportional in den Keller. Und wenn dann eine schlechte Ernte ist, dann muss er sich mit einer kleineren Menge dieses Geld wiederholen und die Preise gehen überproportional nach oben."
Gewinnmaximierung steht nicht im Vordergrund
Der Biosektor kann sich diesen Marktmechanismen nicht entziehen, mit allen negativen Nebenwirkungen.
"Dann bekommen wir weiter Höfesterben, Artensterben, Grundwasserprobleme, Insektenschwund, auch im ökologischen Landbau. Dann zwingen wir Landwirte weiter in die Spezialisierung, deswegen müssen wir wirtschaftlich erfolgreich sein, um langfristig stabile Preise zahlen zu können und stabile Rahmenbedingungen für die Landwirte schaffen zu können, damit sie wirklich nachhaltige Strukturen erbauen und nicht gezwungen werden, ökologische Monokulturen in Hochspezialisierung zu machen mit großen Maschinen."
Voelkel ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das nicht die Gewinnmaximierung in den Vordergrund stellt, sondern die Lösung ökologischer und sozialer Herausforderungen. Um diese Form des sinnorientierten Wirtschaftens zu fördern, hat der Unternehmer Armin Steuernagel die Purpose-Stiftung gegründet.
"Ein Purpose Unternehmen, oder Unternehmen mit gebundenem Vermögen, heißt nichts anderes, als dass das Unternehmen sich selbst gehört und es gibt zwei Grundsätze, die alle diese Unternehmen rechtlich verbindlich versprochen haben. Erstens: die Stimmrechte. Das heißt, die Kontrolle über das Unternehmen bleibt in Händen von Menschen, die mit dem Unternehmen emotional verbunden sind."
"Dann bekommen wir weiter Höfesterben, Artensterben, Grundwasserprobleme, Insektenschwund, auch im ökologischen Landbau. Dann zwingen wir Landwirte weiter in die Spezialisierung, deswegen müssen wir wirtschaftlich erfolgreich sein, um langfristig stabile Preise zahlen zu können und stabile Rahmenbedingungen für die Landwirte schaffen zu können, damit sie wirklich nachhaltige Strukturen erbauen und nicht gezwungen werden, ökologische Monokulturen in Hochspezialisierung zu machen mit großen Maschinen."
Voelkel ist ein Beispiel für ein Unternehmen, das nicht die Gewinnmaximierung in den Vordergrund stellt, sondern die Lösung ökologischer und sozialer Herausforderungen. Um diese Form des sinnorientierten Wirtschaftens zu fördern, hat der Unternehmer Armin Steuernagel die Purpose-Stiftung gegründet.
"Ein Purpose Unternehmen, oder Unternehmen mit gebundenem Vermögen, heißt nichts anderes, als dass das Unternehmen sich selbst gehört und es gibt zwei Grundsätze, die alle diese Unternehmen rechtlich verbindlich versprochen haben. Erstens: die Stimmrechte. Das heißt, die Kontrolle über das Unternehmen bleibt in Händen von Menschen, die mit dem Unternehmen emotional verbunden sind."
Keine Aktionäre, die Einfluss ausüben
Es gibt keine Konzernführung und keine Aktionärinnen, die von außen Einfluss auf Entscheidungen im Unternehmen ausüben können.
"Und das Zweite ist, dass diese Menschen, die Eigentümer auf Zeit sind, solange sie im Unternehmen sind, Treuhänder sind, das Steuerrad halten, aber nicht den Zugriff aufs Vermögen halten."
Die Gewinne des Unternehmens werden nicht an Anteilseigner und Anteilseignerinnen ausgezahlt, sondern verbleiben im Unternehmen und können investiert werden.
In Deutschland gibt es heute in etwa 200 Unternehmen in Verantwortungseigentum, in Dänemark sind es 60 Prozent. Insgesamt liegt Deutschland bei der Förderung gemeinwohlorientierter Unternehmen noch erstaunlich weit zurück. Dabei gibt es längst zahlreiche Vorschläge, wie die Rahmenbedingungen verbessert werden können.
"In Deutschland gibt es eigentlich, wenn man mal ganz ehrlich ist, seit dem Kaiserreich keine wirkliche Innovation auf der Front der Unternehmensformen, auf der Front der Rechtsformen und einfach ein passendes Rechtskleid, so nennt man es ja auch, ist so essenziell als Unternehmer, dass ich sagen würde, hier kann Deutschland wirklich weiter gehen."
"Und das Zweite ist, dass diese Menschen, die Eigentümer auf Zeit sind, solange sie im Unternehmen sind, Treuhänder sind, das Steuerrad halten, aber nicht den Zugriff aufs Vermögen halten."
Die Gewinne des Unternehmens werden nicht an Anteilseigner und Anteilseignerinnen ausgezahlt, sondern verbleiben im Unternehmen und können investiert werden.
In Deutschland gibt es heute in etwa 200 Unternehmen in Verantwortungseigentum, in Dänemark sind es 60 Prozent. Insgesamt liegt Deutschland bei der Förderung gemeinwohlorientierter Unternehmen noch erstaunlich weit zurück. Dabei gibt es längst zahlreiche Vorschläge, wie die Rahmenbedingungen verbessert werden können.
"In Deutschland gibt es eigentlich, wenn man mal ganz ehrlich ist, seit dem Kaiserreich keine wirkliche Innovation auf der Front der Unternehmensformen, auf der Front der Rechtsformen und einfach ein passendes Rechtskleid, so nennt man es ja auch, ist so essenziell als Unternehmer, dass ich sagen würde, hier kann Deutschland wirklich weiter gehen."
Soziale Marktwirtschaft ins 21. Jahrhundert transportieren
Armin Steuernagel setzt sich deshalb gemeinsam mit anderen für die Schaffung einer neuen Rechtsform ein: die Gesellschaft in Verantwortungseigentum beziehungsweise Gesellschaft mit gebundenem Vermögen.
Letztlich gehe es dabei um die Frage, wie wir die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ins 21. Jahrhundert transportieren können, sagt Steuernagel.
Wie gemeinwohlorientiertes Wirtschaften in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel Voelkel. Das Unternehmen geht langfristige Partnerschaften mit den Landwirtinnen ein und zahlt Preise, die nicht unbedingt der Marktlogik entsprechen.
"Wenn ein Landwirt zum Beispiel einen Ausfall hat bei einer Kultur, dann bekommt er einen höheren Preis für seine anderen Produkte, um das kompensieren zu können. In diesem Fall, dieses Jahr, war das insbesondere bei Schwarzen Johannisbeeren, dass es Ausfälle gab und bei Aroniabeeren und da haben wir dann 50 Cent pro Kilogramm zusätzlich bezahlt für Sanddornbeeren und haben gesagt, Du kannst alles liefern, was Du hast, auch über die Vertragsmenge hinaus."
Letztlich gehe es dabei um die Frage, wie wir die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft ins 21. Jahrhundert transportieren können, sagt Steuernagel.
Wie gemeinwohlorientiertes Wirtschaften in der Praxis aussehen kann, zeigt das Beispiel Voelkel. Das Unternehmen geht langfristige Partnerschaften mit den Landwirtinnen ein und zahlt Preise, die nicht unbedingt der Marktlogik entsprechen.
"Wenn ein Landwirt zum Beispiel einen Ausfall hat bei einer Kultur, dann bekommt er einen höheren Preis für seine anderen Produkte, um das kompensieren zu können. In diesem Fall, dieses Jahr, war das insbesondere bei Schwarzen Johannisbeeren, dass es Ausfälle gab und bei Aroniabeeren und da haben wir dann 50 Cent pro Kilogramm zusätzlich bezahlt für Sanddornbeeren und haben gesagt, Du kannst alles liefern, was Du hast, auch über die Vertragsmenge hinaus."
Unternehmen wurde in gemeinnützige Stiftung umgewandelt
Das mache auch wirtschaftlich Sinn, sagt Voelkel, denn so entstehe ein partnerschaftliches Verhältnis zu den Landwirten und Landwirtinnen: Wenn die Preise steigen, bekommt Voelkel als Gegenleistung Obst und Gemüse unter dem Marktpreis.
Um ihre Gemeinwohlorientierung festzuschreiben, haben die Voelkels ihr Unternehmen vor acht Jahren in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt. Das bedeutet praktisch: 90 Prozent des Gewinns werden in das Unternehmen reinvestiert und zehn Prozent fließen in eine gemeinnützige Stiftung. Laut Stiftungssatzung ist das Unternehmen unverkäuflich. Eine Entlastung, wie Boris Voelkel findet.
"Und diese Struktur ermöglicht mir, dass ich auf dem Feld mit dem Landwirt stehe und wir untereinander etwas ausmachen, das langfristig Bestand hat. Und ich muss nicht Rücksprache halten mit einer Konzernführung, ich muss nicht einem Aktionär oder so Rechenschaft schuldig sein. Ich kann frei als Mensch dort stehen, habe das Vertrauen meiner Geschwister, unseres Vaters und des Unternehmens hinter mir, und kann aus dem Lebendigen heraus dieses Konzept entwickeln."
Um ihre Gemeinwohlorientierung festzuschreiben, haben die Voelkels ihr Unternehmen vor acht Jahren in eine gemeinnützige Stiftung umgewandelt. Das bedeutet praktisch: 90 Prozent des Gewinns werden in das Unternehmen reinvestiert und zehn Prozent fließen in eine gemeinnützige Stiftung. Laut Stiftungssatzung ist das Unternehmen unverkäuflich. Eine Entlastung, wie Boris Voelkel findet.
"Und diese Struktur ermöglicht mir, dass ich auf dem Feld mit dem Landwirt stehe und wir untereinander etwas ausmachen, das langfristig Bestand hat. Und ich muss nicht Rücksprache halten mit einer Konzernführung, ich muss nicht einem Aktionär oder so Rechenschaft schuldig sein. Ich kann frei als Mensch dort stehen, habe das Vertrauen meiner Geschwister, unseres Vaters und des Unternehmens hinter mir, und kann aus dem Lebendigen heraus dieses Konzept entwickeln."