Große Kunst und kleine Bären
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Die Neufertigung der Quadriga auf dem Brandenburger Tor, die der Viktoria auf der Siegessäule und 600 Berlinale-Bären: Kaum eine Firma hat das Berliner Stadtbild so geprägt wie die Kunstgießerei der Familie Noack – schon seit vier Generationen.
Jonathan Meese, Georg Baselitz oder Tony Cragg, Hermann Noack kennt sie alle, persönlich natürlich. Und die Liste der namhaften Künstler, die in der Gießerei Noack ihre Skulpturen fertigen lassen, ließe sich leicht fortsetzen. Seit mehr als 120 Jahren wird die Berliner Kunstgießerei als Familienbetrieb geführt. Vom Kaiserreich bis heute, seit vier Generationen, trägt der Chef immer den Namen Hermann Noack.
Hermann IV., geboren 1966, verbrachte auf dem Werksgelände seine Kindheit. "Ich bin teilweise nach der Schule mit Freunden in die Firma gefahren. Und das war dann wie ein Abenteuerspielplatz." Die Hitze in der Gießerei, die flüssige Bronze, die Skulpturen und Plastiken: Das fasziniere ihn bis heute, erzählt Hermann Noack.
Problem: Verlockendes Angebot
"Wenn glühend heißes Metall in die Form fließt, das ist immer wieder ein tolles Erlebnis. Wie mit einem Lagerfeuer, das ist ja auch immer wieder schön. Was das Ganze hier für mich sehr interessant macht, ist das Zusammengehen von verschiedenen Feldern. Also einmal das Handwerkliche, der Umgang mit Künstlern, Kunst überhaupt, und das Wirtschaftliche."
Hermann Noack hat den seltenen Beruf des Sandformers gelernt, später den des Gießereimechanikermeisters. Eigentlich wollte er mal Architekt werden, das hat nicht geklappt. Dass er doch im Familienunternehmen landete, hier klingt Hermann Noack auch ein wenig pragmatisch: "Hätte ich wirklich etwas anderes machen wollen, hätte ich was anderes gemacht." Aber das Problem in seinem Fall sei, dass das Angebot so verlockend gewesen sei. "Hätte ich das nicht gemacht, das wäre für mich persönlich sehr dumm gewesen." Denn in seiner jetzigen Tätigkeit kämen viele Sachen zusammen, die er gerne mache.
Quadriga, Viktoria und Berlinale-Bären
Im Berliner Stadtbild lassen sich überall die Spuren der Gießerei Noack finden. Das Unternehmen hat die Quadriga auf dem Brandenburger Tor neu gefertigt, die Viktoria auf der Siegessäule saniert, und war am Sowjetischen Ehrenmal am Brandenburger Tor beteiligt. Besonders stolz ist man auf die Berlinale-Bären, die nur hier gegossen werden - seit 70 Jahren.
Vieles würden sein Großvater und Urgroßvater in der Gießerei noch wiedererkennen. Die Arbeitsabläufe, so Hermann Noack, hätten sich kaum verändert. Die Kunst, die in der Gießerei gefertigt werde, unterscheide sich allerdings sehr.
Tradition und Moderne
"Als damals mein Urgroßvater angefangen hat, wurde sehr figürlich gearbeitet. Heutzutage sind es teilweise sehr komplexe Geschichten mit verschiedenen Materialien, mit verschiedenen Techniken. Heutzutage kommen Techniken mit 3-D und Wasserstrahlschneiden hinzu. Damit arbeiten die Künstler natürlich auch viel. Und darauf müssen wir uns einstellen."
Zu vielen Künstlern, so erzählt Hermann Noack, bestehe ein enges, fast freundschaftliches Verhältnis.
Warum schon Käthe Kollwitz, Ernst Barlach oder Joseph Beuys ihre Werke hier fertigen ließen, und bis heute viele namhaften Künstler der Gießerei Aufträge erteilen, dass versucht Hermann Noack so zu erklären.
"Ein großer Vorteil von uns ist, dass wir ein relativ großes Spektrum abdecken. Es gibt sicherlich eine Menge Gießereien auf dieser Welt, die zum Beispiel das Wachsausschmelzverfahren sehr gut beherrschen. Aber das heißt noch lange nicht, dass sie gut patinieren können, dass sie große Sache machen können, dass sie termingerecht arbeiten können."
"Das gesamte Niveau fällt"
Weltweit finden sich Arbeiten der Firma Noack, im Skulpturenpark in Tokio, auf dem Kreml in Moskau. Enttäuscht äußert sich Hermann Noack über seine Heimatstadt Berlin. Das hänge nicht nur damit zusammen, dass die Firma nur wenige Aufträge erhalte. Sondern auch deshalb, weil "wenig Gutes gemacht" werde. "Wenn Sie sich angucken, das öffentliche Straßenland, die gesamte Gestaltung, das ist eine Katastrophe. Das gesamte Niveau fällt."
Bleibt die Frage, wie es mit der Dynastie Hermann Noack weitergeht. Hermann Noack hat zwei Töchter, einen Hermann Noack in fünfter Generation wird es wohl nicht geben. Aber das sei nicht so wichtig, sagt Hermann IV.
Seine Töchter haben Interesse für Kunst und auch für den Betrieb, es werde also weitergehen. "Bestimmt nicht so, wie ich es bisher gemacht habe. Das können sie machen, wie sie es wollen."
(ful)