Unternehmerin Tijen Onaran

Die digitale Netzwerkerin

35:46 Minuten
Eine junge Frau mit rotem Mantel und Pullover schaut lächelnd in die Kamera. Es ist Tijen Onaran.
Wandel in der Wirtschaft: Für Tijen Onaran steht fest, "dass ohne Diversität keine Digitalisierung möglich". © Andrea Heinsohn
Moderation: Britta Bürger · 09.08.2021
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Tijen Onaran ist eine Ausnahmeerscheinung: Mit 20 ist sie FDP-Landtagskandidatin, mit 36 erfolgreiche Unternehmerin: Ihre Mission: Frauen aus der IT-Branche zusammenbringen und in der männerdominierten Digitalszene sichtbar machen.
"Wo bekommen wir die Frauen her", wird Tijen Onaran von Unternehmen häufig gefragt. Die Gründerin von "Global Digital Women" kann meist helfen, weltweit ist sie mit mehr als 30.000 Frauen vernetzt.
Mit ihrem eigenen Unternehmen hat es sich Onaran zur Aufgabe gemacht, Frauen in der Wirtschaft, besonders im digitalen Sektor, sichtbar zu machen. Die Nachfrage der Firmen ist groß.
"Wir machen dann Umfragen in den Unternehmen, fragen die Mitarbeitenden. Dann treten wir an die Geschäftsführung heran und zeigen denen, woran es liegt", erzählt Onaran.

"Ich hätte keinen Bock, bei dir zu arbeiten"

In manchen Firmen fehle die Möglichkeit auf Teilzeit, in anderen fühlten sich Frauen nicht wertgeschätzt. Viele mittelständischen Unternehmen sind nicht in großen Städten vertreten, hier spiele die schlechtere Erreichbarkeit eine Rolle.
Ein Vorzeigeunternehmen oder ein Land, das die Gleichstellung am besten erfülle, gebe es nicht, sagt die Unternehmerin. Aber: "Ich muss sagen, da verändert sich gerade sehr viel, ehrlicherweise auch durch den öffentlichen Druck. Aber auch dadurch, dass viele Vorstände, das sind meistens Männer, mittlerweile Töchter und Söhne haben, die sagen: 'Papa, wenn ich mir das Bild von deinem Vorstand auf der Website angucke, das sind ja nur Männer. Ich hätte keinen Bock bei dir zu arbeiten.'"
Für Onaran steht fest, "dass ohne Diversität keine Digitalisierung möglich ist". Ganz gleich welche digitalen Produkte ein Unternehmen entwickle, es müssten alle Geschlechter und Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen daran teilhaben. Sonst, so die 36-Jährige, würde Digitalisierung nicht gelingen, "weil sie nicht auf verschiedene Zielgruppen anwendbar ist".
Außerdem seien "diverse Teams innovativer, kreativer und krisenresistenter. Deswegen gehören Frauen an alle Machttische dieser Welt", findet die Unternehmensgründerin.

Migrationsvordergrund statt Hintergrund

Heute ist Onaran vieles: Autorin, Speakerin und Moderatorin steht auf ihrer Seite, die Liste ließe sich fortsetzen. Lange machte sie vor allem eine Erfahrung: Ob in der Schule, im Job oder in der Politik, als Frau, zumal mit Migrationshintergrund, ist sie meist allein. Lieber spricht Onaran übrigens von "Migrationsvordergrund".
"Am Anfang klingt es vielleicht ganz spannend, die Einzige zu sein, weil man sich denkt: 'Ich kann hier echt was leisten und falle vielleicht auch mit Dingen auf, gehe nicht so ganz unter.' Aber irgendwann nervt es dich, weil du feststellst: 'Ich habe niemanden, mit dem ich mich verbünden kann. Hier ist niemand, der meine Situation nachempfinden kann.'"
Also gründet sie einen Stammtisch für Frauen in der Wirtschaft. 2018 erwächst daraus ihr Unternehmen "Global Digital Women". Mittlerweile wurde Onaran mehrfach ausgezeichnet. Das "Handelsblatt" wählte sie in die "Top 100 Frauen, die Deutschland bewegen", ihr Unternehmen erhielt 2020 den Deutschen Exzellenz-Preis.

Positionierung statt Inszenierung

Im selben Jahr erscheint auch ihr zweites Buch "Nur wer sichtbar ist, findet auch statt". Eine praktische Anleitung dafür, wie man sich ein Netzwerk aufbaut und die eigene Person zur Marke macht. Ein Thema, das auch immer mehr auf Kritik stößt. Viele wehren sich mittlerweile gegen den ständigen Druck der Selbstoptimierung.
Doch Onaran gehe es nicht um Inszenierung, sondern um Positionierung. In der digitalen Welt, so die Unternehmerin, sei jeder Mensch sichtbar: "Es wird Menschen geben, die von mir ein Bild haben. Die Frage lautet, behalte ich das Erzählen dieser Geschichte selbst in die Hand oder überlasse ich es anderen?"
Das gelte für Krankenschwestern, als auch für Frauen in Unternehmen: "Spätestens dann, wenn ich überlege, mein Gehalt zu verhandeln oder meinen Job zu wechseln, bin ich auf meine Sichtbarkeit angewiesen. Dann bin ich darauf angewiesen, dass Menschen mich schon kennen, dass sie wissen, wer ich bin, was ich mache, was ich gut kann."

"Yes she can"

Auch müsse man lernen, die richtigen Themen für sich zu finden. Das habe sie selbst einüben müssen. Mit 20 Jahren engagiert sich Onaran bei der FDP und wird Landtagskandidatin. Eine junge Frau mit türkischen Wurzeln, also beschließt man, sie sei die richtige Frau für Integrationsthemen. Das sah die gebürtige Karlsruherin völlig anders:
"Ab dem Zeitpunkt habe ich festgestellt, wenn ich nicht das Heft des Handelns in die Hand nehme, machen es andere. Das möchte ich nicht. Da habe ich angefangen, das aktiv zu kommunizieren. Ich habe gesagt, dass Themen wie Bildung für mich eine größere Relevanz haben."
Das jüngste Projekt von Onaran ist ein Dokumentarfilm: "Yes she can – Frauen verändern die Welt". "Wir haben einen Mix gefunden aus Frauen, die schon eine gewisse Form der Sichtbarkeit haben, und andere Frauen, die vielleicht noch nicht so sichtbar sind; ob das Gründerin waren oder auch Frauen, die in Unternehmen arbeiten, wir haben ihre Geschichten gezeigt."
(ful)
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