Unterwegs auf Weltreise
Kaum jemand hat die Karten dieser Welt so verändert wie der Entdecker James Cook. Georg Forster würdigt in dem aufregend und buchstäblich schönen Bändchen die Reisen des Weltumseglers, Forschers und Ingenieurs.
Verglichen mit Forster wirken die meisten deutschen Denker, Deuter und Dichter selbst heute noch regelrecht weltängstlich. Dass Reisen bildet, beherzigen anscheinend fast nur noch Senioren, deren Rente reicht, wenigstens ein bisschen von der Bildung nachzuholen, die sie früher nicht bekommen haben.
Georg Forster war kaum elf, als er auf seine erste kleine Weltreise ging - aus einem Dörfchen südöstlich von Danzig/Gdansk bis fast zur Wolga-Mündung hinunter. Im Auftrag der Zarin und in väterlicher Obhut. Es war eine sehr andere, komfortlose Art Bildungsreise.
Vater Johann Reinhold Forster hatte schottische Wurzeln, war polyglott und ein besessener Naturwissenschaftler, brachte sich und die Familie widerwillig als Pfarrer durch und nutzte 1765 seine erste große Chance: Erforschung und Kartierung jener unteren Wolga-Region, in der Deutsche siedelten. Sein Sohn begriff so nicht nur von frühauf die innige Verbindung von Forscherleidenschaft und Fortschritt und die Bedeutung der eigenen Welt-Anschauung als Korrektiv zu ideologischem Geschwätz.
Er lernte neben Latein und Französisch auch so gut Russisch, dass er ein paar Jahre später Michail Lomonossows kurze Geschichte Russlands ins Englische übersetzen konnte. Das tat der Haushaltskasse gut. Die Familie lebte inzwischen in England, wo der Vater sich als Lehrer durchschlug, bis er endlich als Naturhistoriker anerkannt wurde und 1772 den glanzvollsten aller damals denkbaren Aufträge bekam: als leitender Naturwissenschaftler an Bord der Resolution auf der zweiten Weltumseglung des legendären Captain James Cook. Georg, gerade 17, durfte mit, als Gehilfe und Zeichner.
James Cook war weltweit Kult, seit er 1771 von seiner ersten dreijährigen Weltreise nach London zurückgekehrt war. Nach der zweiten war auch Forster Junior Kult. Er korrespondierte mit Lichtenberg, Goethe, Herder und den Humboldt-Brüdern; europäische Monarchen, Wissenschaftler und Geistesgrößen selbst aus Amerika wie Benjamin Franklin ließen sich von ihm berichten, mit 24 war er Professor in Kassel.
Da hatte er bereits sein opus magnum abgeliefert – "Die Reise um die Welt". Ein Bestseller auf Englisch wie Deutsch. Reiseliteratur einer ganz neuen Art, so leidenschaftlich wie reflektiert. Hunderte von unbekannten Tieren und Pflanzen des südlichen Pazifischen Ozeans hatte er gezeichnet und nach Linné klassifiziert.
Zu unzähligen verbesserten oder gänzlich neuen See- und Landkarten hatte die zweite Cooksche Fahrt geführt, zu präzisen Strömungsmessungen ebenso wie ethno-kulturellen Entdeckungen. Und zur endgültigen Zerstörung eines Mythos', dass es unterhalb des 60. südlichen Breitengrades ein zu eroberndes "Südland" gebe. Da kam nur noch das ewige Eis der Antarktis.
Von derselben kristallinen, reflexionsfreudigen Weitsicht sind die beiden langen Essays von Forster, die Frank Vorpahl (der Herausgeber der "REISE") jetzt mit acht auf abenteuerliche Weise 2007 wiedergefundenen Zeichnungen zu dem aufregenden und buchstäblich bildschönen Bändchen "James Cook, der Entdecker" zusammengestellt hat.
Der zweite Essay ist ein akribisches Ermittlungsprotokoll zu Cooks gewaltsamen Ende, gewürzt mit ironischen Spitzen wider Mythenbildner und Verschweiger; der erste die kluge Würdigung eines brillanten Genies, seines Entdeckermuts und des 18. Jahrhunderts insgesamt. Für die Kenntnis unserer äußeren Welt war es das vielleicht bedeutendste, geprägt von Männern, die alle Sicherheiten riskierten, um die terrae incognitae des Erdballs zu erkunden. Die gefährlichen Reisen in die terra incognita unserer Innenwelt warteten auf die Menschen der kommenden Jahrhunderte, und deren Entdecker waren nicht mehr nur Männer.
Rezensiert von Pieke Biermann
Georg Forster: James Cook, der Entdecker
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Frank Vorpahl und mit acht Farbtafeln von Forsters eigener Hand
Eichborn Berlin, 2008, 176 Seiten, 24,95 Euro
Georg Forster war kaum elf, als er auf seine erste kleine Weltreise ging - aus einem Dörfchen südöstlich von Danzig/Gdansk bis fast zur Wolga-Mündung hinunter. Im Auftrag der Zarin und in väterlicher Obhut. Es war eine sehr andere, komfortlose Art Bildungsreise.
Vater Johann Reinhold Forster hatte schottische Wurzeln, war polyglott und ein besessener Naturwissenschaftler, brachte sich und die Familie widerwillig als Pfarrer durch und nutzte 1765 seine erste große Chance: Erforschung und Kartierung jener unteren Wolga-Region, in der Deutsche siedelten. Sein Sohn begriff so nicht nur von frühauf die innige Verbindung von Forscherleidenschaft und Fortschritt und die Bedeutung der eigenen Welt-Anschauung als Korrektiv zu ideologischem Geschwätz.
Er lernte neben Latein und Französisch auch so gut Russisch, dass er ein paar Jahre später Michail Lomonossows kurze Geschichte Russlands ins Englische übersetzen konnte. Das tat der Haushaltskasse gut. Die Familie lebte inzwischen in England, wo der Vater sich als Lehrer durchschlug, bis er endlich als Naturhistoriker anerkannt wurde und 1772 den glanzvollsten aller damals denkbaren Aufträge bekam: als leitender Naturwissenschaftler an Bord der Resolution auf der zweiten Weltumseglung des legendären Captain James Cook. Georg, gerade 17, durfte mit, als Gehilfe und Zeichner.
James Cook war weltweit Kult, seit er 1771 von seiner ersten dreijährigen Weltreise nach London zurückgekehrt war. Nach der zweiten war auch Forster Junior Kult. Er korrespondierte mit Lichtenberg, Goethe, Herder und den Humboldt-Brüdern; europäische Monarchen, Wissenschaftler und Geistesgrößen selbst aus Amerika wie Benjamin Franklin ließen sich von ihm berichten, mit 24 war er Professor in Kassel.
Da hatte er bereits sein opus magnum abgeliefert – "Die Reise um die Welt". Ein Bestseller auf Englisch wie Deutsch. Reiseliteratur einer ganz neuen Art, so leidenschaftlich wie reflektiert. Hunderte von unbekannten Tieren und Pflanzen des südlichen Pazifischen Ozeans hatte er gezeichnet und nach Linné klassifiziert.
Zu unzähligen verbesserten oder gänzlich neuen See- und Landkarten hatte die zweite Cooksche Fahrt geführt, zu präzisen Strömungsmessungen ebenso wie ethno-kulturellen Entdeckungen. Und zur endgültigen Zerstörung eines Mythos', dass es unterhalb des 60. südlichen Breitengrades ein zu eroberndes "Südland" gebe. Da kam nur noch das ewige Eis der Antarktis.
Von derselben kristallinen, reflexionsfreudigen Weitsicht sind die beiden langen Essays von Forster, die Frank Vorpahl (der Herausgeber der "REISE") jetzt mit acht auf abenteuerliche Weise 2007 wiedergefundenen Zeichnungen zu dem aufregenden und buchstäblich bildschönen Bändchen "James Cook, der Entdecker" zusammengestellt hat.
Der zweite Essay ist ein akribisches Ermittlungsprotokoll zu Cooks gewaltsamen Ende, gewürzt mit ironischen Spitzen wider Mythenbildner und Verschweiger; der erste die kluge Würdigung eines brillanten Genies, seines Entdeckermuts und des 18. Jahrhunderts insgesamt. Für die Kenntnis unserer äußeren Welt war es das vielleicht bedeutendste, geprägt von Männern, die alle Sicherheiten riskierten, um die terrae incognitae des Erdballs zu erkunden. Die gefährlichen Reisen in die terra incognita unserer Innenwelt warteten auf die Menschen der kommenden Jahrhunderte, und deren Entdecker waren nicht mehr nur Männer.
Rezensiert von Pieke Biermann
Georg Forster: James Cook, der Entdecker
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Frank Vorpahl und mit acht Farbtafeln von Forsters eigener Hand
Eichborn Berlin, 2008, 176 Seiten, 24,95 Euro