Unterwegs in politischer Mission
Das Gesicht des Schauspielers Rolf Becker ist bekannt aus "Derrick", "Tatort" oder "In aller Freundschaft". Doch wenn er nicht vor der Kamera steht, zeigt der 77-jährige noch ein anderes Gesicht: das des streitbaren Polit-Aktivisten.
(Trillerpfeifen, Applaus) "Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mich zunächst vorstellen, weniger als das, was ich gerade vorgestellt worden bin, als Schauspieler. Ich begrüße euch und überbringe euch solidarische Grüße vom Ortsvorstand des Fachbereichs Medien in Verdi Hamburg." (Trillerpfeifen, Applaus)
Dezember 2012. Rolf Becker ergreift das Wort auf einer Kundgebung von Beschäftigten des Verpackungsherstellers Neupack in Hamburg. Die Arbeiter befinden sich in einem unbefristeten Streik. Miese Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne werden beklagt.
"Und ich werde mich an eurer Seite darum bemühen, die Streikbrecher für uns zu gewinnen …"
Auf einer Rednerbühne hat der linke Gewerkschaftsaktivist Becker wohl schon fast genauso oft gestanden wie auf einer Theaterbühne oder vor der Kamera.
"… und wenn die Unternehmer sich tausendmal dagegen wehren, um sie zu überzeugen, dass sie auf eurer Seite stehen müssen, und nicht auf Seite der Unternehmer!""
Drei Monate später vor den Werkstoren der Firma Neupack in Hamburg-Stellingen. Der Arbeitskampf ist noch immer nicht vorbei. In einem Wohnwagen, in dem sich die Streikenden aufwärmen können, sitzt Rolf Becker und erzählt, warum er Theater-Schauspieler wurde – zunächst weniger aus Leidenschaft als aus politischer Not. Vergeblich sucht er im Bremen der fünfziger Jahre nach Aufarbeitung der Nazi-Diktatur. Von der Elterngeneration bekommt er auf seine Fragen keine Antworten.
"Und das Ergebnis war, man versuchte, das irgendwo anders herzukriegen. Und ich kam in Kontakt mit Kollegen und Kolleginnen des Bremer Theaters, und da war auf einmal völlige Diskussionsoffenheit, und man bekam französische und italienische und amerikanische Literatur und auf einmal ein Argumentationsmuster, das sich völlig abhob von dem, was wir in der Schule hörten."
Sitzt man Becker gegenüber und schaut in das markante, zerfurchte Gesicht, denkt man automatisch an die vielen Fernsehrollen, die er gespielt hat.
"Für mich ist eigentlich ziemlich gleichgültig, was für eine Rolle es ist, für mich ist entscheidend, was für ein Stoff, und was transportiert der Stoff an Inhalt. Und wenn der Inhalt so ist, dass er zur Diskussion herausfordert und die Leute zum Nachdenken anregt oder vielleicht sogar zur Selbstreflektion, dann mache ich es, und wenn er in eine umgekehrte Richtung geht, versuche ich ihm auszuweichen. Das gelingt nicht immer, aber ich versuche mich, so ein bisschen danach zu verhalten."
… was für Becker allerdings immer schwieriger wird. Im Neuen Deutschen Film der 60er- und 70er-Jahre fand Becker noch Stoffe, die das Zeitgeschehen kritisch aufnahmen und die sozialen Hintergründe der Figuren ergründeten. Heute sieht sich der Schauspieler immer öfter gezwungen, auf Krimiserien und den Unterhaltungssektor auszuweichen.
"Ich bin froh, dass ich nicht den Untergang der Gustloff, den Untergang von Dresden, den Untergang von Hitler und so weiter, dass ich da nicht mitspielen, dass ich gar nicht gefragt worden bin. Ich hätte nur vor der Entscheidung stehen können, nein zu sagen. Dann mach ich lieber von Derrick bis … das heißt, weiche dann auf den Unterhaltungssektor aus, der auch nicht ideologiefrei ist, aber wo man sich zumindest nicht beteiligt am Verfälschen der Geschichte oder an einem Prozess der Ideologisierung der Bevölkerung, mit dem man nichts zu tun haben möchte."
(Trillerpfeifen, Applaus) "Auch wenn die Methoden der Geschäftsführung an die Frühzeit des Kapitalismus erinnern, in Wirklichkeit sind sie, denke ich, auf der Höhe der Zeit. Das sind die neuen Maßstäbe, die kommen. Der Klassenkampf von oben wird geführt, es hilft nur eins, der Widerstand von unten!" (Trillerpfeifen, Applaus)
Bis heute versucht Rolf Becker, politische Haltung und künstlerischen Ausdruck miteinander in Einklang zu bringen – etwa wenn er regelmäßig Lesungen des "Kommunistischen Manifests" veranstaltet.
"Es ist für mich nicht nur Kulturgut und nicht nur Literatur, sondern es ist ein notwendiger Fundus, aus dem wir schöpfen können und schöpfen müssen. Insofern würde ich mich, was die Methodik angeht, kann man mich ruhig als Marxisten bezeichnen. Aber das ist eine Denkmethode! Und wir sind heute über einhundertsechzig Jahre danach. Entsprechend müssen wir uns kritisch damit auseinandersetzen, fragen, was hat sich bestätigt, und was ist in Frage gestellt worden durch die reale Entwicklung."
Nicht immer findet das vielseitige Engagement des Schauspielers ausschließlich Zuspruch. Auch zu Hause mit den Kindern kommt es zuweilen zu Diskussionen. Becker hat fünf Kinder, darunter aus erster Ehe die Schauspieler Ben und Meret.
"Dass sie einen Weg finden, das läuft erstmal über einen Widerspruch und die Negation. Aber… viele haben sich darüber lustig gemacht, dass der Ben dann zum Beispiel den Weg zur Bibel gefunden hat und die Bibel vorgelesen hat, während ich das Manifest vorgelesen habe. Komischerweise hat es die FAZ mit am Besten verstanden und gesagt, in gewisser Weise ergänzt sich ja beides. Das heißt, beide sind an der Frage dran, wohin führt der Weg der Menschen."
… eine Frage, die Becker – etwa angesichts der Finanzkrise und der wachsenden Zahl kriegerischer Konflikte – keine Ruhe lässt.
"Der Auftrag, der sich für mich ergeben hat aus dem Erlebten in Kriegs- und Nachkriegszeit, ist bis jetzt nicht erfüllt, und so viel ich noch beitragen kann, damit künftigen Generationen jedenfalls ein bisschen was erspart bleibt, mache ich das weiter."
Dezember 2012. Rolf Becker ergreift das Wort auf einer Kundgebung von Beschäftigten des Verpackungsherstellers Neupack in Hamburg. Die Arbeiter befinden sich in einem unbefristeten Streik. Miese Arbeitsbedingungen und Niedriglöhne werden beklagt.
"Und ich werde mich an eurer Seite darum bemühen, die Streikbrecher für uns zu gewinnen …"
Auf einer Rednerbühne hat der linke Gewerkschaftsaktivist Becker wohl schon fast genauso oft gestanden wie auf einer Theaterbühne oder vor der Kamera.
"… und wenn die Unternehmer sich tausendmal dagegen wehren, um sie zu überzeugen, dass sie auf eurer Seite stehen müssen, und nicht auf Seite der Unternehmer!""
Drei Monate später vor den Werkstoren der Firma Neupack in Hamburg-Stellingen. Der Arbeitskampf ist noch immer nicht vorbei. In einem Wohnwagen, in dem sich die Streikenden aufwärmen können, sitzt Rolf Becker und erzählt, warum er Theater-Schauspieler wurde – zunächst weniger aus Leidenschaft als aus politischer Not. Vergeblich sucht er im Bremen der fünfziger Jahre nach Aufarbeitung der Nazi-Diktatur. Von der Elterngeneration bekommt er auf seine Fragen keine Antworten.
"Und das Ergebnis war, man versuchte, das irgendwo anders herzukriegen. Und ich kam in Kontakt mit Kollegen und Kolleginnen des Bremer Theaters, und da war auf einmal völlige Diskussionsoffenheit, und man bekam französische und italienische und amerikanische Literatur und auf einmal ein Argumentationsmuster, das sich völlig abhob von dem, was wir in der Schule hörten."
Sitzt man Becker gegenüber und schaut in das markante, zerfurchte Gesicht, denkt man automatisch an die vielen Fernsehrollen, die er gespielt hat.
"Für mich ist eigentlich ziemlich gleichgültig, was für eine Rolle es ist, für mich ist entscheidend, was für ein Stoff, und was transportiert der Stoff an Inhalt. Und wenn der Inhalt so ist, dass er zur Diskussion herausfordert und die Leute zum Nachdenken anregt oder vielleicht sogar zur Selbstreflektion, dann mache ich es, und wenn er in eine umgekehrte Richtung geht, versuche ich ihm auszuweichen. Das gelingt nicht immer, aber ich versuche mich, so ein bisschen danach zu verhalten."
… was für Becker allerdings immer schwieriger wird. Im Neuen Deutschen Film der 60er- und 70er-Jahre fand Becker noch Stoffe, die das Zeitgeschehen kritisch aufnahmen und die sozialen Hintergründe der Figuren ergründeten. Heute sieht sich der Schauspieler immer öfter gezwungen, auf Krimiserien und den Unterhaltungssektor auszuweichen.
"Ich bin froh, dass ich nicht den Untergang der Gustloff, den Untergang von Dresden, den Untergang von Hitler und so weiter, dass ich da nicht mitspielen, dass ich gar nicht gefragt worden bin. Ich hätte nur vor der Entscheidung stehen können, nein zu sagen. Dann mach ich lieber von Derrick bis … das heißt, weiche dann auf den Unterhaltungssektor aus, der auch nicht ideologiefrei ist, aber wo man sich zumindest nicht beteiligt am Verfälschen der Geschichte oder an einem Prozess der Ideologisierung der Bevölkerung, mit dem man nichts zu tun haben möchte."
(Trillerpfeifen, Applaus) "Auch wenn die Methoden der Geschäftsführung an die Frühzeit des Kapitalismus erinnern, in Wirklichkeit sind sie, denke ich, auf der Höhe der Zeit. Das sind die neuen Maßstäbe, die kommen. Der Klassenkampf von oben wird geführt, es hilft nur eins, der Widerstand von unten!" (Trillerpfeifen, Applaus)
Bis heute versucht Rolf Becker, politische Haltung und künstlerischen Ausdruck miteinander in Einklang zu bringen – etwa wenn er regelmäßig Lesungen des "Kommunistischen Manifests" veranstaltet.
"Es ist für mich nicht nur Kulturgut und nicht nur Literatur, sondern es ist ein notwendiger Fundus, aus dem wir schöpfen können und schöpfen müssen. Insofern würde ich mich, was die Methodik angeht, kann man mich ruhig als Marxisten bezeichnen. Aber das ist eine Denkmethode! Und wir sind heute über einhundertsechzig Jahre danach. Entsprechend müssen wir uns kritisch damit auseinandersetzen, fragen, was hat sich bestätigt, und was ist in Frage gestellt worden durch die reale Entwicklung."
Nicht immer findet das vielseitige Engagement des Schauspielers ausschließlich Zuspruch. Auch zu Hause mit den Kindern kommt es zuweilen zu Diskussionen. Becker hat fünf Kinder, darunter aus erster Ehe die Schauspieler Ben und Meret.
"Dass sie einen Weg finden, das läuft erstmal über einen Widerspruch und die Negation. Aber… viele haben sich darüber lustig gemacht, dass der Ben dann zum Beispiel den Weg zur Bibel gefunden hat und die Bibel vorgelesen hat, während ich das Manifest vorgelesen habe. Komischerweise hat es die FAZ mit am Besten verstanden und gesagt, in gewisser Weise ergänzt sich ja beides. Das heißt, beide sind an der Frage dran, wohin führt der Weg der Menschen."
… eine Frage, die Becker – etwa angesichts der Finanzkrise und der wachsenden Zahl kriegerischer Konflikte – keine Ruhe lässt.
"Der Auftrag, der sich für mich ergeben hat aus dem Erlebten in Kriegs- und Nachkriegszeit, ist bis jetzt nicht erfüllt, und so viel ich noch beitragen kann, damit künftigen Generationen jedenfalls ein bisschen was erspart bleibt, mache ich das weiter."