Unverpackt-Läden in der Krise

Kein Geld für Nachhaltigkeit?

05:46 Minuten
Eine Kundin steht vor einem Regal in einem "Unverpackt"-Laden. An der Wand hängen Gläser, deren Inhalt über Dosierspender in mitgebrachte Behältnisse gefüllt werden kann.
Knapp 500 Läden gehören zum „Unverpackt“-Verband in Deutschland. 14 davon haben im vergangenen Jahr geschlossen, 13 allein in den ersten drei Monaten 2022. © picture alliance / dpa / Marijan Murat
Von Niklas Ottersbach · 15.06.2022
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Mehl, Nüsse, Seife, Zahnpasta zum Selberabfüllen in mitgebrachte Gefäße: Das ist das Konzept der Unverpackt-Läden. In den vergangenen Jahren war das vielerorts in Deutschland ein Trend. Doch nun schließen zahlreiche Läden wieder oder sind kurz davor.
Einkaufengehen, ohne Verpackungsmüll anzuhäufen, das ist der Gedanke, der hinter den Unverpackt-Läden steht. Für Kunden bedeutet das: eigene Behältnisse für Mehl, Zahnpasta oder Seife mitnehmen. In den vergangenen Jahren funktionierte das sehr gut. So auch im Unverpackt-Laden im Halleschen Bebelviertel.
Viel Zustimmung erfährt der Laden noch immer, doch Ladenbetreiber Hannes Schulz muss auch feststellen, dass der Umsatz zurückgeht. Kamen vor der Corona-Krise noch 100 Kunden pro Tag, sind es aktuell nur noch 30.
Durch Corona habe sich das Einkaufsverhalten verändert, sagt Schulz. Danach kam der Krieg in der Ukraine und dann die Inflation. Dadurch hätten sich die finanziellen Ressourcen der Menschen verändert und ihr Umgang mit ihnen, was sich weiter darauf auswirkt, wie sie einkaufen.

Krise des Einzelhandels

Der Laden in Halle ist kein Einzelfall. Der Unverpackt-Verband in Deutschland zählt knapp 500 Läden zu seinen Mitgliedern. Haben im gesamten vergangenen Jahr 14 Unverpackt-Läden in Deutschland geschlossen, waren es allein in den ersten drei Monaten 2022 schon 13.
Es sei vielmehr eine Krise des Einzelhandels als eine Krise des Konzepts, Lebensmittel unverpackt zu verkaufen, teilt der Verband auf Anfrage mit. Sprich: Die Neigung, sich Waren ins Haus liefern zu lassen, läuft dem Konzept, sich vor Ort Waren abzufüllen, zuwider.
Es sei nun mal unbequemer, bei ihm einzukaufen, sagt Hannes Schulz in Halle. Er verkauft Zahnpasta im Glas, Seife zum Abfüllen, Obst nur aus der Saison. Kein Fleisch, keine Bananen. Und man müsse sich eben Behälter selbst mitbringen. Dazu kämen nun auch die gestiegenen Energiekosten.
„Würden wir das jetzt noch auf den Preis umschlagen für die Kundinnen und Kunden, wird es sehr preisintensiv.“ Schulz hat die Preise in seinem Laden nicht erhöht. Im Gegenteil: Derzeit bekommen die Kunden bei ihm einen Zehn-Prozent-Rabatt aufs komplette Sortiment. Alles muss raus.
Hannes Schulz, Betreiber des "Unverpackt"-Ladens "abgefüllt" in Halle, steht in seinem Geschäft.
Seinen Laden betreibt Hannes Schulz neben seiner Arbeit als Grundschullehrer. Jetzt will er sich erst mal neu sortieren.© Niklas Ottersbach
Denn der Betreiber macht seinen Laden für mehrere Monate dicht. Hannes Schulz ist von Beruf Grundschullehrer. Seinen Unverpackt-Laden managt er nebenbei. Er habe viel privates Geld in den Laden gesteckt, doch die Umsatzzahlen seien niedrig geblieben. „Und irgendwann kommt so ein Punkt, wo man sagt, man schafft's nicht mehr.“
Genau das hat Hannes Schulz auch über soziale Netzwerke verbreitet. Seitdem bekommt er viele Rückmeldungen. Davon kann er sich zwar nichts kaufen. Aber, sagt er: Es sei wichtig, dass die Leute, die Interesse an diesem Thema haben, sich finden und vernetzen. Ein Mann mit Interesse am Thema Nachhaltigkeit meldete sich beispielsweise für ein Praktikum.

Genossenschaftsmodell als Lösung?

Die nächsten beiden Monate will sich Hannes Schulz neu sortieren. So lange zahlt er die Ladenmiete aus privaten Rücklagen. Mitte August möchte er wiedereröffnen.
Vielleicht könnte ein Genossenschaftsmodell die Lösung sein? So ganz genau weiß er es noch nicht. Hauptsache, er kann seinen Unverpackt-Laden am Leben halten. In Halle hätten sich viele darauf eingestellt, unverpackt einkaufen zu können.
„Und wenn man sieht, was man an Müll produziert, und was man hier einspart, dann ist das schon ziemlich schön.“

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