Unzensiertes von Marx und Engels
"Krieg den Mösen, Friede den Arschlöchern, wird es jetzt heißen. (Lachen)"
Friedrich Engels 1869 zur Liberalisierung des Verbots der Homosexualität.
"Es ist nur ein Glück, dass wir persönlich zu alt sind, um noch beim Sieg dieser Partei fürchten müssten, den Siegern … den Siegern körperlich Tribut zahlen zu müssen"."
Friedrich Engels, gelesen von Gregor Gysi, dem Vorsitzenden der Bundestagspartei Die Linke. Unglaubliches erwartet den Hörer. Karl Marx, gelesen von Harry Rowohlt, über den Mitbegründer des Arbeitervereins, der späteren SPD, Ferdinand Lassalle:
""Der jüdische Nigger Lassalle, […] dabei das wüste Fressen und die geile Brunst dieses Idealisten. Es ist mir jetzt völlig klar, dass er, wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, von den Negern abstammt. […] Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen. (Lachen)"
Man traut seinen Ohren nicht. Ernst oder grober Spaß? Wär’s nicht so genial komisch vorgetragen von Gregor Gysi und Harry Rowohlt, "Marx & Engels intim" wäre nicht einfach nur ein Hörbuch, sondern ein Schlussstrich unter die beiden arroganten Sauertöpfe Marx und Engels, die sich selbst zu Comicfiguren desillusionieren und ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, - manisch Gift und Galle zu spucken gegen jedermann, unübertroffen, was Bosheit und Ironie betrifft:
"Es gibt zwei Gegenden in Europa, wo sich die alte christliche Barbarei in ihrer ursprünglichsten Gestalt beinahe bis aufs Eichelfressen erhalten hat, Norwegen und die Hochalpen, nämlich die Urschweiz."
"Die indische Gesellschaft hat überhaupt keine Geschichte, zumindest keine bekannte Geschichte."
"Ich bin der Ansicht, dass die Wiedereroberung der Deutsch sprechenden linken Rheinseite, eine nationale Ehrensache, die Germanisierung des abtrünnigen Hollands und Belgiens eine politische Notwendigkeit für uns ist."
Letzteres allerdings wohl nicht ironisch, sondern ernst gemeint; lange Passagen des Hörbuchs zeigen, wie in Engels’ Philosophie völkerpsychologisch-rassistische Phantasien wabern. "Mainstream des 19. Jahrhunderts", nennt das der Hörbuch-Booklet-Kommentar gnädig. Auf jeden Fall menschelt es mächtig: bei Marx, stets pleite, geht´s meist um Kohle, endlich ist sein Vater gestorben, schickt seine Mutter kein "Cash". Bleibt nur, der Onkel stirbt:
"Stirbt der Hund jetzt, bin ich aus der Patsche heraus."
Engels, der Fabrikantensohn, mit "Cash" gesegnet, widmet sich seinen Hauptfeinden, den Sozialdemokraten: Engels über Karl Liebknecht und Wilhelm Hasselmann: man beachte die Modernität der Sprache des 19. Jahrhunderts:
"Liebknecht ist natürlich wütend, da die ganze Kritik speziell auf ihn gemünzt war, und er der Vater ist, der mit dem Arschficker Hasselmann zusammen das faule Programm gezeugt hat. (Lachen)"
Für den Psychologen entfaltet sich ein faszinierendes Psychogramm zweier Männer: Engels, der mit seinem Straßenslang die Existenz als gesponserter Fabrikantensohn abarbeitet, während Marx mit seinem Antisemitismus dagegen protestiert, selbst Spross einer alten Rabbiner-Familie zu sein. Wichtig, wie hervorragend von den Machern bedacht, am Ende des Hörbuches in Sachen Antisemitismus die Notbremse zu ziehen. Schluss mit lustig, Friedrich Engels:
"Der Antisemitismus ist also nichts anderes als eine Reaktion mittelalterlicher untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft […] Von Heine und Börne zu schweigen, war Marx von stockjüdischem Blut, Lassalle war Jude, viele unserer besten Leute sind Juden, […] Leute, auf deren Freundschaft ich stolz bin, alles Juden."
Dieses Hörbuch hat etwas Unwirkliches, als seien die Texte erfunden. Und die beiden Vortragenden, Harry Rowohlt und Gregor Gysi, sehen auch noch aus wie Marx und Engels, als seien sie dazu verurteilt, sich in einem anderen Leben noch einmal selbst spielen zu müssen. Raum und Zeit und Wirklichkeit verschwimmen. "Marx & Engels intim" ist eine Sternstunde der Hörbuchkultur, dank der Protagonisten ein geniales, wahrlich postmodernes Gesamtkunstwerk, ein Zeitdokument, das zum Standardbestandteil jedes deutschen Schulunterrichts gehören sollte. Das Ganze meisterlich kommentiert und moderiert von Anna Thalbach, die auch das Schlusswort spricht:
"Vielen Dank fürs Zuhören, empfehlen Sie uns weiter, auf Wiedersehen. Halt, einen haben wir noch: wussten Sie übrigens, dass der Spruch ’Proletarier aller Länder vereinigt euch’ gar nicht von Karl Marx stammt? Den hat er sich in Wirklichkeit bei einem Mann namens Karl Schnapper stibitzt. (Lachen, Applaus)"
Besprochen von Lutz Bunk
Karl Marx, Friedrich Engels: Marx & Engels intim. Harry Rowohlt und Gregor Gysi aus dem unzensierten Briefwechsel
Random House Audio Verlag, München 2009
66 Minuten, 14,95 Euro
"Es ist nur ein Glück, dass wir persönlich zu alt sind, um noch beim Sieg dieser Partei fürchten müssten, den Siegern … den Siegern körperlich Tribut zahlen zu müssen"."
Friedrich Engels, gelesen von Gregor Gysi, dem Vorsitzenden der Bundestagspartei Die Linke. Unglaubliches erwartet den Hörer. Karl Marx, gelesen von Harry Rowohlt, über den Mitbegründer des Arbeitervereins, der späteren SPD, Ferdinand Lassalle:
""Der jüdische Nigger Lassalle, […] dabei das wüste Fressen und die geile Brunst dieses Idealisten. Es ist mir jetzt völlig klar, dass er, wie auch seine Kopfbildung und sein Haarwuchs beweist, von den Negern abstammt. […] Nun, diese Verbindung von Judentum und Germanentum mit der negerhaften Grundsubstanz müssen ein sonderbares Produkt hervorbringen. (Lachen)"
Man traut seinen Ohren nicht. Ernst oder grober Spaß? Wär’s nicht so genial komisch vorgetragen von Gregor Gysi und Harry Rowohlt, "Marx & Engels intim" wäre nicht einfach nur ein Hörbuch, sondern ein Schlussstrich unter die beiden arroganten Sauertöpfe Marx und Engels, die sich selbst zu Comicfiguren desillusionieren und ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgehen, - manisch Gift und Galle zu spucken gegen jedermann, unübertroffen, was Bosheit und Ironie betrifft:
"Es gibt zwei Gegenden in Europa, wo sich die alte christliche Barbarei in ihrer ursprünglichsten Gestalt beinahe bis aufs Eichelfressen erhalten hat, Norwegen und die Hochalpen, nämlich die Urschweiz."
"Die indische Gesellschaft hat überhaupt keine Geschichte, zumindest keine bekannte Geschichte."
"Ich bin der Ansicht, dass die Wiedereroberung der Deutsch sprechenden linken Rheinseite, eine nationale Ehrensache, die Germanisierung des abtrünnigen Hollands und Belgiens eine politische Notwendigkeit für uns ist."
Letzteres allerdings wohl nicht ironisch, sondern ernst gemeint; lange Passagen des Hörbuchs zeigen, wie in Engels’ Philosophie völkerpsychologisch-rassistische Phantasien wabern. "Mainstream des 19. Jahrhunderts", nennt das der Hörbuch-Booklet-Kommentar gnädig. Auf jeden Fall menschelt es mächtig: bei Marx, stets pleite, geht´s meist um Kohle, endlich ist sein Vater gestorben, schickt seine Mutter kein "Cash". Bleibt nur, der Onkel stirbt:
"Stirbt der Hund jetzt, bin ich aus der Patsche heraus."
Engels, der Fabrikantensohn, mit "Cash" gesegnet, widmet sich seinen Hauptfeinden, den Sozialdemokraten: Engels über Karl Liebknecht und Wilhelm Hasselmann: man beachte die Modernität der Sprache des 19. Jahrhunderts:
"Liebknecht ist natürlich wütend, da die ganze Kritik speziell auf ihn gemünzt war, und er der Vater ist, der mit dem Arschficker Hasselmann zusammen das faule Programm gezeugt hat. (Lachen)"
Für den Psychologen entfaltet sich ein faszinierendes Psychogramm zweier Männer: Engels, der mit seinem Straßenslang die Existenz als gesponserter Fabrikantensohn abarbeitet, während Marx mit seinem Antisemitismus dagegen protestiert, selbst Spross einer alten Rabbiner-Familie zu sein. Wichtig, wie hervorragend von den Machern bedacht, am Ende des Hörbuches in Sachen Antisemitismus die Notbremse zu ziehen. Schluss mit lustig, Friedrich Engels:
"Der Antisemitismus ist also nichts anderes als eine Reaktion mittelalterlicher untergehender Gesellschaftsschichten gegen die moderne Gesellschaft […] Von Heine und Börne zu schweigen, war Marx von stockjüdischem Blut, Lassalle war Jude, viele unserer besten Leute sind Juden, […] Leute, auf deren Freundschaft ich stolz bin, alles Juden."
Dieses Hörbuch hat etwas Unwirkliches, als seien die Texte erfunden. Und die beiden Vortragenden, Harry Rowohlt und Gregor Gysi, sehen auch noch aus wie Marx und Engels, als seien sie dazu verurteilt, sich in einem anderen Leben noch einmal selbst spielen zu müssen. Raum und Zeit und Wirklichkeit verschwimmen. "Marx & Engels intim" ist eine Sternstunde der Hörbuchkultur, dank der Protagonisten ein geniales, wahrlich postmodernes Gesamtkunstwerk, ein Zeitdokument, das zum Standardbestandteil jedes deutschen Schulunterrichts gehören sollte. Das Ganze meisterlich kommentiert und moderiert von Anna Thalbach, die auch das Schlusswort spricht:
"Vielen Dank fürs Zuhören, empfehlen Sie uns weiter, auf Wiedersehen. Halt, einen haben wir noch: wussten Sie übrigens, dass der Spruch ’Proletarier aller Länder vereinigt euch’ gar nicht von Karl Marx stammt? Den hat er sich in Wirklichkeit bei einem Mann namens Karl Schnapper stibitzt. (Lachen, Applaus)"
Besprochen von Lutz Bunk
Karl Marx, Friedrich Engels: Marx & Engels intim. Harry Rowohlt und Gregor Gysi aus dem unzensierten Briefwechsel
Random House Audio Verlag, München 2009
66 Minuten, 14,95 Euro