"7 Deaths of Maria Callas" an der Bayerischen Staatsoper München
Regie und Bühne: Marina Abramović
Musik: Marko Nikodijević
Mehr Marina Abramović als Maria Callas
09:09 Minuten
Eine tote Diva blickt auf ihr Leben zurück - das ist das Opernkonzept "7 Deaths of Maria Callas" von Marina Abramović. Sogar schlafend auf der Bühne ziehe die Performance-Künstlerin die Aufmerksamkeit auf sich, sagt unser Kritiker.
Alles beginnt mit Marina Abramović im Bett. Dort liegt sie. Eine Stunde lang. Und rührt sich nicht. Vor ihr, in Richtung Publikum, singen sieben Sängerinnen berühmte Sterbeszenen, die die Callas einst auch sang.
Dazu gibt es bühnenfüllende Videos, Tosca stürzt sich von einem modernen Hochhaus in die Tiefe, beim Aufprall harmoniert ihr Perlenkleid perfekt mit den Glassplittern des Autos, auf dem sie landet.
Madame Butterfly irrt im Schutzanzug durch eine dystopische Landschaft, streift selbigen irgendwann ab und verendet offenbar an giftigen Dämpfen. Carmen geht nach ausführlichen Fesselspielen in den Tod, Norma wandelt mit einem weiblich geschminkten Mann ins Feuer.
Haarscharf am Kitsch vorbei
Der Herr ist Willem Dafoe und taucht öfters auf, legt beispielsweise Desdemona Schlangen um den Hals. Es gibt eine Menge Schauwerte, manches schrammt haarscharf am Kitsch vorbei. Siebenmal stirbt eine Opernfigur, die die Callas sang. Siebenmal, weil Abramović Zahlenmystik liebt und die 7 eine besondere Zahl ist, in verschiedenen Religionen.
Yoel Gamzou liefert mit dem im Corona-Abstand auf der Bühne platzierten Bayerischen Staatsorchester eine kraftvolle, bisweilen leicht übersteuerte Interpretation der berühmten Stücke, ergänzt von unruhigen Klangflächen, die der Komponist Marko Nikodijević als Zwischenmusik geschrieben hat, mal instrumental, mal rein elektronisch.
Im Sterbezimmer der Callas
Der Staatsopernchor singt am Ende auch noch, allerdings leider recht dekorativ Girlandiges. Die Damen absolvieren ihre Auftritte überwiegend solide, mit eher reduziertem gestischen Pathos und wechselhaftem Vokalerfolg. Am besten sind Selene Zanetti (Floria Tosca) und Kiandra Howarth (Cio-Cio-San alias Madame Butterfly). Lauren Fagan übernimmt die eher undankbare Aufgabe, "Casta Diva" aus Bellinis "Norma" zu singen, sie macht es gut, aber wer das Bravourstück der Callas im Ohr hat, ist natürlich enttäuscht.
Wer es nicht kennt, lernt es bald kennen, denn der zweite Teil des Abends findet in Maria Callas' Pariser Sterbezimmer statt, Abramović liegt anfangs dort - man ahnt es - im Bett, steht dann aber auf und beginnt ein Ritual. Ihre eigene Stimme kommt vom Band und sie folgt nun quasi sich selbst, geht exakt die Schritte, die der Lautsprecher ansagt, macht bestimmte Bewegungen, verlässt dann das Zimmer.
Eigenwillig und eigenartig
Die Sängerinnen kommen als Putztruppe zurück, reinigen alles, verhängen den Raum mit dunklen Tüchern, ein Grammophon spielt "Casta Diva" mit der Original-Callas, dann erscheint Maria, nein, Marina ein letztes Mal - in goldig glitzerndem Kleid.
Alles klar? Auf den Punkt gebracht: Die berühmte Performance-Künstlerin Marina Abramović erfüllt sich einen Traum und bringt die ihr seit Jahrzehnten so wichtige Sängerin Maria Callas auf die (Opern-)Bühne. Eigenwillig, eigenartig, etwas kunstgewerblich, aber auch formstreng unerbittlich. Etwas Musiktheater. Viel Performance.