Ibrahim Amir: "Homohalal", Uraufführung am 30. März 2017 im Staatsschauspiel Dresden, Kleines Haus 1, 19:30 Uhr
Eine Komödie über Flüchtlinge
Ein früherer Asylbewerber aus dem Irak, der mit der Homosexualität seines Sohnes nicht klarkommt: Davon handelt "Homohalal". Der Autor Ibrahim Amir erklärt, warum er ein Stück ohne die üblichen Flüchtlingsklischees schreiben wollte. Und warum Wien die Uraufführung ablehnte.
Flüchtlinge, die mit einem Boot von der Türkei nach Griechenland kamen: Solche Geschichten, findet der aus Syrien stammende Ibrahim Amir, sind auf Dauer langweilig - zumindest, wenn sie auf "irgendwelchen Lesungen, bei Literatur- und Kunstabenden" immer und immer wieder erzählt werden. Die Undifferenziertheit geht ihm gegen den Strich: "Warum muss man jemanden auf die Bühne stellen, damit er seine Story erzählt und dadurch mein Freund wird?" Für ihn sei die Frage interessanter gewesen: "Was kann in 20 Jahren passieren?"
Zum Beispiel können Geflüchtete dann selbst fremdenfeindlich und homophob sein. Seine Ideen dazu hatte Amir schon vor Jahren. Das Volkstheater Wien zeigte Interesse an der Uraufführung, doch dann stand plötzlich die Flüchtlingskrise 2015 medial im Fokus - und das Theater machte einen Rückzieher: "Mir wurde gesagt, dass einige Schauspieler im Ensemble sich dagegen gestellt haben, weil der Text nicht politisch korrekt ist", sagt Amir.
"Ein hoch dramatisches Thema"
Nun also die Uraufführung in Dresden. Dazu musste der Autor Ortsnamen und Sehenswürdigkeiten in seinem Stück, das ursprünglich in Wien spielte, ändern - statt Stephansdom also Frauenkirche. Das Thema Homophobie blieb natürlich: Die gebe es ja auch in Deutschland, so Amir. Er hofft, dass den Zuschauern seiner Komödie ab und zu das Lachen im Halse stecken bleibe:
"Die Figuren, die auf der Bühne sind, sind ernstzunehmende Figuren. Ich mache mich nicht lustig über sie, auf keinen Fall. Ich lache mit denen. Und das ist ein hoch dramatisches Thema."
Das Interview im Wortlaut:
Liane von Billerbeck: Es ist ein Stück, in dem keiner so ist wie sein Klischee, man darf sogar lachen, obwohl oder weil es um Flüchtlinge und Aktivisten und die ganze Flüchtlingsdebatte auch geht. Geschrieben hat dieses Stück der syrische Kurde Ibrahim Amir, geboren 1982, der wegen seines Engagements in einer kurdischen Studentenorganisation damals exmatrikuliert wurde und sein Studium in Syrien nicht abschließen konnte. Das tat er dann in Wien, schrieb sich für Medizin ein und begann zu schreiben.
Schon seine Kurzgeschichte "In jener Nacht schlief sie tief" gewann den Exilliteraturpreis, und die Uraufführung seines ersten Stücks "Habe die Ehre" wurde mit dem österreichischen Theaterpreis Nestroy ausgezeichnet. Heute hat sein Stück "Homohalal" am Staatsschauspiel Dresden Uraufführung. Das sollte eigentlich schon Anfang 2016 in Wien sein, wurde damals aber abgesagt. Auf ein Neues also! Guten Morgen, Ibrahim Amir!
Ibrahim Amir: Schönen guten Morgen!
von Billerbeck: Sie haben Ihr Stück für den neuen Premierenort Dresden umgeschrieben. Was ist denn darin Dresden-spezifisch?
Ibrahim Amir: Na ja, also, eigentlich, das Thema ist im Großen und Ganzen überall das Gleiche im deutschsprachigen Raum, würde ich jetzt mal sagen, weil … Im Sommer 2015 ist diese so genannte Flüchtlingskrise ein sehr aktuelles Thema in vielen Bereichen. Wir haben mit der Hilfe auch vom Ensemble und der Mitarbeiter, der Regisseurin und dem Dramaturgen das für Dresden umgeschrieben, allerdings nicht nur um die … Es ging um die Ortschaften, es geht um die Sehenswürdigkeiten. Weil, das Stück ging ja auch in Wien, es ist aber nicht so viel verändert worden. Wie gesagt, es sind einfach nur Adressen und Plätze.
von Billerbeck: Das heißt, statt Stephansdom dann Frauenkirche?
Ibrahim Amir: Ja, zum Beispiel.
von Billerbeck: Sie haben sich dafür beraten lassen oder auch eigene Eindrücke der Stadt verarbeitet?
Ibrahim Amir: Nein, nein, ich habe recherchiert, ich war auch selber für eine Zeit in Dresden, ich wurde … Natürlich habe ich mich beraten lassen, das ist selbstverständlich, weil, ich lebe nicht hier. Wie gesagt, aber Fundamentales wurde nicht geändert, weil, das Thema ist ja überall das Gleiche.
Und wenn sich mein Sohn in deinen Sohn verliebt?
von Billerbeck: In Ihrem Stück "Homohalal" geht es um einen ehemaligen Asylbewerber aus Tunesien, der mit der Homosexualität seines 20-jährigen Sohnes nicht zurechtkommt. Warum dieses Thema?
Ibrahim Amir: Der Mann ist aus dem Irak. Aber das spielt auch keine große Rolle. Warum dieses Thema? Das war vor, wie Sie schon erwähnt haben, 2012/2013 haben die Flüchtlinge mit Aktivisten, die eine Votivkirche, also eine Kirche in Wien besetzt haben als Protest gegen die miserablen Umstände in den Camps … Und da habe ich mit denen einen Workshop gehabt. Wir haben uns Gedanken gemacht, wir wollten quasi über die Zukunft uns Gedanken machen, um die Gegenwart darzustellen. Und ein Vorschlag von einem Flüchtling und auch einer Aktivistin, die sind auch selber Künstler, sie haben gesagt: Was passiert, wenn mein Sohn in 20 Jahren sich in deinen Sohn verliebt? Dann war eine Riesendiskussion da und auch zwischen den Flüchtlingen, auch den Aktivisten. Und für mich war das wirklich ein Stoff …
von Billerbeck: Sie hatten Ihr Thema!
Ibrahim Amir: Ja, ein Thema. Und ich und die Aktivistin, Tina Leicht, sie ist selber eine Dramaturgin, wir haben die Idee gehabt: Okay, das ist wirklich zu diskutieren über eine Zukunft, wie sieht es denn da aus. Und daraus wurde ein interessanter Workshop und wir haben einen Text entwickelt dann. Später wollten wir das aufführen selber mit den authentischen Schauspielern beziehungsweise die mit uns gearbeitet haben, das ging leider nicht aus dem Grund, weil, die sind keine professionellen Schauspieler. Und wir haben es so dabei belassen. Später hat Volkstheater davon Wind bekommen und sie waren sehr interessiert und sie wollten das 2016 aufführen.
von Billerbeck: Das haben sie aber nicht getan. Warum nicht?
Ibrahim Amir: Ja, als sie Interesse zeigten, war … Allerdings muss man auch fairerweise sagen, dass diese Flüchtlingsthematik eher am Rande der Themen … und das war nicht so im Fokus. Es war aber 2015 dieser Sommer, wo eine Flüchtlingskrise und die Welle, die sogenannte Welle – ich mag dieses Wort nicht, aber ich muss es benutzen …
von Billerbeck: Ich auch nicht, ich mag weder Flüchtlingskrise, noch Welle, ehrlich gesagt.
Ibrahim Amir: Ja, aber es hat sich so thematisiert. Dann hat sich das medial in den Fokus gedrängt und es war jetzt nicht mehr so wie vorher, man musste das Thema auch … Ich muss auch sagen, dass der Text noch nicht fertig war, er war noch in der Bearbeitungsphase. Was ich nicht verstanden habe, warum wir es nicht verschoben haben einfach. Wir hätten mehr Zeit gehabt wie jetzt in Dresden, das wurde auch nicht getan. Mir wurde gesagt, dass einige Schauspieler im Ensemble sich dagegengestellt haben, weil der Text nicht politisch korrekt ist.
Der Text war angeblich politisch nicht korrekt
von Billerbeck: Oha. Und jemand wie Sie muss politisch korrekt sein. Hatten Sie auch einfach so ein bisschen die Nase voll davon, dass das Thema Flüchtlinge immer sehr eindimensional und schlicht dargestellt wird, also je nach politischem Lager mal positiv oder mal negativ, und beides jeweils nur positiv und nur negativ?
Ibrahim Amir: Ja, das ist ja … Also, diese Undifferenziertheit war für mich … Warum muss man jetzt jemanden auf die Bühne stellen, damit er seine Story erzählt und dadurch mein Freund wird? Es ist natürlich eines jeden Mannes Sache, ob man seine eigene Story auf der Bühne erzählt oder nicht. Für mich war immer, wir brauchen mehr … Also, das ist nicht mehr so …
Diese Leute, habe ich auch das Gefühl gehabt, dass sie nicht mehr über ihre Vergangenheit sprechen wollen, sie wollen das hinter sich haben, sie wollen mehr über die Zukunft sprechen, wie sieht denn das da aus. Und das war für mich interessanter, also, mit den Flüchtlingen zu arbeiten. Weil, sie wollten auch jetzt, dass es weitergeht, nicht dass man die ganze Zeit sie zu irgendwelchen Veranstaltungen einlädt und irgendwelche Lesungen und Literatur- und Kunstabende, und man ihnen gesagt hat, stellt euch mal dahin und erzählt mal, wie ihr auf einem Boot von der Türkei nach Griechenland … Also, das war wirklich zu oft, zu viel, anstrengend. Für mich war viel interessanter: Rede mal in 20 Jahren, was kann passieren in 20 Jahren? Das war für mich viel interessanter.
von Billerbeck: Wir hatten auch so einen Fall diese Woche, einen Rapper, der sich darüber aufgeregt hat, ein aus Syrien kommender, dass er nicht Teil der Berliner Musikszene, als solcher wahrgenommen wird, sondern eben nur als Flüchtling in dieser einseitigen Rolle. Nun ist es ja so, dass bei Ihnen im Publikum – Dresdner Staatsschauspiel – das Bildungsbürgertum sitzen wird und vielleicht dann über die eigenen Ressentiments lachen oder das Lachen im Halse stecken bleiben wird. Wie wird das sein, was meinen Sie?
Ibrahim Amir: Ja, ich hoffe … Ich kenne das noch aus Wien … Ich meine, Dresden ist natürlich unterschiedlich, das Publikum. Ich kenne das noch aus Wien, über ihre eigenen Vorurteile auf der Bühne zu lachen, und irgendwann mal das Lachen im Hals stecken bleibt. Ich meine, das Thema ist wirklich nicht Syrien-spezifisch, letztendlich gibt es Homophobie ja auch in Deutschland und in Österreich leider.
Also, die Figuren, die auf der Bühne sind, sind ernst zu nehmende Figuren. Ich mache mich nicht lustig über sie, auf keinen Fall. Ich lache mit denen. Und das ist ein hoch dramatisches Thema. Und ich bin gespannt, wie das Publikum darauf reagiert.
von Billerbeck: Der Dramatiker Ibrahim Amir bei uns im Deutschlandradio Kultur. Heute Abend wird sein Stück "Homohalal" am Staatsschauspiel Dresden uraufgeführt, ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen natürlich toi, toi, toi!
Ibrahim Amir: Vielen, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.