Weltkrieg für alle
Komödie von John von Düffel
Regie: Tobias Materna
Staatstheater Wiesbaden
Klamotte mit Knallchargen
Der Dramaturg und Autor John von Düffel hat mit "Weltkrieg für alle" ein Sammelsurium von Albernheiten abgeliefert. Dessen Uraufführung - inszeniert von Tobias Materna in Wiesbaden - war ein blankes Desaster.
So sieht Vollbeschäftigung aus – schon als Dramaturg am Deutschen Theater in Berlin hat John von Düffel eine Menge zu tun; er ist zentral verantwortlich für die Autorentheatertage im Juni. Ein ähnliches Neue-Texte-Festival hat er aber außerdem neulich in Potsdam betreut. Von Düffel ist hoch begabt als Pädagoge im Theater, er begleitet Nachwuchs-Autoren beim Theatertreffen. Professor für szenisches Schreiben ist er auch und schreibt seinerseits Romane, Erzählungen und (natürlich) Stücke für’s Theater.
Letzteres Talent, ehedem besonders wichtig für die Karriere, scheint mittlerweile am schwächsten entwickelt – "Weltkrieg für alle", der jüngste Text, uraufgeführt als letzte Schauspielproduktion in der Intendanz des scheidenden Wiesbadener Theaterchefs Manfred Beilharz, ist nichts weniger (oder nicht mehr) als Kraut und Rüben, Quatsch mit Soße, dummes Zeug. Ein blankes Desaster.
Spiel mit Trash und Travestie
Bewusst spielt von Düffel mit Trash und Travestie – er mischt Motive beider großer Kriege des vorigen Jahrhunderts für ein Sammelsurium aus Albernheiten, überkonstruiert und durcheinander wie selten ein neues deutsches Stück. Schon die Exposition macht wirr im Kopf und verführt gleich zu Beginn zum Abschalten.
Eine junge Frau bringt 1969 von der Siegesfeier für Willy Brandts Wahlsieg erstens einen potenziellen zukünftigen Ehemann und zweitens ein Kind im Bauch mit. Der junge Gatte in spe ist allerdings nicht der Vater des Kindes, dafür aber Franzose. Und weil der Vater in einer Wahnwelt lebt, das heißt, sich immer 50 Jahre zurück fantasiert - 1969 also ins Jahr eins nach Weltkrieg I, gestaltet sich die Vorstellung des "Erzfeindes" im Hause Hansen eher schwierig, selbst am Weihnachtsabend. Papa, mit soldatischer Pickelhaube (später auch mit Gasmaske) ausgestattet, stellt gerade den Baum auf. Der fällt aber um, und prompt beklagt Papa den Kriegstod seines gefallenen Kameraden "Baum". Ist das witzig?
Zurück zum Kind - das wurde beim Willy-Fest gezeugt von einem Amerikaner und/oder einem Russen; so ganz genau weiß Tochter Hansen das nicht. Weil sie nun aber "frei sein" und vom Franzosen nichts mehr wissen will nach einer Szene, bleibt das Kind bei den Großeltern, dem kriegsirren Papa und der fundamental-pazifistischen Mama, die das Kind "Josch K. F." nennt. Bald wird dann auch von einem radikalen Taxifahrer in Frankfurt gefaselt. Ist wenigstens das jetzt lustig?
Nächste Szene – nach 13 Jahren kommen Russe und Ami bei Josch K. F. zu Besuch: Knallchargen beide. Mit Pelzmütze und aufblasbar der eine, der dann im "Tauwetter" fast bis auf null zusammen schrumpft. Als "Ronald McReagan" mit Rakete und bühnenfüllender Knarre im Gepäck der andere. Sie streiten um Josch, das Kind – und jetzt verkommt das Stück endgültig zur Ausstattungsklamotte. Daran aber trägt die Inszenierung von Tobias Materna keinerlei Schuld. Schon von Düffels substanzloser Text legt all diesen gequirlten Quark nahe.
Gewitzel und Geblödel
Mag sein, dass der Autor eine Art Generationen-Porträt der 68er im Sinn hatte, die ja vom Aufbruch der Revolte zügig in die Verspannungen des grünen Projekts schlidderten. Vor lauter Gewitzel und Geblödel ist das aber praktisch verloren gegangen. Es ist schwer begreiflich, warum eine Dramaturgie derlei Zeug zur Uraufführung auswählt; und bringt von Düffel seinen Schülerinnen und Schülern wirklich so etwas bei?
Eine kleine Pointe hat das Stück am Schluss. Die Geschichte des russischen Ingenieurs und Obersten Petrow, der im Herbst 1983 den atomaren Welt-GAU verhinderte, weil er der eigenen Technik misstraute und die Raketen auf dem Warnbildschirm völlig zurecht (und weltlebensrettend) als Fehlalarm klassifizierte. Nachzulesen ist die Story im Internet. Sie ist sehr gut – hat aber mit von Düffels Theater-Machwerk eigentlich nichts zu tun.
Das Wiesbadener Ensemble leistet, was möglich ist im Umgang mit diesem Schmarren – und im allgemeinen Abschiednehmen bei der allerletzten Premiere sind alle ganz freundlich, wiehern vor Gelächter, jubeln und gönnen sich ganz viel Vergnügen unter allem Niveau.
Wie gut, dass die Wiesbadener Intendanz von Manfred Beilharz vor allem durch die Biennale in Erinnerung bleibt. "Neue Stücke aus Europa" gibts wieder (und zum letzten Mal) ab Mitte Juni. Dieser Düffel ist dann fast vergessen.