Uraufführung von "Herrinnen"

"Erfolgsfrauen im Zickenkrieg"

Eine Szene aus einer Probe des Theaterstücks "Herrinnen" am Nationaltheater in Mannheim
Eine Szene aus einer Probe des Theaterstücks "Herrinnen" am Nationaltheater in Mannheim © Hans Jörg Michel / Nationaltheater Mannheim / dpa
Theaterkritiker Michael Laages im Gespräch mit Britta Bürger |
In Theresia Walsers neuem Stück "Herrinnen" treten mehrere Frauen um einen Preis gegeneinander an. Das Gezeter wird immer verworrener, weil ein Stück im Stück erzählt wird. Thematisiert werden die Streitigkeiten innerhalb des Ensembles.
Gleich wird der Preis verliehen; eine "Weibliche Lebensleistung" wird ausgezeichnet. Welche? Das wissen die Kandidatinnen noch nicht: die knallharte Generalstaatsanwältin, "seit 165 Jahren" die erste Frau in diesem Männer-Job, die Pädagogin, die einen besonders inklusiven Kindergarten gründete, die Business-Frau mit vier Kindern, die sie kaum sieht.
Diese drei balzen und beißen zu Beginn auf der mit der Spitze ins Publikum gedrehten Nudelbrett-Bühne von Florian Etti - in Theresia Walsers neuem Stück über "Herrinnen", die Erfolgsfrauen im Zickenkrieg. Zwei weitere Kandidatinnen bringen kurz darauf das Tableau stark durcheinander: die immer noch recht prollige Ex-Sekretärin, die jetzt einen Weltkonzern führt und im Maserati durch Düsseldorf brettert, und die Meister-Mathematikerin, die früher mal ein Mann war – Bernd damals, Brenda jetzt. Beide "passen" nicht recht ins Tableau der Superfrauen; beide bringen Walsers neues Stück, das sechste schon fürs Mannheimer Nationaltheater, auf andere Spuren.
Das Gezeter der Top-Frauen geht im Ensemble weiter
Brenda nämlich poltert mehrfach unpassend früh in das feminine Erfolgskränzchen herein; sie hat Schwierigkeiten mit der Tür. Und mit sich selber: Wo komme ich her? Wer bin ich? Was mache ich hier eigentlich? Und plötzlich sind wir in einem anderen Stück – vier Frauen und ein Mann (als Frau) proben in diesem Stück ein anderes Stück, das "Die Tür" überschrieben ist, von einer völlig unbekannten Autorin stammt und "in 24 Stunden" irgendwo in Tirol Premiere haben soll; Schlanders, Bozen, Meran,
Das ist eine kleine Pointe nebenbei – "Voraufführungen" der Inszenierung hatte Mannheims Schauspielchef Burkhard C. Kosminski ja tatsächlich an Südtiroler Bühnen verkauft. Wichtiger aber ist die Fallhöhe, die das Stück jetzt bekommt – das Gezeter der Top-Frauen spiegelt sich quasi wieder im Gezerre der Ensemble-Mitglieder untereinander. Alle würden viel lieber bessere Stücke und größere Rollen spielen, gegen Ende erfahren wir sogar, dass die schon etwas ältere Darstellerin der Prollfrau im Maserati gleich nach der Probe nicht etwa mit dem Intendanten über künftige Rollen reden, sondern die Kündigung erhalten wird. Tragisch, sicher - aber komisch eben auch.
Patriarchale Ordnung beginnt im Theater
Im Auf und Ab zwischen ganz oben (bei den Top-Girls) und ganz unten (im Ensemble) hält Walsers Stück durchaus die nötige Spannung für 90 Minuten; wenn auch zuweilen ein größerer, poetischerer Zugriff auf die Geschichte weiblicher Macht vermisst wird – wie in Caryl Churchills auch lange nach der Uraufführung immer noch furiosem Historienpanorama über die "Top Girls".
Merkwürdigerweise auch probt das Ensemble das Stück im Stück ohne Regisseur; warum, erfahren wir nicht – diese Leerstelle markiert ja den Punkt, wo normalerweise, und jenseits aller weiblichen Strategien, patriarchale Ordnung beginnt im Theater. Der tatsächliche Regisseur der Uraufführung allerdings, Mannheims Schauspiel-Intendant, inszeniert Walsers mäßig schillernden Text sehr geradeaus und vom Blatt; das Ensemble folgt ihm engagiert, aber nur in Maßen schräg, gefährdet und gefährlich. Allerdings hält Kosminski das Stück erklärtermaßen vor allem für eine federleichte, quasi "französische" Komödie.
Abgründe aber wie immer mal wieder in den Stücken von Yasmina Reza tun sich hier eher nicht auf.
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