Urbane Gärtnerei

Gemüsezucht auf kleinstem Raum

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Im "Green Cube" können Pflanzen in einer Hydrokultur wachsen. © picture alliance / dpa / Britta Pedersen
Von Evelyn Bartolmai |
Die Musterfarm LivinGreen zeigt mitten in Tel Aviv, wie man sich in der Großstadt mit Gemüse selbst versorgen kann. Die Initiatoren des Projekts glauben: Der urbanen Gärtnerei gehört die Zukunft.
Der tosende Verkehrslärm rund um das Dizengoff Center mitten in Tel Aviv lässt gewiss alles vermuten, nur nicht, dass sich ausgerechnet hier die israelische Wiege für die Gemüseproduktion der Zukunft befindet. Und doch muss man nur über die Rolltreppen das Dach des riesigen Einkaufstempels erklimmen – und schon befindet man sich in einer kleinen Oase, in der Grünzeug aller Art gedeiht. Seit sechs Monaten betreibt Mandy Falk die Mini-Farm, und er hat den Anspruch, noch in diesem Jahr sämtliche Restaurants im Umkreis von 500 Meter mit Salat und anderem Gemüse zu versorgen. Denn das Geheimnis von wahrer Frische, sagt Mandy, sind kurze Wege:
"In Israel sind die Entfernungen nicht ganz so groß, aber dennoch haben Lieferwege eine ökologische Auswirkung, denn das Gemüse wird mit großen LKW transportiert, die Benzin verbrauchen und die Umwelt belasten. Konventionelle Landwirtschaft nutzt darüber hinaus große Mengen an Pestiziden, ist also nicht besonders grün und bietet auch keine so tolle Zukunft für unseren Planeten. Wir wollen die konventionelle Landwirtschaft nicht ablösen und ersetzen, aber doch den Menschen in der Stadt die Gelegenheit geben, ihr eigenes Gemüse zu ziehen und frisches Gemüse ohne Pestizide essen zu können."
Denn nicht nur Restaurants sollen beliefert, sondern auch die Stadtbewohner ermuntert werden, sich als Gärtner für den Eigenbedarf zu betätigen. Das Unternehmen LivinGreen hat dazu verschiedene Systeme entwickelt, die Gemüsezucht auf kleinstem Raum ermöglichen. Was heute noch wie ein nettes Hobby anmutet, hat jedoch auch ganz praktische Gründe. Schon in wenigen Jahrzehnten werden 80 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben, zitiert Mandy Falk Prognosen der UN-Wirtschaftsorganisation, die Wege vom Feld bis zum Teller der Verbraucher werden immer länger, die Qualität indes immer geringer. Urbane Gärtnerei auf kleinstem Raum ist dazu die ideale Alternative, schwärmt auch Lior Turgeman und weist auf das umliegende Häusermeer:
"Also die ganzen Dächer hier in Tel Aviv, da ist nichts, nur Beton und es passiert nichts dort. Höchstens Solarpaneele, dafür sind wir ja berühmt und das ist ja auch sehr gut, aber was ist mit unserem Essen? In Paris zum Beispiel gibt es bereits ein Gesetz, dass jedes neue Haus einen grünen Dachgarten haben muss – entweder für Solaranlagen oder eben für den Anbau von Gemüse – das ist die Lösung, es muss nicht transportiert, gelagert und gekühlt werden, es ist also viel gesünder und frischer."
Pflanzenzucht in einem stehenden Röhrensystem
Ein sogenanntes "schwimmendes Beet" braucht nur ein Viertel einer konventionellen Bodenfläche, erklärt Mandy die Vorteile der Hydrokultur. Wenn man die Pflanzen in einem senkrecht stehenden Röhrensystem zieht, dann sogar nur ein Achtel. Anders gesagt, der Ertrag ist achtmal so groß, das Gemüse schon küchenfertig sauber und die Ernte so leicht und bequem, dass eine solche Farm sogar Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderungen schaffen kann. Und wenn man die Hydrokultur für das Gemüse gar noch mit Aquakultur zur Fischzucht koppelt, wie Mandy Falk im hinteren Teil der Farm zeigt, dann hat man sogar ein komplettes und preiswertes Öko-System zur Selbstversorgung. Täglich zehn Gramm Futter, rechnet der Fachmann vor, reichen für 15 Kilogramm Fisch, die wiederum genug Dünger für vier Quadratmeter Gemüsepflanzen liefern.
"Dieses System ist eine sehr gute Idee für arme Länder, denn es bietet eine komplexe Lösung für das Ernährungsproblem, weil das System Proteine, Mineralien und Vitamine liefert."
Denn LivinGreen hat keineswegs nur den kleinen israelischen Markt im Blick, sondern unterstützt mit seinen Erfahrungen und Technologien bereits UN-Projekte in zahlreichen Ländern rund um den Globus:
"Wir bieten Lösungen für Beduinen in Israel, und wir haben schon in verschiedenen Projekten in Afrika, in China und Äthiopien mitgearbeitet. Unsere Lösungen sind nicht nur für die Dritte Welt interessant, sondern eben auch, dass man diese Technologie in der Großstadt nutzen kann. Es geht einfach darum, den Menschen zu zeigen, wie man mit einfachsten Mitteln und zum Teil sogar ohne Strom dennoch effektiv Nahrung selbst in der Wüste produzieren kann. Der Wasserbedarf ist so gering, dass wir das System schon überall einsetzen konnten, weil die minimale Wassermenge überall verfügbar war."
Technologien für die Großstadt
Die „Gemüsebox für Faule" ist schon seit Wochen der Renner in Tel Aviv – eine kleine Kiste mit fünf Setzlingen, die in einem Monat auf dem Küchentisch zu knackiger Rohkost heranwachsen, worauf sich die Ex-Münchnerin Jil Meiteles schon heute freut:
"Ich ruiniere jede Pflanze, die in der Erde ist, und alles, was ich nur ins Wasser stellen kann, finde ich wunderbar. Vor allem für Familien, vor allem Kindern zu zeigen, wie Gemüse wächst, finde ich genial."
Und zu guter Letzt noch der Tipp der Fachfrau für den Hochsommer-Balkon mit Dauersonne:
"Salat, Basilikum, Minze, Tomaten, Lauchzwiebeln, Grünkohl, der gedeiht prächtig und ist ein Superfood für alle, die auf Fitness achten, natürlich auch Kohlrabi. Und alles in dem Röhrensystem hier, das man im Haus oder draußen einfach an die Wand montieren kann. Das kostet etwa sechs- bis 700 Shekel, und man kann ein Gemüse ernten, das so gut ist, dass man nie wieder beim Gemüsehändler kaufen wird. Und wir sind sicher, dass sich die Investition in einem Jahr etwa amortisiert hat."
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