Urbaner Hindernislauf

Betonwände hoch laufen

Le Parkour in China
Le Parkour in China © picture-alliance/ dpa / Li Xiang Wh
Von Dirk Schneider |
Bei der Arbeit tragen sie Anzug, im Feierabend erklettern sie die Stadt, balancieren auf Mauern und laufen Wände hoch. Die Parkour-Sportler nennen sich Traceure. Ihr Sportart hat es von der Straße in die Sportvereine geschafft.
Es gibt sie hundertfach zu sehen, auf Videoplattformen wie Youtube: Filme von jungen Menschen, die sich fast schwerelos durch die Stadt bewegen. Sie laufen Wände hoch, springen von Mauer zu Mauer, und, ja, manchmal auch von Baum zu Baum. Parkour heißt diese Art der Fortbewegung, die auf den Amateurvideos so unglaublich leicht aussieht.
Daniel Callhoff: "Was heißt Amateur? Das sind zwar oft Amateure, in dem Sinne, aber (...) die haben dann auch drei, vier, fünf, sechs Tage die Woche trainiert, immer. (...) Deswegen unterschätzen viele Jugendliche das auch. Die sehen irgendwelche Videos, es gibt so viele tolle Videos, es gibt viele krasse Sachen, die zu sehen sind, aber man sieht nie die harte Arbeit dahinter."
Daniel Callhoff ist seit acht Jahren "Traceur", so nennen sich die Anhänger dieser Sportart, die ihren Ursprung in Frankreich hat. Mit 25 Jahren hat Daniel mit Parkour begonnen. Vorher hatte er gar keinen Sport gemacht, inzwischen hat er seinen Arbeitsplatz am Computer längst gegen verschiedene Trainerjobs getauscht. An diesem regnerischen Abend leitet er ein Training eines Hamburger Sportvereins. Sechs junge Männer sind zum Kongresszentrum am Dammtorbahnhof gekommen. Um den 70er-Jahre-Bau herum gibt es Mauern, Treppen und Geländer, und bei Regen das Ganze auch noch überdacht. Nach Aufwärmtraining und Stretching geht es erstmal eine zwei Meter hohe Betonmauer hoch.
Springen, Klettern und Balancieren
Daniel Callhoff: "Das ist ne ziemlich coole Sache, Mauern hoch zu steigen. Weil das ist halt ein typisches Hindernis, ne Mauer. Die Energie, die du beim reinlaufen nutzt, in die Vertikale bringen. Und da kann man dann vier Meter hohe Mauern hochkommen. Bin ich jetzt auch ein bisschen aus dem Training, aber jetzt alles bis drei Meter sieht flüssig, locker aus, aber muss ich jetzt wieder ein bisschen trainieren."
Springen, Klettern und Balancieren sind die häufigsten Elemente beim Parkour, das keine festen Regeln kennt. Für den Traceur ist die Stadt ein großer Spielplatz, auf dem er sich ausprobiert:
Daniel Callhoff: "Es ist ne andere Nutzung der Stadt. Es gibt Fahrradwege in Deutschland, es gibt Fußgängerwege, es gibt Straßen. (...) Wir können andere Wege gehen und den Raum anders nutzen, so wie der Stadtplaner sich das eben nicht gedacht hat."
Parkour hat den Hintergedanken der effizienten Fortbewegung.
Entstanden ist Parkour aus dem militärischen Training der "Mèthode Naturelle", das die Körperertüchtigung in der freien Natur vorsah, aber auch ethische Werte vertrat. Davon inspiriert, haben in den späten 80er-Jahren junge Franzosen um den Vorreiter David Belle dieses Training für die Stadt adaptiert. Stephane Vigroux, der aus der Gruppe um Belle stammt, ist einer der jüngeren Stars der Szene.
Stephane Vigroux: "Parkour ist eine Schule fürs Leben. Wir wollen gute Menschen sein. Es macht keinen Sinn, körperlich in guter Verfassung zu sein, aber im Alltag nicht gut zu handeln. Wir wollen ehrlich zu uns sein, uns unseren Ängsten stellen, anderen Menschen helfen – einfach menschlich sein."
Körperlich und geistig beweglich
Seinen Ängsten stellt man sich schnell beim Parkour. Dazu reicht es schon, seitlich auf einer mehrere Meter hohen Mauer zu balancieren, nur auf dem vorderen Drittel der Füße stehend. Und wer es schafft, zwei Schritte eine Betonsäule hoch zu laufen, um aus dem Lauf auf eine zwei Meter entfernte Wand zu springen, ist schon ganz vorne dabei.
Attila macht seit drei Jahren Parkour. In seinem Beruf geht es eher förmlich zu, er trägt tagsüber Anzug. Dem 37-Jährigen ist es wichtig, sich körperlich und geistig beweglich zu halten:
Attila: "Und die Bewegungsmuster, die man so nutzt im Laufe eines normalen Arbeitstages, halt zu variieren, andere Sachen zu machen. Nicht nur Fußballspielen, dem Ball hinterher laufen, sondern halt Sachen machen, die man noch nicht kann. Etwas, das man gut kann, die ganze Zeit zu machen, ist langweilig."
Zwar gibt es Wettbewerbe in Parkour und Freerunning, einer artistischen Art des Parkour, in der Hindernisse auch mal per Salto überwunden werden. Den Gedanken des Wettkampfs lehnen die Gründer aber ab – nicht der einzelne und seine Leistung sollen gefeiert werden, sondern die Gemeinschaft. Trainer Daniel Callhoff schätzt, dass es in Hamburg um die 400 Traceure gibt, in ganz Deutschland werden es vielleicht wenige tausend sein. Auch weil sie so wenige sind, sprechen sie selbst von einer "Community". Am Ende des Trainings geben sich alle Traceure die Hand und umarmen sich.
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