Urlaubszeit in Deutschland

Wir müssen weg

Eine kühle, grüne Flasche Bier steht am Rande eines tiefblauen Pools in der Sonne. Syymbolbild für Urlaub.
Sonne, Pool und Kaltgetränk - Urlaub, ich komme! © IMAGO / Pond5 Images / xBurdnikx
05.07.2024
Mehr Regen war nie. Deutschland erlebt die nassesten zwölf Monate seit Beginn der Wetteraufzeichnung. Deswegen lechzt der Autor dieser Zeilen nach Sonne und Erholung. Er ist damit nicht allein: Woher kommt die Rekord-Reiselust der Deutschen?
Eine griechische Insel ist gebucht. Zwei Wochen (zu) viel Sonne. Baden. Lesen. Viel mehr soll es nicht sein. Privilegiertes Faulenzen ist mein Plan, denn nach der Arbeit der vergangenen Monate steht die persönliche Tankanzeige definitiv auf „urlaubsreif“. Sie kennen das.
Die Deutschen verreisen häufiger denn je und haben noch nie so viel Geld für Urlaub ausgegeben, wie in diesem Jahr. Rund 1540 Euro sind es pro Kopf, haben Forscher für die Tourismusanalyse von der Stiftung für Zukunftsfragen errechnet. Damit ist das Vor-Corona-Niveau übertroffen. Woher kommt diese Reiselust, die Inflation und krisenhafter Weltlage mühelos trotzt?
Urlaub ist wie Mord: auf das Motiv kommt es an
Wer reist, ist auf der Suche. Die Generationen vor uns, die den „Urlaub“ erst erkämpft und groß gemacht haben, suchten nach Ruhe, um die eigene Arbeitskraft wiederherzustellen. Erholung ist auch heute noch das Hauptmotiv.

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Doch es gibt noch viele weitere, erklärt Jürgen Schmude, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Tourismuswissenschaft. Interesse für Kultur und exotische Landschaften, sportliche Herausforderungen und ja, auch Shopping kann ein Reisemotiv sein. Wer statt Konsumtempeln lieber heilige Stätten der Kontemplation besucht, tut es heute aus anderen Gründen: „Menschen, die der Renaissance des Pilgerns folgen, tun das weniger aus religiösen oder spirituellen Gründen“, so Schmude – die meisten suchten dabei nach einem Weg zu sich selbst.
Vordergründig suche ich glucksendes Wasser, will träge im Schatten fläzen und das nur gelegentlich durch Sonnencreme-Intervalle unterbrechen. Hinter diesem Sehnsuchtsszenario steckt aber wohl eines: Eskapismus. Dem Alltag für gewisse Zeit zu entfliehen, liegt angesichts von Kriegen, Krisen, Katastrophen schwer im Trend.
Reiselust schlägt Klimafrust
Wenn wir ehrlich sind, fängt die partielle Krisenverdrängung bei uns Urlaubern aber schon bei der Buchung an. Wer nicht gerade mit dem Rad, zu Fuß oder dem Pferdewagen auf Reisen geht, befeuert die Erderwärmung. Für längere Strecken und ein schnelleres Fortkommen ist Bahnfahren zumindest die emissionsärmste Alternative - vor allem im Vergleich zum Fliegen.
„Was fürs Klima sehr ins Gewicht fällt, sind Flüge innerhalb Europas, an Orte, die auch mit anderen Verkehrsmitteln erreichbar wären“, sagt Tourismus-Soziologin Kerstin Heuwinkel. Sie plädiert dafür künftig anders zu reisen, ist aber „pessimistisch“ dass das auch bald geschieht.
Eine aktuelle Umfrage gibt ihr Recht. Einem stabilen Drittel der deutschen Urlauber sind Umweltaspekte schlicht schnuppe. Aber auch der Anteil derer, die darauf achten, ist derzeit rückläufig. Auf Flüge verzichten will nur noch ein Fünftel der Befragten, 2020 war es noch jeder Vierte.
In die „Egal“-Fraktion will ich mich nicht einsortieren. Das letzte Jahrzehnt waren die Familienurlaube quasi flugfreie Zone irgendwo zwischen dänische Dünen und den Alpen. Corona hatte größere Reisepläne gekillt - wie bei vielen.

Nachholbedarf nach der Pandemie

Deswegen ist in diesen Sommerferien die „Jetzt aber“-Fraktion groß, weiß Thorsten Schäfer, der Sprecher des deutschen Reiseverbandes. „Die Deutschen haben während der Pandemie gespart. Jetzt beobachten wir einen deutlichen Nachholeffekt. Die Menschen geben mehr Geld für Reisen aus, für Pauschalangebote ebenso wie für Fernreisen.“
Kommt mir bekannt vor. Für mich also zur Abwechslung brütende griechische Hitze. Die suchen übrigens auch knapp 2,5 Millionen andere Teutonen in diesem Jahr. Griechenland liegt damit auf Rang sechs der beliebtesten Reiseziele der Deutschen.
Am Pool liegend plane ich dann meinen nächsten Trip in Nummer eins dieser Rangliste: Deutschland. Mit dem Rad. Und hoffentlich ohne Regen.
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