Sparen, bis der Unterricht ausfällt
An vielen Schulen herrscht Notstand: Mindestens 3300 Lehrerstellen sind in Deutschland unbesetzt. Die Folge ist ein massiver Unterrichtsausfall. Verursacht wurde die Misere durch eine Bildungspolitik, die sich an der Finanzlage orientiert hat.
Die Verzweiflung ist groß. So groß, dass das Land Berlin im Sommer schon Jobbörsen für Lehrer veranstaltet hat, in denen Pädagogen aus anderen Bundesländern, insbesondere aus dem Nachbarland Brandenburg, in die Hauptstadt gelockt werden sollen. Sehr zum Missfallen der Brandenburger Schulverwaltung, die ihrerseits versuchte, die eigenen Lücken mit kostengünstigeren Lehrern aus Polen zu schließen. An deutschen Schulen herrscht akuter Lehrermangel und das mehr oder weniger in allen Bundesländern.
"Besonders dramatisch ist die Situation in Berlin und auch in Sachsen, und der andere Punkt, der wichtig ist, ist, dass der Lehrkräftemangel nicht in allen Schulformen gleich groß ist, sondern dass das Problem vor allem in den Grundschulen und in der Sekundarstufe 1 groß ist."
"Besonders dramatisch ist die Situation in Berlin und auch in Sachsen, und der andere Punkt, der wichtig ist, ist, dass der Lehrkräftemangel nicht in allen Schulformen gleich groß ist, sondern dass das Problem vor allem in den Grundschulen und in der Sekundarstufe 1 groß ist."
Kunst und Musik fallen einfach aus
Das sagt Ilka Hoffmann, Schulexpertin bei der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft GEW. Dabei haben sich die Kultusbehörden der Länder viel einfallen lassen, um den schlimmsten Notstand zu beheben. Pensionierte Lehrer wurden zurückgerufen, Quereinsteiger eingestellt, Gymnasiallehrer an Grundschulen versetzt. Doch gereicht hat es nicht.
"Es fällt ganz viel aus, ich seh das an meiner eigenen Klasse, das ist eine neunte Klasse, die haben total viel Unterrichtsausfall, also ganz oft erst zur dritten Stunde Unterricht oder schon nach der vierten oder fünften Stunde Schluss. Es wird immer versucht, dass die Hauptfächer natürlich bedient werden, aber solche musischen Fächer haben wir gar nicht mehr. Wir haben eine Musiklehrerin für die ganze Schule, und mit Kunst sieht das ähnlich aus. Wir haben eine Chemielehrerin, das ist auch natürlich viel zu wenig."
Pädagogische Konzepte scheitern am Personalmangel
Erzählt eine junge Lehrerin, die im schleswig-holsteinischen Pinneberg an einer Gemeinschaftsschule unterrichtet. Um die 800 Schülerinnen und Schüler hat die Schule, Klassen von 1 bis 10, bei nur noch 50 Lehrern. Die Personaldecke ist so dünn, dass die Kollegen auf dem Zahnfleisch gehen, weil sie ständig einspringen müssen, wenn jemand krank wird. Besonders bitter: Das pädagogische Konzept der Schule kann nicht mehr umgesetzt werden. Viele Eltern entscheiden sich gerade deswegen für die Schule, weil in den unteren Jahrgängen die Hauptfächer mit zwei Lehrern besetzt werden.
"Um grade eben so was aufzufangen wie die Schüler, die Deutsch als Zweitsprache haben oder die schwieriger sind. Das funktioniert aber leider gar nicht mehr, weil die Lehrkräfte, die da doppelt gesteckt sind, müssen immer raus, um zu vertreten."
"Um grade eben so was aufzufangen wie die Schüler, die Deutsch als Zweitsprache haben oder die schwieriger sind. Das funktioniert aber leider gar nicht mehr, weil die Lehrkräfte, die da doppelt gesteckt sind, müssen immer raus, um zu vertreten."
Offiziell, hat die "Süddeutsche Zeitung" zu Beginn des Schuljahres berechnet, sind in Deutschland 3300 Lehrerstellen unbesetzt. Berlin hat sich beholfen, indem es 41 Prozent der offenen Stellen mit Quereinsteigern ohne pädagogische Ausbildung besetzt hat, in Sachsen sind es sogar über 50 Prozent. In Nordrhein-Westfalen klafft eine Lücke von 2139 Pädagogen. Mehr als 600 unbesetzte Stellen gibt es auch in Baden-Württemberg, in Sachsen-Anhalt konnten 100 von 370 ausgeschriebenen Stellen nicht besetzt werden, ähnlich sieht es in Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz aus. Selbst im reichen Bayern fehlen laut GEW-Schätzung bis zu 400 Grund- und Hauptschullehrer. Für den Bildungsexperten der Freien Wähler im Bayerischen Landtag, Michael Piazolo, eine Folge verfehlter Personalpolitik.
Wenn Finanzminister die Schulpolitik bestimmen
"Da wird immer auf Kante genäht. Man startet mit so viel Lehrern, dass es grade in den meisten Bereichen reicht, und ist dann jedes Jahr von neuem überrascht, dass eine Grippewelle kommt, dass es Erkältungen gibt, dass Lehrer schwanger werden, und dass auch Pensionierungen kommen, Frühpensionierungen."
Nun rächt sich, dass in vielen Bundesländern die Finanzminister die Schulpolitik bestimmt haben, sagt auch Ilka Hoffmann. Viel zu lange ging man fälschlicherweise von sinkenden Schülerzahlen aus – doch dann stiegen die Geburtenzahlen, Wirtschaft und Zuwanderung boomten. In den neuen Bundesländern hat man zudem die anstehende Pensionierungswelle verschlafen, zu wenig in die Lehrerausbildung investiert, in Sachsen noch dazu seine Lehrer nicht verbeamtet, so dass die wenigen Absolventen in andere Bundesländer abwanderten. Und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung werden 2025 über eine Million Kinder mehr zur Schule gehen als erwartet.
Nun rächt sich, dass in vielen Bundesländern die Finanzminister die Schulpolitik bestimmt haben, sagt auch Ilka Hoffmann. Viel zu lange ging man fälschlicherweise von sinkenden Schülerzahlen aus – doch dann stiegen die Geburtenzahlen, Wirtschaft und Zuwanderung boomten. In den neuen Bundesländern hat man zudem die anstehende Pensionierungswelle verschlafen, zu wenig in die Lehrerausbildung investiert, in Sachsen noch dazu seine Lehrer nicht verbeamtet, so dass die wenigen Absolventen in andere Bundesländer abwanderten. Und ein Ende ist vorerst nicht in Sicht. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung werden 2025 über eine Million Kinder mehr zur Schule gehen als erwartet.