Ursula Engelen-Kefer: Clement-Rauswurf spaltet SPD

Moderation: Hanns Ostermann |
Das SPD-Vorstandsmitglied Ursula Engelen-Kefer hat den Parteiausschluss von Wolfgang Clement als strategisch problematisch bezeichnet. SPD-Chef Beck habe die Genossen gerade erst wieder auf Kurs gebracht, sagte Engelen-Kefer. Dessen ungeachtet könne sie Clements Ausschluss in der Sache nachvollziehen.
Hanns Ostermann: Waren es abgedrehte Sektierer, die da vielleicht eine alte Rechnung begleichen wollten? Oder hat der frühere Superminister und Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Wolfgang Clement, den Bogen überspannt? Gegner der Partei jedenfalls dürfen sich die Hände reiben, die einst mitgliederstärkste Partei Deutschlands kommt nicht zur Ruhe. Die Landesschiedskommission in NRW entschied jetzt, Clement auszuschließen. Er habe gegen die innerparteiliche Solidarität verstoßen. Dem allerdings bleibt noch die nächste Instanz, und in die geht er natürlich. Ursula Engelen-Kefer ist Mitglied im Parteivorstand der Sozialdemokraten und jetzt, um 6.52 Uhr, am Telefon von Deutschlandradio Kultur. Guten Morgen, Frau Engelen-Kefer!

Ursula Engelen-Kefer: Ja, guten Morgen, Herr Ostermann!

Ostermann: Halten Sie die Entscheidung in Nordrhein-Westfalen für richtig, oder hätte auch eine Rüge gereicht?

Engelen-Kefer: Ich sehe dies differenziert, und zwar: Inhaltlich, sachlich kann ich die Entscheidung des Landesschiedsgerichtes durchaus nachvollziehen. Es geht ja nicht einfach darum, dass Clement eine Meinung geäußert hat, die anders ist als die vieler anderer in der SPD, zur Energiepolitik, sondern es geht darum, dass er wenige Tage vor schwierigen Landtagswahlen in einem Artikel in einem Massenblatt praktisch die Frage gestellt hat, ob man unter den Bedingungen diese Kandidatin überhaupt wählen kann. Und das ist etwas ganz anderes, als nur eine andere Meinung zu äußern. Stellt man sich mal vor, Herr Roland Koch würde in einem Massenblatt wenige Tage vor den Bundestagswahlen fragen, ob man die Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal wiederwählen kann, die ja auch seiner Partei angehört, weil sie beispielsweise die Tarifmindestlöhne unterstützt, die er ablehnt. Da kann man einmal fragen, ob dann die CDU auch sagen würde, das muss eine große Volkspartei aushalten.

Ostermann: Im Klartext, Frau Engelen-Kefer: Ja, Clement darf seine Meinung sagen, er darf sich aber nicht so weit aus dem Fenster hängen, dass er einer Spitzenkandidatin schadet.

Engelen-Kefer: Genau so. Das ist es. Und wir wussten doch alle, wie schwierig es war für Andrea Ypsilanti, bei den schlechten Umfragewerten, unter denen sie angetreten ist, in einer schwierigen Lage der Partei insgesamt, dass sie da doch erheblich aufgeholt hat. Und dass man ihr da wenige Tage vorher in den Rücken fällt, das finde ich nicht in Ordnung, und das ist mehr als nur eine andere Meinung äußern.

Ostermann: Sie haben das Beispiel schon genannt, natürlich darf man energiepolitisch streiten, denn es gibt ja prominente Leute, die durchaus für eine Verlängerung der Laufzeiten bei Atomkraftwerken sind. Ich erinnere nur an Altkanzler Helmut Schmidt, auch der hängt sich ja weit zum Fenster hinaus. Der Unterschied ist nur: Er mischt sich nicht in die Alltagspolitik ein. Ist das so in etwa Ihre Linie?

Engelen-Kefer: Also geht nicht nur darum, dass man sich nicht in die Alltagspolitik einmischen darf. Noch mal: Da kann man sicherlich abweichende Vorstellungen durchaus ertragen, man muss sie diskutieren, das ist nicht mein Punkt. Aber es geht nicht an, dies wenige Tage vor Landtagswahlen und auch mit einem deutlichen Hinweis auf die Kandidatin in den Landtagswahlen zu machen. Nur darum geht es.

Ostermann: Das bedeutet aber, wenn ich Ihrer Argumentation folge, dass eigentlich jetzt der nächsten Instanz nichts anderes übrig bleibt als Clement rauszuschmeißen.

Engelen-Kefer: Nun, ich habe ja gesagt, das ist nur die eine Seite. Die andere Seite ist eine strategische Überlegung, und strategisch halte ich diesen Spruch zum jetzigen Zeitpunkt für höchst problematisch, er spaltet die Partei erneut, er macht im Grunde genommen das oder gefährdet das, was Kurt Beck mit großen Mühen und unter Hintanstellung seiner eigenen Interessen und seiner eigenen Person wieder an Ruhe und Linie in die Partei hineingebracht hat. Ich kann das ganz besonders sagen, da ich ja von den Gewerkschaften komme, für Jahrzehnte die Gewerkschaftspolitik vertreten habe, auch gegenüber der SPD, auch streitig gegenüber der SPD. Kurt Beck hat es hinbekommen, dass hier wieder eine Gemeinsamkeit aufgebaut werden konnte durch zum Beispiel seinen Einsatz für die Mindestlöhne, durch die bescheidene Wiederverlängerung des Arbeitslosengeldes. Und das wird natürlich durch einen solchen Schlichterspruch und diese öffentliche Diskussion wieder in Schwierigkeiten gebracht. Von daher gesehen glaube ich schon, dass es wichtig wäre, hier besonnen vorzugehen und darüber nachzudenken, was der Partei am allerbesten tut, und das wäre, wenn sich alle Beteiligten darauf verständigen könnten, vielleicht mal gemeinsam nach einem Weg zu suchen, der wieder Ruhe reinbringt.

Ostermann: Ein gemeinsamer Weg bedeutet, dass man so etwas wie einen Kompass hat. Sie haben eben gerade Kurt Beck attestiert, doch, in Teilbereichen funktioniert er als Parteivorsitzender. Das wird der ein oder andere Genosse möglicherweise anders sehen. Wo ist der Kompass eigentlich im Augenblick, wo der Brand ja beginnt zu schwelen? Und man kann davon ausgehen, der wird uns noch Wochen beschäftigen.

Engelen-Kefer: Ja, das wollen wir eben hoffen, dass uns dieser Brand nicht Wochen beschäftigt, denn wir haben weiß Gott Wichtigeres zu tun. Wir haben ja gerade wieder feststellen müssen, der Mitgliederschwund geht weiter, auch unsere Wahlaussichten sind nicht hervorragend. Wir haben Ende September eine weitere Landtagswahl zu bestehen, die sehr wichtig ist, auch im Hinblick auf die Wahlen des Bundespräsidenten oder der Bundespräsidentin, nämlich in Bayern. Deshalb wäre es gut, wenn man diesen Brand möglichst schnell auslöschen würde und dabei muss man immer beide Seiten sehen, sowohl die inhaltliche wie auch die strategische. Am schlimmsten wäre es, wenn man jetzt sagen würde, so, der kriegt jetzt eine übergebraten, der hat mich geärgert. Das ist Quatsch, sondern man muss sehen: Wie kriegt man die Partei wieder nach vorne, wie kann man das fortsetzen, was meiner Meinung nach unter Kurt Beck gelungen ist, nämlich hier wieder Einigkeit und Gemeinsamkeit mit den Gewerkschaften hinzubekommen? Aber auf der anderen Seite muss man auch sehen, dass Wolfgang Clement hier viele, viele Menschen in dieser Republik verletzt hat. Diejenigen, die eben heute in diesen sich ausdehnenden Niedriglohnsektoren beschäftigt sind. Das sind natürlich Konsequenzen von bestimmten gesetzlichen Veränderungen, die er, wenn ich das mal so sagen darf, als Überzeugungstäter vorangetrieben hat. Und da war er auch nicht bereit, andere Argumente gelten zu lassen.

Ostermann: Ursula Engelen-Kefer war das. Frau Engelen-Kefer, danke Ihnen für das Gespräch heute früh.