"Es darf keinen Schlussstrich geben"
Die Urteile im NSU-Prozess sind gesprochen, doch die Ermittlungen müssen fortgesetzt werden, sagt die jüdische Autorin Esther Dischereit. Es gebe noch eine "Fülle ungelöster Fragen", die aufgeklärt werden müssten.
Das Gericht habe mit seinen Urteilen gegen Zschäpe und weitere mitangeklagte Neonazis Rechtsfrieden geschaffen, sagte Dischereit im Deutschlandfunk Kultur. Gerechtigkeit habe es gar nicht schaffen können.
Keine Gerechtigkeit möglich
Kein Rechtsfrieden bestehe hinsichtlich der Ausweitung der Ermittlungen. "Wenn anzunehmen ist, dass aus dem Unterstützer-Netzwerk die Täterinnen und Täter weiter frei herumlaufen, dann können sie auch weiterhin Morde begehen. Das ist eine Vorstellung, die ziemlich unerträglich ist."
Der Rechtsstaat könne sich jetzt nicht zurücklehnen. Die Angehörigen hätten "ein andauerndes Gefühl der Schutzlosigkeit durch einen Staat, den man als Rechtsstaat hat wahrnehmen wollen", so Dischereit.
"Fülle ungelöster Fragen"
Auch nach dem Urteil gebe es noch eine "Fülle ungelöster Fragen". Es gebe eine "Todesliste" mit Zielen des NSU. "Wer ermittelt da weiter?", so die Autorin. Es gebe "ungeheuerliche" Verstrickungen zwischen Polizei, Staatsanwaltschaften und Verfassungsschutz. "Es darf keinen Schlussstrich geben."
Die Autorin zog eine Linie von dem Schweigen von Kanzlerin Merkel zum NSU-Urteil hin zur Sprache in der Debatte über Asyl und Flüchtlinge. Die Politiker gäben derzeit Neonazis Munition. Durch eine bestimmte Wortwahl würde "ein Teil der Menschen zu Ballast erklärt, zu etwas Schmutzigem, was hier nicht gut ist. Das ist ideologisch genau dasselbe, was Rechtsextremisten die ganze Zeit machen".