Urteil in der Kritik

Keine Gefahr durch das Kopftuch

Eine Schülerin mit einem Kopftuch
Das Kopftuch - nun darf es vor und hinter dem Lehrertisch getragen werden © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Christiane Habermalz |
Das Kopftuch ist keine Bedrohung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und auch nicht für das christliche Abendland - das sagt das Bundesverfassungsgericht. Und Christiane Habermalz klatscht den Richtern laut Beifall für ihr Urteil.
Das Kopftuch ist nur ein kleines Stück Stoff, und doch hat es die Gemüter in Deutschland mehr erregt als jedes andere Kleidungsstück zuvor. Warum eigentlich? Vielleicht ist es das Houellebecqsche Schreckensszenario, dass durch unsere Köpfe geistert: In seinem jüngsten Buch hat der französische Bestsellerautor die Vision entwickelt, dass unsere westliche, durch Multikulti-Idealismus gelähmte Gesellschaft peu a peu durch den Islam übernommen wird, weil der Islam der zunehmenden inneren Leere der Konsumgesellschaft ein schlüssiges Wertesystem entgegenzusetzen vermag. Darüber mag man nachdenken; es ist mehr als ein faszinierendes Gedankenspiel.

Vom Kopftuch im Schuldienst aber droht sicher keine ernste Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und auch nicht für das christliche Abendland. Es ist daher gut und richtig, dass das Bundesverfassungsgericht sich jetzt selbst korrigiert und ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen für verfassungswidrig erklärt hat.
Weniger Kopftuch wäre besser
Nur um das gleich klar zu sagen: Besser wäre es zweifellos, man sähe in Deutschland weniger Kopftücher statt mehr – auch auf den Köpfen von Lehrerinnen. Für Anhänger eines aufgeklärten Weltbildes kann es kein gutes Zeichen sein, dass in deutschen Städten ebenso wie in anderen europäischen Großstädten die Zahl der Kopftuch- und Burkaträgerinnen zunimmt. Beunruhigend daran ist nicht, dass es mehr Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland gibt – das ist eher ein Zeichen von Vielfalt -, sondern beunruhigend ist vielmehr, dass das Kopftuch äußerlich sichtbar belegt, dass viele in Deutschland aufgewachsene Muslime zunehmend einer konservativen Auslegung des Islam zuneigen, die im weiblichen Körper eine Ursache von Schuld und Scham sieht, und die die Verantwortung für angeblich unkontrollierbare sexuelle Gelüste der Männer allein den Frauen aufbürdet. Eine Auffassung, die schon im Katholizismus zu viel Unglück geführt hat.
Das Kopftuch ist eine persönliche Entscheidung
Dennoch: Kopftuch oder nicht ist eine persönliche Entscheidung, und sie ist durch die Religionsfreiheit gedeckt. Jeder soll glauben dürfen, was er will, und das auch nach außen kundtun können, sei es durch das Tragen eines Kopftuches, einer Kippa oder eines Kreuzes, und er darf daraus keine Nachteile erleiden.
Faktisch macht ein pauschales Kopftuchverbot es aber muslimischen Frauen unmöglich, den qualifizierten Lehrerberuf zu ergreifen – das ist fragwürdiger im Sinne der Gleichberechtigung von Mann und Frau, als es das Tragen eines Kopftuches sein kann. Anders ist es, wenn gläubige Pädagogen, egal welcher Religion, ihre Stellung als Lehrer ausnutzen, um ihre Schüler aktiv zu missionieren. Diesen Nachweis aber, so fordert es das Gericht jetzt zu Recht, müssen Schule und Schulträger erst erbringen.
Statt pauschale Verbote auszusprechen, wäre es weit wichtiger gewesen, wenn die Bundesländer die Zeit genutzt hätten, um endlich Islamunterricht an deutschen Schulen anzubieten, in dem ein toleranter und weltoffener Islam gelehrt wird, statt die Deutungshoheit darüber, was der Koran vorschreibt, den unzähligen Koranschulen zu überlassen. Dann müsste man in Deutschland vielleicht irgendwann über Kopftücher gar nicht mehr reden.
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