Auch für einen Despoten gelten Persönlichkeitsrechte
Meinungs-und Kunstfreiheit sind hohe Güter, aber nicht schrankenlos. So urteilte das Landgericht Hamburg in der Causa Böhmermann. Das Gericht hat Recht, auch wenn es im Falle des türkischen Staatschefs Erdoğan schwer zu ertragen sei, meint Ludger Fittkau.
Auch wenn es im Falle des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdoğan schwer zu ertragen ist. Doch auch für einen Despoten gelten die Persönlichkeitsrechte, die das Grundgesetz garantiert.
Erdoğan, so hält das Gericht zu Recht fest, muss sich als Staatsoberhaupt zwar besonders heftige Kritik gefallen lassen. Deshalb, weil das Grundrecht der Meinungsfreiheit aus dem besonderen Bedürfnis der Machtkritik erwachsen sei. Dafür muss politische Satire Freiheit haben.
Doch als sexbesessene Person, die "Kinderpornos schaue", dürfen auch Satiriker niemanden öffentlich bezeichnen, wenn sie keine Belege dafür haben. Auch auf eine Stufe mit verurteilten Sexualstraftätern gestellt zu werden, muss man nicht hinnehmen, wenn man nicht verurteilt ist. Sagt das Gericht. Ich kann das nachvollziehen.
Die "Echokammern" des Internets
Insbesondere in Zeiten des Internets. Das ist meines Erachtens ein besonders wichtiger Punkt des heutigen Urteils. Dass sein "Schmähgedicht" sich sofort über die einmalige Ausstrahlung im TV hinaus rasend schnell im Internet verbreiten würde, müsse Böhmermann klar gewesen sein, so das Gericht.
Gerade die "Echokammern" des Internets sorgen heute dafür, dass Beleidigungen, die sich früher mal versendet haben, heute immer und immer wieder angeklickt werden. Das Internet hat ein ungeheures Gedächtnis - das gilt auch für die Verletzungen, die Menschen dort zugefügt werden.
Selbst wenn es so finstere Zeitgenossen sind wie Erdoğan. Auch er ist ein Mensch und mehr wert als ein "Schweinefurz". Diesen von Böhmermann im "Schmähgedicht" benutzten Begriff hebt das Landgericht Hamburg explizit hervor.
Beachtenswerte Ausführungen des Gerichts
Es weist auch darauf hin, dass es nicht nur den muslimischen Despoten beleidige, wenn er als jemand klassifiziert werde, der noch "unterhalb eines Schweins" stehe. Sondern das im Gedicht auch rassistische Stereotype verwandt werden, mit denen Türken seit Jahrhunderten belegt würden.
Ein Sieg nun für den Despoten vom Bosporus? Einerseits ja - ohne Frage. Doch der türkische Staatschef wollte das ganze "Schmähgedicht" Böhmermanns verbieten lassen. Das gelang ihm nicht. Auch die Ausführungen des Landgerichts Hamburg, warum es einige Teile des Gedichts für Rechtens hält, sind beachtenswert.
Es sagt nämlich: In diesen Passagen setzt sich Böhmermann in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Erdoğan trage politische Verantwortung und müsse sich aufgrund seines öffentlichen Wirkens "selbst harsche Kritik" an seiner Politik gefallen lassen. Hinnehmen müsse er auch, dass man sich in satirischer Form über seinen Umgang mit der Meinungsfreiheit lustig mache.
Das Gericht ermutigt also schließlich dazu, nicht damit aufzuhören, Erdoğan mit politischem Witz zu begegnen. Auch das ist gut so!